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Foto: NCFertigung
Trapezgewinde mit ungewöhnlicher Bearbeitungsstrategie vollautomatisch fräsen. Wie das problemlos funktioniert, demonstriert Allmatic mit den Gewindefräsern von Reime Noris.

Thema der Woche 13/2021

Trapezgewinde vollautomatisch fräsen

Allmatic fräst die Trapezgewinde seiner Alllite-Zentrischspanner vollautomatisch. Werkzeugseitige Basis sind die Gewindefräser von Reime Noris.

Wie lassen sich heute selbst große Trapezgewinde prozesssicher und damit vollautomatisch fräsen? Einen Teil der Antwort gibt Noris-Reime-Geschäftsführer Martin Bieber: „Unsere Stärke ist die Beratung, Auswahl und Optimierung. Sowas finden Sie in keinem Werkzeugkatalog.“ Am 15.9.1915 in Nürnberg gegründet, umfasst das Reime-Noris-Produktportfolio heute alle gängigen Innen-Gewindebearbeitungen, aber auch Sonderanwendungen werden realisiert. Typisches Beispiel, so Martin Bieber, sei die Anwendung beim Qualitätshersteller Allmatic, der mit seinem Slogan ‚Qualität schafft Vertrauen‘ sehr gut zum Reime-Motto ‚Unsere Präzision ist Ihr Erfolg‘ passt.

Anspruchsvolle Trapezgewinde in 42CrMo4 fräsen

„Allmatic ist pure Spanntechnik-Qualität. Das beweisen unsere Schraubstöcke seit vier Jahrzehnten Tag für Tag auf vielen Werkzeugmaschinentischen mit sehr hohen, aber fein dosierbaren Spannkräften. Mit unserer seit der EMO verfügbaren Marke Alllite gehen wir aber ganz neue Wege“, berichtet Geschäftsführer Herbert Mayr. Deshalb sind die Zentrischspanner nur online bestellbar. Aus über 40 Varianten darf gewählt werden, was dann binnen 48 Stunden zu einem Grundpreis von 429 EUR in ganz Deutschland ausgeliefert wird und eine riesige Bandbreite mit 28 kN Spannkraft und bis 164 mm Spannweite abdeckt. Ergebnis dieses auf der EMO 2019 gestarteten low-cost-high-quality-Konzepts sind die Zentrischspanner CentroLite, die Allmatic streng auftragsbezogen und fast vollautomatisch im Fertigungswerk Unterthingau nahe Kempten produziert. Machbar sei dies aber nur, so Arbeitsvorbereiter Stephan Meyer, weil letztlich auch die anspruchsvollen Trapezgewinde sehr prozesssicher in die Backen aus 42CrMo4 eingebracht werden.

Vorgabe: 16 Stunden mannlos produzieren

Los ging die Zusammenarbeit mit Reime 1990, als der Werkzeughersteller den damaligen Fertigungsleiter Josef Marth mit den Universalgewindebohrern überzeugte. „Universalgewindebohrer waren damals die Königsdisziplin“, erinnert sich Stephan Meyer an seinen Einstieg 1991. „Das breite Spektrum von M3 bis M16 hatte uns von Reime überzeugt. Daran hat sich bis heute nichts geändert“, versichert Stephan Meyer. Bestes Beispiel sei das Alllite-Projekt. „Denn die dafür nötigen 20x1,5-mm-Trapezgewinde lassen sich nicht so einfach mit herkömmlichen Werkzeugen schneiden. Schon gar nicht in 42CrMo4. Weil die Drehmomente beim Schneiden zu hoch wären, hätten wir niemals gefahrlos 16 Stunden am Stück mannlos produzieren können.“ Um diese Anforderungen in ein tragfähiges Fertigungskonzept zu bekommen, hatte sich Stephan Meyer an die Gewindeexperten von Reime Noris gewandt.

Verkaufsberater Wolfgang Oed, mit dem Allmatic seit 2003 regelmäßig zusammenarbeitet, hatte auch dafür einen Lösungsansatz. „Wir entschieden uns, die Trapezgewinde für die Transportspindel mit einem Schrupp- und einem Schlicht-Werkzeug zu fräsen. Damit lässt sich vor allem die Belastung durch das harte Material relativ gut kontrollieren und dosieren.“ Entsprechend lässt sich der Schnittdruck minimieren, was nach Angaben von Wolfgang Oed die Vibrationen eliminiert und sehr tragfähige Gewinde entstehen lässt.

Ölanteil sollte über 8 % liegen

„Sowas wie den Trapezgewindefräser finden Sie nicht im Internet. Wir machen für diese Grundgeometrie Spezialwerkzeuge, weil eben Bewegungen und Kräfte über einen langen Zeitraum übertragen werden sollen. Hier fließt unser ganzes 105-jähriges Know-how ein“, berichtet Martin Bieber. „In Feucht verfügen wird mittlerweile über eine große Datenbank, in der wir die Eckdaten vieler Zerspanungsprozesse gesammelt haben. Das hatte uns natürlich im Umkehrschluss den idealen Ansatz geliefert, um die Fertigung des Trapezgewindes bei Allmatic mit sehr guten Prozesswerten starten zu können“, erklärt Anwendungstechniker Thomas Breuer. Mitunter entscheidend sei dabei, gleich mit dem richtigen Kühlschmierstoff-Ölanteil zu arbeiten. Denn gerade bei größeren Trapezgewinden seien Ölanteile meist größer 8 % zu empfehlen. 10 bis 15 % seien nicht selten. „Letztlich kommt es tatsächlich auf den Ölhersteller und die Druckbeständigkeit des Öls an. Je präziser hierbei vorab analysiert wird, umso schneller lassen sich auch solche komplexen Gewindefräsprozesse auslegen und eben prozesssicher gestalten“, betont Thomas Breuer.

Der erste Fräser schruppt das Tr20x1,5-Gewinde

Zweiter Grundsatz ist, dass vor allem beim Gewindeschneiden und -formen, aber auch beim Gewindefräsen die Qualität des Gewindes schon mit dem Kernlochbohren beginnt. Deshalb bietet Reime seinen Kunden seit kurzem sämtliche Gewindeschneider, -Former und Fräser im Paket mit dem passenden Kernlochbohrer an. „Das Trapezgewinde in den Vergütungsstahl fräsen war für uns eine Premiere und eine echte Herausforderung. Weil wir das aber sehr kosteneffizient und prozesssicher tun wollten, entschieden wir uns beim Kernloch für einen 18,5-mm-Wechselkopfbohrer. Dem folgen dann prinzipiell drei gleiche Gewindefräser von Reime“, deutet Stephan Meyer eine spezielle Frässtrategie an. Um maximale Konturtreue, beste Oberflächen und Festigkeiten zu erzielen, setzt Allmatic drei baugleiche HR-Gewindefräser ein. Der erste Fräser dient zum Schruppen des Tr20x1,5-Gewindes.

Der Trick mit dem finalen Schlichtfräser

Rund 60 % werden damit vorgearbeitet. Der zweite Fräser nimmt weitere 38 %, bevor der Schlichtfräser mit den letzten 2 % die finale Kontur herausarbeitet. „Der Trick ist, dass der Schlichtfräser die wenigste Laufzeit hat und damit immer die beste Performance zum finalen Schlichten bietet“, erklärt Stephan Meyer. Die eigentliche Herausforderung war aber die Frässtrategie. Denn zum Bohren, Senken, Reiben oder Gewindebohren seien nach Erfahrung von Stephan Meyer zwar Zyklen sehr gut verwendbar, nicht aber für das Gewinde der Alllite-Spanner. Dafür hat Stephan Meyer schon wegen der Startposition, einfacheren Verstellbarkeit und besseren Nachvollziehbarkeit einen eigenen Zyklus geschrieben.

Vorfräsen im Gegenlauf

Dazu wird der Gewindefräser in der Bohrung positioniert und dann rund an die Gewindekontur angefahren. Anschließend wird ein Vollkreis gefahren und zeitgleich in der Werkzeugachse die Gewindesteigung von 1,5 mm verfahren. Im letzten Schritt fährt Stephan Meyer den Fräser rund von der Kontur ab und aus der Bohrung heraus. „Beim Vorfräsen fahren wir mit 50 m/min und einem Vorschub von 106 mm/min (f). Beim Fertigfräsen erhöhen wir bei gleichem Vorschub die Schnittgeschwindigkeit auf 60 m/min, weil ja deutlich weniger Material abgenommen wird. Übrigens wird beim Vorfräsen im Gegenlauf und beim Fertigfräsen Gleichlauf gefräst“, was nach Angaben von Stephan Meyer die Oberflächengüte, Materialdichte und letztlich die Gewindetragfähigkeit optimiert. Im Detail fährt der Gewindefräser die Tiefe von 40 mm mit zwei Tiefenzustellungen ab und führt dann jeweils zwei Kreisbewegungen aus. „Das muss natürlich so sein, weil die verfügbare Schneidenlänge nur circa 23 mm beträgt, unser Gewinde aber 40 mm lang ist“, erklärt Stephan Meyer.

Erst 3 min schruppen, dann 1,45 min schlichten

Das heißt: Beim Vorfräsen werden vier Kreise mit Steigung 1,5 mm abgefahren und beim Fertigfräsen zwei Kreise mit gleicher Steigung. „Die HR-Gewindefräser von Reime sind sehr gut. Das zeigt uns schon der Standweg. Bevor wir die Werkzeuge das erste Mal kontrollieren, kann jedes Werkzeug problemlos 300 Gewinde produzieren. Diesen Daumenwert haben wir zusammen mit Reime ermittelt“, berichtet Stephan Meyer. Erhöhten Verschleiß würde sofort die IPM-Schnittkraftüberwachung der 5-achsigen Heller H2000 anzeigen. Produziert werden die Trapezgewinde auf den hauseigenen Spanntürmen von Allmatic. Jeder Turm spannt zur Bearbeitung jeweils drei Alllite-Backen, die neben diversen Spannbackenkonturen je ein Trapezgewinde gefräst bekommen. Horizontal werden die drei Trapezgewinde in 3 min geschruppt und anschließend in 1,45 min geschlichtet, bevor final pro Backe noch zwei M8-Befestigungsgewinde geformt werden.

Gewindeformer schafft 4-fachen Standweg

„In Summe erhalten wir ein sehr tragfähiges Trapezgewinde, das prinzipiell nicht nur die offizielle Spannkraft von 28 kN verträgt, sondern rein konstruktiv mit einer Sicherheitsreserve von Faktor 2,5 ausgelegt ist“, deutet Herbert Mayr die Leistungsfähigkeit der nicht nur günstigen, sondern sehr stabilen Alllite-Spanner an. Einiges Potenzial sieht der neue Allmatic-Geschäftsführer aber auch in den erstmals erfolgreich in Serie geformten M8-Befestigungsgewinden, die deutlich höhere Standzeiten gegenüber den schneidenden Gewindewerkzeugen in die Prozesse bringen. „Gerade in härteren Materialien und für höhere Stückzahlen lohnt sich ein Gewindeformer“, empfiehlt Anwendungsberater Thomas Breuer. Im Vergleich würde ein schneidender Gewindebohrer nur rund 1.000 Gewinde schaffen, ein Former aber meist das rund Vierfache, also 4.000 Gewinde. Allerdings, gibt Wolfgang Oed zu bedenken, sollte der Gewindeformer auf neue Materialien getestet und eben nur mit einem abgestimmten Kernlochbohrer eingesetzt werden. „Denn nur der abgestimmte Kernlochbohrer reduziert effektiv die Aufhärtungen in der Bohrung auf ein Minimum. Und nur so können Sie tatsächlich maximalen Standwege mit dem Gewindeformer erreichen“, erklärt Wolfgang Oed. Deshalb liefert Reime seit Anfang 2021 serienmäßig auch den passenden VHM-Bohrer für M3 bis M22. „Letztlich lassen sich nur mit dem richtigen Kernlochbohrer extrem runde Kernlochbohrungen erzeugen. Und das ist die Basis für sehr präzise, saubere und damit prozesssichere Gewinde“, versichert Martin Bieber.