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Dr. Achim Feinauer, Geschäftsführer der Hainbuch GmbH: „Wir sehen  in der Automatisierung ein wachsendes Anwendungsfeld für Hainbuch.“
Foto: Rüdiger Kroh
Dr. Achim Feinauer, Geschäftsführer der Hainbuch GmbH: „Wir sehen  in der Automatisierung ein wachsendes Anwendungsfeld für Hainbuch.“

Thema der Woche 33/2023

Spanntechnik entscheidet über einen stabilen Prozess

Dr. Achim Feinauer, Geschäftsführer von Hainbuch, erwartet durch zunehmende Messtechnik, dass Spannmittel immer mehr auch regelnd in den Prozess eingreifen können.

Entscheidet Spanntechnik zukünftig über die Stabilität des Bearbeitungsprozesses? Dr. Achim Feinauer, seit November 2022 Geschäftsführer der Hainbuch GmbH, beantwortet diese Frage mit einem klaren „Ja“. Im Interview berichtet er zudem über die Automatisierungsaktivitäten und erwartet für Hainbuch im laufenden Jahr ein Wachstum von 10 %. 

Herr Dr. Feinauer, Sie sind seit November des vergangenen Jahres als Geschäftsführer bei Hainbuch. Was hat Sie in den ersten Monaten am meisten überrascht?

Feinauer: Ich bin seit mittlerweile fast 40 Jahren in der spanenden Fertigung unterwegs und hatte in dieser Zeit immer wieder mit Hainbuch zu tun. Ich war sehr gespannt, ob sich das positive Bild, das ich von außen hatte, auch beim genaueren Hinschauen bestätigt. Und ich muss sagen: außen hui − innen wow. Hainbuch hat mit Spannköpfen in runder Ausführung einen Standard kreiert, der millionenfach eingesetzt wird. Mit dem sechskantigen Spannsystem für die Außen- und Innenspannung werden Genauigkeiten im µ-Bereich erreicht. Das sind begeisterungsfähige Produkte, deren Herstellung anspruchsvoll ist. Nimmt man dann noch die Digitalisierung und die intelligenten Spannmittel dazu, so ist das alles zusammen wow.

Ihre bisherigen Stationen waren alle Werkzeugmaschinenhersteller. Was hat Sie bewogen zu einem Anbieter von Spanntechnik zu wechseln?

Feinauer: Das ist nur auf den ersten Blick so – es waren immer Anbieter von Fertigungslösungen, die eine Werkzeugmaschine inklusive Spannmittel und Prozess verkauft haben. Je mehr man sich mit den steigenden Anforderungen den Grenzen nähert, desto mehr stellt man fest, dass das Spannmittel zunehmend einer der entscheidenden Faktoren ist, weil es Stabilität und Qualität bestimmt. Insofern ist mein Wechsel ein folgerichtiger Schritt gewesen und ich bin am Prozess geblieben. Es geht jetzt nur mehr darum, wie man die PS der Maschine auch wirklich an das Werkstück bringt.

Sie sind zwar beim Prozess geblieben, haben aber mit dem Spannmittel jetzt einen kleineren Ausschnitt von der Gesamtlösung zu verantworten?

Feinauer: Auf der einen Seite stimmt das. Aber wenn ich an die zunehmende Automation denke, dann kommt damit vieles zum Spannmittel hinzu. Außerdem ist es ein Vorteil, jetzt mit dem Spannmittel noch näher am Prozess zu sein.

Ist somit die Werkzeugmaschine für die Optimierung des Prozesses zukünftig gar nicht mehr so relevant?

Feinauer: Das ist schon sehr provokant gefragt. In den vergangenen 50 Jahren hat eine deutliche Konsolidierung im Werkzeugmaschinenbau stattgefunden. Die Anzahl der Anbieter und auch die Anzahl der Maschinenkonzepte ist geringer geworden. Daher erfolgt die Differenzierung für den Endkunden weniger über die Maschine und mehr über Spannmittel, Software oder Automatisierung.

Zurück zu Ihren Aufgaben bei Hainbuch. Wo liegt aktuell Ihr Fokus und welche Ziele haben Sie?

Feinauer: Mein Schwerpunkt in der Geschäftsführung liegt im Bereich Technik, zudem noch auf Vertrieb und unserer Kostenstruktur, das heißt den Prozessen. Daraus folgend liegt der Hauptfokus in der Beherrschung der Komplexität innerhalb unserer Fertigung. Wir haben mit 8.000 Positionen einen dicken Katalog an Hauptprodukten, dennoch ist unsere Losgröße deutlich einstellig. Wir haben vier Fertigungsstandorte in Deutschland und noch zwei weitere in der Slowakei, die wir momentan zu einem neuen Standort zusammenfassen. Zudem gibt es weltweit kleinere lokale Fertigungen, für die wir jetzt identifizieren, was wir im Hinblick auf schnellere Reaktionszeiten vor Ort an kundenspezifischen Applikationen machen können.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Optimierung der eigenen Fertigung?

Feinauer: Wir planen eine stufenweise Entwicklung im Rahmen unserer Fertigungsstrategie. Der erste Schritt ist eine effizientere Nutzung der installierten Basis. In einem zweiten Schritt geht es dann um eine Mehrmaschinenbedienung als Vorstufe zur Automatisierung. Aktuell sind wir aber mit dem Mitarbeiterstamm und der Fertigungskapazität gut gewappnet, um in den nächsten ein bis zwei Jahren zu wachsen.

Wie hoch ist die Fertigungstiefe bei Hainbuch?

Feinauer: Die Endbearbeitung bleibt immer die Kernkompetenz von Hainbuch. Und da nahezu alle Teile wärmebehandelt sind, ist dies eine Hartbearbeitung. Im Prinzip kaufen wir Stahl und Eisen sowie Rohgummi und fertigen daraus unsere Spannfutter und Spanndorne.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktsituation für die Spanntechnik?

Feinauer: Sehr gut. Wenn man in Richtung Automobilindustrie schaut, werden dort zwar niedrigere Stückzahlen kolportiert, aber es gibt auch Automobilzulieferer, die gerade wachsen. In China haben wir Anfang des Jahres etwas mehr Ruhe gespürt, aber in der westlichen Welt ist die Nachfrage hoch.

Und wie spiegelt sich das in den Umsatzzahlen von Hainbuch wider?

Feinauer: Wir gehen davon aus, in diesem Jahr einen Umsatz von 110 Mio. Euro zu erreichen. Das wäre ein Wachstum von 10 %. Derzeit sind wir voll auf Plan, beim Auftragseingang sogar darüber. Im Januar hatten wir den besten Auftragseingang der Firmengeschichte gehabt und wir sehen momentan keinen Abbruch.

Wo liegen noch Wachstumspotenziale?

Feinauer: Hainbuch liefert zwar in über 40 Länder, aber in teilweise überschaubarer Größenordnung. Unsere beste Marktdurchdringung haben wir in Europa und speziell in Deutschland. In den USA und China bieten sich aber noch deutliche Chancen zu wachsen. Einen weiteren Schub erwarten wir von der Übertragung des Themas smart factory von der Groß- in die Kleinserie. Denn das bedeutet, dass Spannmittel automatisch wechselbar sein müssen – und das sicher und wiederholgenau. Daher sehen wir in der Automatisierung ein wachsendes Anwendungsfeld für Hainbuch.

Welche Angebote haben Sie hier schon für Ihre Kunden?

Feinauer: Wir haben zwei Stufen: Das sind erstens unsere schnellwechselbaren Spannmittelschnittstellen Centrotex, die noch manuell zu wechseln sind, aber einen schnellen Wechsel mit hoher Genauigkeit garantieren. Wenn der Spannmittelwechsel ohne Mitarbeiterbindung erfolgen soll, sind wir bei der Automation und hier gibt es erste Lösungen, die ihre Praxistauglichkeit schon bestätigt haben.

Wie können solche Lösungen aussehen?

Feinauer: Ein Werkstückwechsel erfolgt deutlich weniger oft als ein Werkzeugwechsel. Eine Automatisierung muss daher nicht zwingend nur für eine Maschine ausgelegt sein, sondern kann, beispielsweise in einer Zelle, mehrere Maschinen bedienen. Solche Lösungen können wir realisieren und profitieren dabei vom Know-how von Vischer & Bolli Automation.

Sie sprechen ihr Tochterunternehmen an. Mit der Übernahme Ende 2020 haben Sie sich in der Automatisierung stärker aufgestellt. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Feinauer: Heute steht das Thema Automation mit Hainbuch und Vischer & Bolli auf zwei relativ unabhängigen Standbeinen. Die Hainbuch-Seite beschäftigt sich vorrangig mit runden und rotierenden Teilen, während Vischer & Bolli seine Erfahrung von der stationären Spanntechnik einbringt. Man könnte auch sagen: Die einen automatisieren Drehmaschinen, die anderen Bearbeitungszentren. Stand heute sind wir noch auf diesen beiden Beinen unterwegs, aber wir werden das in eine Form gießen und sicher zu gegebenem Zeitpunkt informieren, wie es konkret aussieht.

Um welche Größenordnung geht es, wenn bei einem Projekt zur Spanntechnik noch die Automatisierung hinzukommt?

Feinauer: Bei kleineren Losgrößen hat man verschiedene Spannmittel und x-mal so viele Spannelemente. Dies ist etwa ein Viertel des Umsatzes von einer Zelle, der Rest entfällt auf Automation. Es bietet sich also eine große Wachstums- und Differenzierungschance.

Wer wird in diesem Feld der Automatisierung das Rennen machen – der Maschinenhersteller, das Systemhaus oder der Spanntechnikanbieter?

Feinauer: Automatisierung in Summe ist weltweit ein sehr heterogenes Feld und es wird Gewinner und Verlierer geben müssen. Der Ansatz über den Werkzeugmaschinenhersteller ist erstmal logisch. Wenn es aber darum geht, Spannmittel automatisiert zu wechseln, sehen wir durchaus eine Daseinsberechtigung für jemanden, der sich explizit mit der Spanntechnik auskennt.

Blicken wir auf den Zerspanungsprozess selbst. Welchen Stellenwert wird hier bei der Optimierung intelligente Spanntechnik zukünftig einnehmen?

Feinauer: Wir erwarten, dass Spannmittel durch die zunehmende Messtechnik immer mehr auch regelnd in den Prozess eingreifen können. Spanntechnik wird zum entscheidenden Kriterium, ob ein Prozess stabil läuft oder nicht. Die Entwicklungen in der Elektronik werden uns dabei neue Möglichkeiten eröffnen.

Zum Abschluss noch ein Ausblick: Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Spanntechnik zukommen?

Feinauer: Das Spannen filigraner Werkstücke wird sicherlich zunehmen, zum Beispiel von Blech- und Leichtbauteilen oder umgeformten Bauelementen. Dieser Trend nimmt auch Einfluss auf das Spannmittel und wird geometrische Anpassungen erforderlich machen.