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Die Jahrespressekonferenz des VDW fand wieder als Online-Event statt. Der Verband erwartet für die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie im Jahr 2022 ein Produktionsplus von 14 %. 
Foto: Rüdiger Kroh 
Die Jahrespressekonferenz des VDW fand wieder als Online-Event statt. Der Verband erwartet für die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie im Jahr 2022 ein Produktionsplus von 14 %. 

THEMA DER WOCHE 08/2022

Werkzeugmaschinenindustrie hat Vor-Corona-Niveau im Blick

Schneller als erwartet bewegt sich die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie in Richtung Vor-Corona-Niveau. Der VDW rechnet für 2022 mit 14 % Produktionsplus.

Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie ist im vergangenen Jahr wieder durchgestartet und blickt optimistisch auf 2022. „Die Branche hat die Krise schneller hinter sich gelassen als ursprünglich erwartet“, sagte Franz-Xaver Bernhard, Vorsitzender des VDW (Verband Deutscher Werkzeugmaschinenfabrik) auf der Jahrespressekonferenz. Nach Schätzungen des Verbands hat die Hersteller 2021 Maschinen und Dienstleistungen im Wert von rund 12,7 Mrd. Euro produziert. Das entsprach einem Zuwachs von 4 %, im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 aber noch einem erheblichen Rückstand von 26 %. Für das laufende Jahr wird ein Produktionsplus von 14 % prognostiziert.

Export treibt Geschäft der Werkzeugmaschinenindustrie an  

„Der Optimismus für 2022 gründet auf der hervorragenden Nachfrageentwicklung seit Mitte vergangenen Jahres“, erläuterte Bernhard. Gestützt werde dies durch hohe Erwartungen an die Weltwirtschaft. Das globale Bruttoinlandsprodukt soll laut Prognosepartner Oxford Economics um 4,2 % wachsen, die Industrieproduktion um 4,4 % und die Investitionen um 4,3 %. Für Deutschland stellen sich einige Daten noch besser dar. Die Industrieproduktion soll um 5,2 %, die Investitionen um 6,1 % steigen. „Gleichwohl ist die Prognose 2022 noch von Unsicherheit geprägt“, räumte der VDW-Vorsitzende mit Blick auf die gewaltigen Infektionszahlen, Lieferengpässe und geopolitische Konflikte ein.

Das Geschäft im Jahr 2021 wurde laut Verbandsangaben wieder einmal getrieben durch den Export, der um 8 % zulegte und damit doppelt so stark wuchs wie die Produktion. Amerika führte das Auslandsgeschäft mit einem Plus von 13 % an, gefolgt von Asien mit 11 % und Europa mit 5 %. Dem gegenüber ging der Inlandsabsatz aufgrund der Investitionszurückhaltung der Automobilindustrie noch um 5 % zurück. Der nur leicht gestiegene Verbrauch von 1 % wurde durch die Importe gestützt, die um mehr als ein Zehntel zulegten, mit den Top-Lieferanten Schweiz, Japan und Italien an der Spitze.

China und die USA bleiben die wichtigsten Abnehmermärkte

Der Auftragseingang ist im vergangenen Jahr insgesamt um 58 % gestiegen, so der VDW. Starker Treiber war das Ausland mit einem Anstieg von 62 %. Die inländischen Bestellungen legten jedoch ebenfalls kräftig um mehr als die Hälfte zu. Von den ausländischen Märkten hatten die Europäer nach vorläufigen Zahlen die Nase vorn. Sie steigerten ihre Bestellungen um 90 %, gefolgt von Amerika mit einem Zuwachs von 66 % und Asien mit einem Anstieg von 61 %. China und die USA bleiben die wichtigsten Kunden mit hohen zweistelligen Zuwächsen von 65 und 92 %.

Die internationale Werkzeugmaschinenproduktion ist ohne Teile und Zubehör nach ersten Schätzungen des VDW im Jahr 2021 um 18 % auf 69 Mrd. Euro gestiegen. Mit einem Anteil von fast 30 % und einem Zuwachs von 22 % steht China mit großem Abstand an der Spitze und produzierte mehr als die beiden nachfolgend platzierten Länder zusammen. Japan hat einen Anteil von rund 14 % an der Weltproduktion und verweist mit einem Anstieg von 14 % Deutschland erstmals seit fünf Jahren knapp auf Platz 3 mit einem Anteil von 13,4 %. Im Export konnte Deutschland seine Spitzenposition mit einem Anteil von über 18 % und einem Zuwachs von 8 % verteidigen, vor Japan und China. Beim Werkzeugmaschinenverbrauch hat China mit einem Anteil von einem Drittel deutlich die Nase vorn. Der chinesische Verbrauch legte um knapp ein Fünftel auf 22,2 Mrd. Euro zu. Auf Platz 2 folgen die USA mit einem Anteil von 12,4 % und auf Platz 3 Deutschland mit großem Abstand und 6,9 % Anteil.

Lieferengpässe und Fachkräftemangel sind die größten Herausforderungen

Die beiden größten Herausforderungen für die Werkzeugmaschinenbranche sind Lieferengpässe und Fachkräftemangel. „Engpässe in den Lieferketten von Elektronikbauteilen und Metallerzeugnissen waren das beherrschende Thema für die Industrie im vergangenen Jahr, und sie dauern an“, berichtete Bernhard. Insbesondere der Chipmangel treffe die Unternehmen zweifach. Einerseits ist die Lieferfähigkeit der Automobilindustrie, des wichtigsten Abnehmers von Werkzeugmaschinen, eingeschränkt. Ihre Produktion stockt und damit die Abnahme von Maschinen. Andererseits fehlen Chips für Steuerungen, einer der wichtigsten Komponenten in der Werkzeugmaschine, aber auch für Gateways, Edge Computer oder Antriebe. Das verzögert die Auslieferung bestellter Maschinen.

Kurzfristig sieht der VDW-Vorsitzende nur begrenzte Einflussmöglichkeiten für die Hersteller. „Einstweilen bleibt nur, bei der Materialbeschaffung hohe Kreativität an den Tag zu legen und höhere Preise in Kauf zu nehmen, die gegebenenfalls nicht weitergegeben werden können. Mittelfristig wird es wohl immer wichtiger, stabile Lieferketten aufzubauen und die Anzahl der Lieferanten zu diversifizieren, um Abhängigkeiten zu reduzieren.“

Energiewirtschaft rückt in den Fokus der Werkzeugmaschinenhersteller

Ein ähnlich gravierender Faktor ist der Fachkräftemangel. Über zwei Drittel der Werkzeugmaschinenhersteller wollen laut einer Umfrage im laufenden Jahr ihre Stammbelegschaft aufstocken. Dem gegenüber war die Zahl der freien Arbeitsstellen im Dezember 2021 etwa doppelt so hoch wie Ende 2020. In maschinenbaurelevanten Berufen lag Mitte 2021 die Anzahl der Ausbildungsplätze 7 % über dem Vorjahr, während die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber 9 % darunter notierte. Daher forderte Bernhard Unternehmen und Politik gleichermaßen auf, hier das Ruder herumzureißen und die Attraktivität der Berufsausbildung offensiv herauszustellen. „Die deutsche Industrie hat immer auf ihre guten Fachkräfte bauen können, die durch eine erstklassige Ausbildung gegangen sind. Die duale Ausbildung war ein Exportschlager, den wir nicht aufs Spiel setzen dürfen.“

Mit der angekündigten Energiewende durch die neue Bundesregierung eröffnen sich laut VDW in der Energiewirtschaft Chancen für die Werkzeugmaschinenhersteller. „Bisher stand die Energiewirtschaft aufgrund niedriger Stückzahlen und hoher Lebensdauer nicht im Fokus der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie“, urteilte Bernhard. Jedoch bestehe durchaus die Möglichkeit, dass die höheren Investitionen zu einem größeren Potenzial für die Branche führen, etwa durch steigende Stückzahlen von mechanischen Komponenten für Windkraftanlagen, Verbrennungskraftmaschinen mit Relevanz für die Energiewende oder übergreifenden mechanischen Peripheriekomponenten wie Generatoren und Kompressoren.

In einer Studie lässt der VDW aktuell vom Münchner Beratungsunternehmen Strategy Engineers untersuchen, welches Potenzial durch den Umbau der Energiewirtschaft für die Werkzeugmaschinenindustrie entsteht. Die Studie ist in der Abschlussphase und soll den VDW-Mitgliedern in der zweiten Märzhälfte vorgestellt werden.