Image
Foto: Harald Klieber

News

Brexit stützt Spanntechnik-Bilanz

Deutsche Spannzeuge wurden im Vorjahr 9% weniger nachgefragt. Mehr Spannmittel führte nur Großbritannien ein. Warum, erklärt der VDMA-Fachverbands-Vorsitzende Peter Tausend.

Die Spannzeuge mussten 2019 ein Umsatzminus von 9 Prozent hinnehmen, berichtete Peter Tausend, der als Vorsitzender der Fachabteilung Spannzeuge im VDMA turnusmäßig Römheld-Geschäftsführer Hans-Joachim Molka abgelöst hat. Zwar profitierte die Spannzeugbranche im ersten Halbjahr noch von den Auftragsüberhängen des außerordentlich erfolgreichen Vorjahres 2018. Im zweiten Halbjahr 2019 gingen die Umsätze jedoch stark zurück. Insbesondere der Inlandsabsatz sank kräftig. Aber auch der Export war für die Spannzeuge enttäuschend. Die größten Einzelmärkte USA und China entwickelten sich gegenläufig. Während der amerikanische Markt ein kräftiges Wachstum um 8 Prozent verzeichnete, ging das langjährig beobachtete konstante Wachstum in China zu Ende und wich einem deutlichen Rückgang. Die Lieferungen nach China, so Peter Tausend, lagen in den ersten zehn Monaten um 14 Prozent unter denen des Vergleichszeitraums von 2018.

Ausnahmen Frankreich, Großbritannien, Japan

So bestellte das EU-28-Ausland im vergangenen Jahr 4 Prozent weniger deutsche Spanntechnik. Zwischen den meisten Ländern gab es hinsichtlich des Rückgangs wenig Abweichungen. Ausnahmen waren nur Frankreich und Großbritannien. Denn der französische Markt blieb erstaunlich stabil und in das Vereinigte Königreich konnten sogar etwas mehr Spannmittel geliefert werden. "Hier dürften die Brexit-Querelen zu Lageraufstockungen geführt haben", begründet Peter Tausend das außergewöhnliche Plus. Außerhalb der EU entwickelten sich neben dem bereits genannten chinesischen Markt auch der wichtige südkoreanische und der indische Markt deutlich negativ. Ein Lichtblick im asiatischen Raum war im ersten Halbjahr Japan, allerdings gingen hier in den letzten Monaten die Lieferungen ebenfalls zurück und das aktuell noch verzeichnete Wachstum schmilzt.

Konstante Medizintechnik, Luftfahrt legt zu

Brasilien legte nach einem Jahr der Stagnation zu und Mexiko verzeichnete nach den Rückgängen des Vorjahres nun ebenfalls wieder ein Wachstum. Bei den Kundenbranchen sehen wir das aus der Zerspanung bekannte Bild. Die Umsatzentwicklung mit der Automobilindustrie und dem Maschinenbau war 2019 rückläufig. Das Geschäft mit der Medizintechnik ist überwiegend konstant geblieben und die Luftfahrt konnte sogar leicht zulegen. Positiv war, dass sich der hohe Termindruck aus dem Jahre 2018 bei den meisten Unternehmen nach Abarbeitung der Aufträge ab Mai/Juni 2019 deutlich abgeschwächt hat. Während ein kleiner Teil der Branche auch zum Jahresende noch mit Überstunden operieren musste, so Peter Tausend, fuhren bereits zwei Drittel der Branche ihre Zeitkonten zurück und erste Kurzarbeit wurde gemeldet. Dieser Trend werde sich voraussichtlich in den kommenden Monaten noch einmal verstärken.

Talsohle in Asien bald erreicht?

Trotz der momentan schlechten Ausgangslage im Bereich der Spanntechnik hoffen die Unternehmen darauf, dass zumindest in Asien die Talsohle Mitte 2020 erreicht sein könnte, und die Märkte sich dann wieder etwas erholen. Allerdings kann man hierbei nur von einem eher geringen Wachstumsimpuls für 2020 ausgehen, berichtet Peter Tausend. Der zu erwartende Absatz in die Automobilindustrie werde überwiegend als noch einmal deutlich schwächer als 2019 beurteilt. Die Erwartungen an die Kundenbranche Maschinenbau schwankt zwischen deutlich und leicht schwächer. Somit wird, vor allem im ersten Halbjahr 2020, voraussichtlich sehr viel Ausrüstungsgeschäft für Neumaschinen aber auch klassisches Projektgeschäft fehlen. In der Medizin‐ und der Luftfahrtbranche erwartet man überwiegend konstantes Geschäft, hier könnte in einigen Bereichen aber auch ein leicht stärkeres Volumen generiert werden.

2020 Rückgang von 7% erwartet

Insgesamt rechnen die Spannzeuge nach Angaben von Peter Tausend für 2020 mit einem Umsatzrückgang von sieben Prozent. Etwa die Hälfte der Unternehmen plant mit Kurzarbeit zumindest in Teilbereichen. Auch bei den Spannzeugen wird sich die Zahl der Beschäftigten voraussichtlich nicht halten lassen. Jedes zweite Unternehmen sieht sich gezwungen, den Personalbestand anzupassen. Seit Jahren ist Industrie 4.0 ein Thema und wird es natürlich auch in Zukunft bleiben. Die Zusammenführung von IT und den täglichen Geschäftsprozessen ist hierbei die Grundlage.

"Unsere Herausforderung besteht vor allem darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Zukunft zu motivieren und Schritt für Schritt dahin mitzunehmen, zu schulen und zu begleiten. Das funktioniert mit Sicherheit nicht von heute auf morgen und fordert uns aufgrund der unterschiedlichen Altersstrukturen noch einmal in ganz besonderem Maße", definiert Peter Tausend anstehenden Aufgaben. Zudem würde eine Baugruppenbetrachtung innerhalb dieser Systeme ganz massiv die Hersteller dazu zwingen, über den Tellerrand hinauszublicken. "Es werden Einheiten geschaffen, die miteinander kommunizieren und voneinander abhängen. Generell müssen alle Prozesse durchleuchtet und erst einmal in Frage gestellt werden, sowohl in den Produktions-, als auch in den Verwaltungs- und Servicebereichen. Doppel- bzw. Mehrfacharbeiten müssen mit geeigneten Prozessen vermieden und eliminiert werden." Die Hauptaufgaben liegen dabei nach Einschätzung von Peter Tausend vor allem in den Schritten Prozessoptimierung, Automatisierung der Prozesse bis hin zu einer Vollautomatisierung, dort wo es möglich ist.

Trends: kleinere Maschinenräume, Mikrozerspanung

Neue Herausforderungen ergeben sich aus dem Trend zu kleineren Maschinenräumen. Auch die Werkstückkomponenten gehen immer häufiger in Richtung Miniaturisierung. Dies führt sowohl für die stehende als auch für die rotierende Spanntechnik zu weiteren Anforderungen d.h. kleine Werkzeugeinheiten beim Spannen der Werkstücke, sowie sehr kleine Spannwerkzeuge sind erforderlich. Die Mikrozerspanung ist laut Peter Tausend eindeutig auf dem Vormarsch. Weitere technische Herausforderungen liegen im Bereich der intelligenten Werkzeuge (Sensorik) und der Kennzeichnung von Produkten (QR-Code etc.). All diese Entwicklungen greifen zurück auf den Prozess Industrie 4.0 – Datenaustausch, Informationsaustausch, Prozessoptimierung bzw. Prozessautomatisierung.

Einheitsblätter 34192 und 34194

Peter Tausend weißt noch auf zwei Veröffentlichungen aus der Normung mit Schwerpunkt auf der Spanntechnik hin, die in diesem Jahr zur Veröffentlichung anstehen: Die englische Übersetzung des VDMA-Einheitsblatts 34192 'Sicherheitsanforderungen für Spannvorrichtungen zur Verwendung an Maschinen' und das VDMA-Einheitsblatt 34194 'Auswuchten von rotierenden Werkzeugen und Werkzeugsystemen gemäß ISO 16084'. Last but not least empfiehlt Peter Tausend das Spanntechnikforum am 11.März auf Metav in Düsseldorf, bei dem der VDMA einen Schwerpunkt auf die Megatrends bei den 'intelligenten Werkzeugen' setzt.

Warum Präzisionswerkzeuge, und damit auch Spannzeuge, 2020 attraktiv sind und bleiben, erklärt übrigens der Fachverbands-Vorsitzende Andreas Zecha hier.