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Foto: Rüdiger Kroh

Schleifmaschinen

Weitere Marktanteile gewinnen

Michael Merkle, Inhaber und CEO der Schweizer Agathon AG, berichtet im Interview über seinen ungewöhnlichen Start und die Neuausrichtung des Unternehmens.

von Rüdiger Kroh

Herr Merkle, das Unternehmen Agathon feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Was verbindet man aus Ihrer Sicht mit dem Namen?

Der Name stammt aus dem Altgriechischen und heißt „Das Gute“. Somit steht Agathon für Qualität, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit. Firmengründer Leo Pfluger hat 1918 den Namen gewählt, weil er an die Uhrenindustrie geliefert hat, zuerst Stanznormalien, später auch Schleifmaschinen − und das war für ihn die Königsklasse. Auch für unsere heutigen Produkte gilt: Sie unterscheiden sich in der Komplexität und im Preis, aber nie in der Qualität. Nicht umsonst haben wir Maschinen im Markt, die 30 Jahre alt sind und immer noch laufen.

Sie selbst sind erst seit gut drei Jahren an der Spitze des Unternehmens. Wie ist es dazu gekommen?

Es war eine typische Nachfolgeproblematik. Walter Pfluger war in dritter Generation Alleinbesitzer von Agathon, aber seine Kinder hatten wenig Interesse daran, die Firma weiterzuführen. Wir kannten uns schon lange und er hat mich gefragt, ob ich Agathon kaufen will. Ich hatte damals einen großartigen Job als Geschäftsführer der Bystronic Laser AG, doch diese einzigartige Gelegenheit hat mich gereizt. Gemeinsam mit Dr. Stephan Scholze, der damals schon als Entwicklungsleiter im Unternehmen war, haben wir Agathon dann übernommen.

Ihr erster Tag bei Agathon war dann nicht gerade alltäglich.

Ganz und gar nicht, denn der 15. Januar 2015 war der Tag des sogenannten Frankenschocks. Wir saßen in meinem Büro zusammen um das Budget für das Jahr zu planen, als die Nachricht von der rund 20-prozentigen Aufwertung des Frankens kam. Von einem auf den anderen Moment mussten wir komplett umdenken und auf einmal war ein Krisenplan gefragt.

Was waren dann Ihre ersten Maßnahmen?

Ich hatte schon Erfahrung aus den Krisen der Jahre 2003 und 2009. Daher konnten wir schnell gezielte Sparmaßnahmen einleiten, die gewirkt, aber eben nicht gelähmt haben. Wir haben aber auch investiert. Und es wurden unter anderem flexible Arbeitszeiten eingeführt, unser Produktportfolio um die Spitzenlos-Schleifmaschinen bereinigt und dadurch die Entwicklungskapazitäten auf Wendeschneidplatten-Schleifmaschinen und Normalien konzentriert. Darüber hinaus haben wir ein Lean-Programm für Montage und Fertigung eingeläutet. Diese Kombination aus Sparsamkeit und Investition hat sich ausgezahlt, auch weil alle Mitarbeiter mitgezogen haben.

Wie ist Ihr Maschinenprogramm denn jetzt aufgestellt?

Wir hatten vorher kein durchgängiges Maschinenportfolio, sondern nur eine Top-Range. Das heißt, wir haben unser Angebot ausgeweitet. Der Markt wollte von Agathon nicht nur hochkomplexe 4- und 5-Achs-Maschinen, sondern auch Maschinen von mittlerer und tieferer Komplexität. Auf dieses Bedürfnis haben wir reagiert und haben jetzt ein durchgängiges Baukastensystem mit vier Plattformen, inklusive unserer neuen Lasermaschine.

War also im Nachhinein der Frankenschock sogar ein Glücksfall?

Eine Krise gibt einem immer auch die Möglichkeit, Veränderungen voranzutreiben. Und die Aufwertung des Frankens hat sicherlich für die entsprechende Dringlichkeit gesorgt. So gesehen hat der 15. Januar 2015 die Weiterentwicklung von Agathon auf jeden Fall beschleunigt. Heute zweifelt niemand im Unternehmen, dass es der richtige Weg war. Nur durch die neuen Maschinenplattformen und die Einführung von Lean-Production konnten wir die Anzahl der gefertigten Maschine auf der gleichen Fläche erhöhen und so unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Die Optimierungen in der Produktion sind aber noch nicht am Ende. Der nächste Schritt steht 2019 mit der Einführung der Fließmontage bevor.

Die Maschinen werden schon seit zwei Jahren lean gefertigt, aber sie fließen noch nicht. Das soll ab Januar 2019 erfolgen. Wir werden die Fließmontage in der existierenden Halle einführen. Das ist wie eine Operation am offenen Herzen, die gut vorbereitet sein muss. Wir werden mit einem Takt von zwei Tagen pro Station arbeiten und rechnen damit, beim Maschinendurchsatz nochmal 30 % drauflegen zu können.

Sie haben Ihre neue Laserbearbeitungsmaschine Neo schon angesprochen. Was war der Grund für deren Entwicklung?

Die Materialien der Wendeschneidplatten haben sich verändert und Superhartstoffe, insbesondere PKD und PCBN, sind stark im Kommen – dafür brauchen wir den Laser. Wir haben eine neue, effiziente Kombination geschaffen, bei der wir die Lasermaschine zur Schruppbearbeitung nutzen und dann auf Endmaß schleifen. Das Feedback vom Markt ist sehr gut und wir starten im September mit den ersten Auslieferungen.

Wird aus der einen Maschine eine Baureihe werden?

Ich denke schon, dass bei Lasermaschinen noch mehr kommt. Das ist jetzt erstmal der Einstieg, aber der Laser bietet noch viele Möglichkeiten.

Wollen Sie den Laser aber weiter nur zur Vorbearbeitung nutzen oder ist auch die Endbearbeitung angedacht?

Momentan ist unsere Strategie für den Laser ganz klar die Vorbearbeitung. Das heißt, es soll noch ein Schleifprozess folgen. Aber es gibt sowohl Einsatzgebiete für geschliffene PKD-Kanten als auch für gelaserte – beide haben ihre Vorteile.

Gibt es denn auch Überlegungen in Richtung einer Laser-

Hybridmaschine?

Ich persönlich bin kein Fan von Kombimaschinen, weil dort meist ein Prozess steht. Es klingt zwar schön, zwei Verfahren in einer Maschine zu haben, aber durch die Kombination der beiden Prozesse werden solche Lösungen schnell sehr komplex und teuer.

Welchen Umsatzanteil könnte der Laserbereich zukünftig bei Agathon ausmachen?

Ich denke, ein Anteil von 20 % am Maschinengeschäft ist in näherer Zukunft schon möglich. Der Laser soll nicht nur eine Nische bleiben.

Sie haben in den vergangenen drei Jahren viel bei Agathon verändert. Hat sich parallel auch der wirtschaftliche Erfolg eingestellt?

2015 war natürlich ein schwieriges Jahr, aber Mitte 2016 hat unser neues, durchgängiges Produktportfolio gegriffen und die Konjunktur angezogen. So konnten wir im vergangenen Jahr den Umsatz um über 30 % steigern und 2018 werden wir hoffentlich in der gleichen Größenordnung zulegen. Auch für das kommende Jahr bin ich optimistisch, dass wir deutlich wachsen und weitere Marktanteile gewinnen.

Wie sehen Sie Agathon international aufgestellt?

Europa ist unser Hauptmarkt. Rund die Hälfte unseres Umsatzes erwirtschaften wir hier. Nordamerika und Asien sind mit je einem Viertel etwa gleich stark. Im asiatischen Wirtschaftsraum sehe ich derzeit das größte Wachstumspotenzial und es war eine gute Entscheidung, dass wir vor vier Jahren in China eine Vertriebs- und Service-Niederlassung eröffnet haben. In den USA haben wir bereits seit vielen Jahren solche Strukturen. Dadurch sind wir in diesen beiden wichtigen Märkten äußerst nah bei den Kunden. In Nordamerika und Asien erwarten wir jeweils ein moderates Wachstum.

Das Schlagwort Industrie 4.0 darf nicht fehlen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Bei diesem Thema muss man als Maschinenbauer dabei sein, und in unserem Segment sind wir hier sicher Vorreiter.

Was bieten Sie schon an und wo wird die Reise hingehen?

Unser Smart-Connectivity-Industrie-4.0-Angebot umfasst zurzeit eine MES- und eine cloudbasierte IIoT-Lösung. Bei ersterer steht die Produktionsplanung im Zentrum, um die Overall Equipment Effectiveness weiter zu verbessern. Bei unserer IIoT-Lösung hingegen, die wir unter dem Namen Live Status vermarkten, lassen sich Produktions- und Statusdaten der einzelnen Agathon-Maschinen in einer Smartphone-App sowie auf dem Desktop-PC in Echtzeit darstellen. Ab Herbst werden wir außerdem eine erweiterte Smart-Connectivity-Schnittstelle anbieten. Dabei wird es sich um eine OPC-UA-Schnittstelle handeln, über die Unternehmen ihren Agathon-Maschinenpark an zentrale Systeme anbinden können, die bereits im Unternehmen im Einsatz sind. Zukünftig wird es vor allem darum gehen, die Bedienung der Maschine zu vereinfachen und die Autonomie der Prozesse weiter zu steigern. Wir stehen vor einem zunehmenden Fachkräftemangel, den wir durch Autonomie und Automation kompensieren müssen. Ein weiteres großes Thema ist auch Predictive Maintenance. Hier gilt es, anstehende Wartungen planbar zu machen und ungeplante Ausfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Dies werden die Treiber für zukünftige Entwicklungen sein.