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Spindeltechnik 28. Februar 2018

Motorspindeln sorgen für Leistungsschub

Für kleine und mittelgroße Extrusions- und Spritzgussschnecken hat Weingärtner ein Bearbeitungszentrum entwickelt. Eine Weiss-Motorspindel trägt zu einer hohen Produktivität bei.

Die Qualität von Spritzgießmaschinen hängt wesentlich von der Qualität der eingesetzten Schnecken ab. Für die Herstellung dieser asymmetrischen, spiralförmigen Bauteile ist in aller Regel die Komplettbearbeitung das Mittel der Wahl, möglichst in einer Aufspannung. Als einer der führenden Hersteller von kombinierten Fräs-Drehzentren im XXL-Format bietet die österreichische Weingärtner Maschinenbau GmbH, Kirchham, Lösungen an, die genau diese Anforderungen erfüllen.

Vor 50 Jahren wurde Weingärtner als Lohnfertigungsbetrieb gegründet. Heute macht dieses Geschäft nur noch einen kleinen Teil des Umsatzes aus. Im Zentrum stehen die Entwicklung und Herstellung von großen, geschlossenen Bearbeitungszentren, zu denen die mpmc- und Pick-up-Baureihen gehören. Diese Maschinen eignen sich für verschiedenste Arten der Metallbearbeitung an großen Wellen, Turbinen, Schnecken und anderen Produkten der Schwerindustrie.

Kombizentrum für kleinere Schnecken

Nun hat der Maschinenbauer mit der pick up 400 im Sommer 2016 ein Kombizentrum auf den Markt gebracht, das erstmals etwas kleinere Dimensionen aufweist. In Zahlen: Es können Schnecken gefertigt werden, die einen Durchmesser von 10 bis 160 mm und eine Länge zwischen 700 und 6.000 mm haben. Wie Klaus Geissler, Vertriebsleiter bei Weingärtner, erzählt, waren zahlreiche Kundenanfragen entscheidend für die Entwicklung der neuen Maschine: „Vor allem im Kunststoffbereich wurde der Wunsch nach einem Fräs-Drehzentrum dieser Größe immer wieder laut. Es ist kleiner als unsere anderen Maschinen und kann nicht wirbeln – braucht also keinen automatischen Kopfwechsel. Dadurch ist sie kompakter und kostengünstiger.“

Mit umfangreichen Fräs- und Drehfunktionen ist die pick up 400 bestens für die komplexe Schneckenfertigung geeignet. Das wissen laut Geissler inzwischen auch andere Branchen zu schätzen, wie die Luftfahrt und der allgemeine Maschinenbau. Er ergänzt: „Davon abgesehen stellen Anwender inzwischen auch andere Produkte mit unserem kleinen Kombizentrum her. Es eignet sich beispielsweise perfekt für komplexe Zylinder mit Bohrungen und Gewinden, die einen Durchmesser bis 400 mm haben dürfen.“

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Steife Grundkonstruktion als Basis

Die Qualitätsbasis für ihre neuen Maschinen legt Weingärtner mit einer steifen Grundkonstruktion. Als ebenso entscheidend beschreibt Geissler die Eigenschaften der eingesetzten Motorspindeln von Weiss Spindeltechnologie. Sie zeichnen sich durch eine sehr steife HSK-T100-Werkzeugschnittstelle und ihre technischen Daten aus. Dank der hohen Drehzahlen bis 14.000 min-1, einer Leistung von 45 kW und Drehmomenten bis 275 Nm bei 100 % Einschaltdauer kann Weingärtner in dem Fräs-Drehzentrum Keramikwerkzeuge verwenden und damit besonders hohe Zeitspanvolumina erreichen. Ebenso vorteilhaft erweisen sich die schnell drehenden Fräsaggregate von Weiss bei der Finish-Bearbeitung. Laut Vertriebsleiter Geissler müssen die Schnecken zwar am Ende immer poliert werden: „Dank der hohen Oberflächengüte von Ra 3,2 µm, die wir mit der neuen Maschine erreichen, können unsere Kunden das Polieren in der halben Zeit erledigen.“

Die Motorspindel wiegt 420 kg

Angeflanscht auf der B-Achse der pick up 400 ist die kompakte Motorspindel schwenkbar und kann über Kopf arbeiten. Weiss-Vertriebsingenieur Volker Schultheiß ergänzt dazu: „Im Sinne der Maschinensteifigkeit waren wir gefordert, das Gewicht unserer Spindel so gering wie möglich zu halten. Mit gerade mal 420 kg ist uns dies gelungen.“ Via Drehdurchführung lassen sich Kühlschmierstoffe (KSS) mit bis zu 80 bar direkt an die Werkzeugspitze transportieren. Ebenso zuverlässig funktioniert die Zuführung von Aerosolen bei Minimalmengenschmierung oder von trockener Luft bei Trockenbearbeitung. Zusätzliche Schwenkdüsen am Spindelkopf eignen sich alternativ für eine äußere KSS-Zufuhr mit bis zu 20 bar.

Integrierte Wellenklemmung mit Hirth-Verzahnung

Um die Drehfunktion perfekt nutzen zu können, lässt sich die Motorspindel von Weiss alternativ zur HSK-T100 mit der Drehwerkzeug-Schnittstelle Capto C8 ausstatten. Entscheidend ist dabei außerdem die integrierte Wellenklemmung mit Hirth-Verzahnung. Sie kann einfach über eine Hydraulikbeschaltung aktiviert werden und erreicht neben dem Haltemoment von 1.000 Nm eine sehr hohe Kippsteifigkeit.

Alle diese technischen Merkmale der Weiss-Spindel tragen entscheidend zu der hohen Wirtschaftlichkeit des neuen, kompakten Fräs-Drehzentrums von Weingärtner bei. Darüber hinaus sind optionale Features wichtig – wie etwa automatische Be- und Endladesysteme für Werkstücke und Werkzeuge, mit denen sich Nebenzeiten verringern lassen. So kann beispielsweise ein Knickarmroboter mit Zwischenmagazin integriert werden, der den Werkzeugwechsel von Span zu Span stets in weniger als 10 s erledigt. Dabei ist die Bedienung des Roboters ebenso einfach wie die der gesamten Maschine. Denn über eine Softwareschnittstelle lässt er sich über die standardmäßig eingebaute Siemens-CNC Sinumerik 840D sl programmieren.

Produktivitätsgewinn für die Kunden

Dass die Summe der Module und Komponenten in der pick up 400 zu einem Produktivitätsgewinn im Vergleich zu anderen Produktionssystemen führt, liegt auf der Hand. Diesen in Zahlen zu fassen, ist für Geissler dennoch schwierig, denn die Unterschiede von Werkstück zu Werkstück sind groß: „So manche kleine Schnecke mit 15 mm Durchmesser und 700 mm Länge stellen Anwender mit unserer pick up 400 in zehn Minuten her. Mit anderen Maschinen brauchen sie dafür vielleicht zwanzig Minuten oder mehr. Ein anderes Mal sind sie aber aus irgendwelchen Gründen nur um 10% schneller. Das hängt von so vielen Faktoren ab, die ich nicht einzeln erklären kann. Aber generell bestätigen unsere Kunden eine sehr hohe Wirtschaftlichkeit dieser Maschine. Demensprechend groß ist die Nachfrage.“

Spindeln und Steuerungen aus einem Konzern

Danach gefragt, wie die Zusammenarbeit mit Weiss Spindeltechnologie zustande kam und wie zufrieden er damit ist, hat der Vertriebsleiter eindeutige Antworten parat: „Die Idee, Spindeln von Weiss einzusetzen, hat mit der Siemens-Zugehörigkeit zu tun.“ Weingärtner setzt schon seit Jahrzehnten auf Steuerungen und Antriebe von Siemens und weiß die Offenheit und Zuverlässigkeit der Systeme zu schätzen. Die Motorspindel aus dem selben Konzernverbund zu beziehen, erscheint logisch. Dass die Maroldsweisacher Spindelspezialisten zudem als Innovationsführer ihres Marktsegments gelten, war für Geissler ein weiterer Grund, die Zusammenarbeit anzustreben. Auch aus heutiger Sicht habe er alles richtig gemacht: „Die Entwickler von Weiss haben sich als ebenso flexibel und zuverlässig erwiesen wie die Vertriebsberater und Servicemitarbeiter.“

Motorspindeln werden in zwei Baureihen eingesetzt

Weiss setzte letztlich alle Anforderungen um. Auch die vorgegebenen Baumaße und Positionen der Anschlüsse entsprechen den Vorgaben. Das war insofern von großer Bedeutung und in der Umsetzung anspruchsvoll, weil diese Motorspindeln künftig nicht nur in der pick up 400 zum Einsatz kommen, sondern auch in diversen Maschinen der mpmc-Baureihe. Dort werden sie mitunter als „Schwesterspindel“ zu einer mechanischen Weingärtner-Spindel verwendet, die bei Bedarf automatisch eingewechselt werden kann. Da die Weiss-Spindeln nun in verschiedenen Maschinen eingesetzt werden können, erhöht sich die Gesamtzahl der Bestellung, was positive Mengeneffekte zur Folge hat. Darüber hinaus sinken die Lagerhaltungskosten, da sich die Anzahl der vorzuhaltenden Spindelersatzteile wie Welle, Stator oder Lager deutlich reduzieren.

rk

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