Image
Haimer bietet ein breites Spektrum an Werkzeugaufnahmen. Die beiden Fertigungsstandorte haben eine tägliche Kapazität von etwa 4.000 Aufnahmen. 
Foto: Haimer
Haimer bietet ein breites Spektrum an Werkzeugaufnahmen. Die beiden Fertigungsstandorte haben eine tägliche Kapazität von etwa 4.000 Aufnahmen. 

Spanntechnik

Welche Rolle spielt die Werkzeugspannung für die Nachhaltigkeit?

Bei Nachhaltigkeitsbetrachtungen in der Zerspanung werden gerne einzelne Elemente wie die Werkzeugspannung betrachtet. Doch wer wirklich nachhaltig agieren möchte, sollte auch den Gesamtprozess im Auge behalten.

Nachhaltigkeit ist ein Thema, das uns völlig zurecht mehr und mehr beschäftigt. Die Ressourcen sind begrenzt, und Energie wird immer teurer. Bei der Bewertung von Nachhaltigkeit gilt es den Fokus nicht zu eng auf ein Produkt zu richten, sondern auch das Umfeld zu betrachten – den Produktlebenszyklus und auch den Gesamtprozess, in den das betrachtete Produkt eingebunden ist.

Die Metallzerspanung hat viele Facetten. Abhängig vom Werkstoff, der Bauteilgeometrie und den Stückzahlen kommen unterschiedliche Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel zum Einsatz. Zudem sind äußere Umstände wie der Produktionsstandort, die Qualifikation der Mitarbeiter und auch eine mögliche Automatisierung zu beachten. So gibt es viele verschiedene Fertigungsmöglichkeiten, die je nach Einzelfall die beste, wirtschaftlichste und nachhaltigste Lösung sein können.

Wie bemisst sich Nachhaltigkeit? Wenn man von den eingesetzten Materialien absieht, dürfte die Energieeffizienz der wesentliche Faktor sein, der einen nachhaltigen Prozess bestimmt. Daher ist ein vielversprechender Ansatz, nach den größten Verbrauchern Ausschau zu halten und deren Einsatz zu optimieren.

Die Werkzeugmaschine bietet Einsparpotenzial

In der Zerspanung ist dies zweifellos die Werkzeugmaschine, die mit ihren Spindel- und Achsantrieben, mit Peripherie und Nebenaggregaten wie Kühlung, Schmierung oder Druckluftversorgung einen Löwenanteil der eingesetzten Energie verschlingt. Bei Neuanschaffungen kann der Anwender den Verbrauch erheblich senken, in dem er auf energiesparsame Komponenten achtet. Andreas Haimer, Geschäftsführer und President der Haimer Group, erklärt: „Wir haben in unserer eigenen Fertigung die Erfahrung gemacht, dass durch den Austausch eines alten gegen ein neues Bearbeitungszentrum mit dem gleichen Bearbeitungsprozess rund 30 Prozent weniger Energie benötigt wurde.“ Er ergänzt noch einen grundsätzlichen Faktor: „Als Familienunternehmen achten wir sehr stark auf Nachhaltigkeit. Zum Beispiel beziehen wir unseren Werkzeugstahl aus Deutschland, setzen seit Jahren ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien ein und investieren in PV-Anlagen und grüne Infrastruktur. Insgesamt haben wir dafür im vergangenen Geschäftsjahr über eine Million Euro investiert und über 250 t CO2 pro Jahr eingespart.“

Zurück zum Maschinenpark, wo sich nicht jedes etwas ältere Bearbeitungszentrum durch ein neues ersetzen lässt. Auch im Zerspanungsprozess lassen sich Einsparungen erzielen, zum Beispiel durch CAD/CAM-optimierte Bearbeitungsstrategien wie trochoidales Fräsen. Geschäftsführer Haimer hat ein konkretes Beispiel parat: „Ein Kunde stellte uns Daten zur Verfügung, wie er durch trochoidales Fräsen mit unseren Power-Schrumpffuttern und Haimer-Mill-Fräsern die Bearbeitungszeit im Vergleich zur Bearbeitung mit einem Messerkopf um 75 % von 71 min auf 18 min pro Bauteil senken konnte. Mit der Änderung der Bearbeitungsstrategie ging eine Energieeinsparung durch deutlich weniger Stromverbrauch einher. Während bei der herkömmlichen Bearbeitung mit Messerkopf für zehn Bauteile die Spindellast bei 80 bis 85 % lag und dadurch die Energiekosten bei gesamt etwa 150 Euro, konnten mit der trochoidalen Frässtrategie bei einer Spindellast von 8 bis 10 % und bei deutlich geringerer Maschinenlaufzeit die Energiekosten auf gesamt 5 Euro für zehn Bauteile gedrückt werden. Das bedeutet eine höhere Ausbringung bei geringerem Energieaufwand pro produziertem Teil – das nenne ich nachhaltig und effizient.“

Die Nachhaltigkeit der Werkzeugspannung

Eine Frage, die seit einigen Monaten immer wieder aufgegriffen und diskutiert wird, lautet: Wie nachhaltig ist welche Werkzeugspannmethode? Angesichts eines Bearbeitungsprozesses, bei dem die Fräsmaschine durchschnittlich etwa 30 kW verbraucht, zuzüglich der Leistung von hydraulischen und pneumatischen Vorrichtungen, von Automatisierungseinrichtungen sowie Robotern, spielt die Werkzeugspannung laut Angaben von Haimer nur eine untergeordnete Rolle. Denn die Werkzeugaufnahme ist ein vergleichsweise kleines Detail, selbst wenn der Spannvorgang mit einem Schrumpffutter marginal Energie verbraucht. Der Energieverbrauch beim Schrumpfen ist im operativen Einsatz höher als beim hydraulischen Spannen. Wenn man den gesamten Produktlebenszyklus einer Spannaufnahme betrachtet, zu dem die Herstellung, Wartung und Entsorgung zählen, ergibt sich ein ganz anderes Bild, heißt es weiter.

Die Herstellung eines Hydrodehnspannfutters benötigt aufgrund des komplizierteren Aufbaus deutlich mehr Aufwand und Energie. Denn zur präzisen Zerspanung einzelner Komponenten kommt noch das Einlöten der Dehnhülse, eine zusätzliche Wärmebehandlung, damit die Lötstelle nicht bricht, sowie der Aufwand für Reinigung, Montage und das Befüllen mit Öl. „Aus unserer Erfahrung ist der energetische Aufwand bei der Produktion rund dreifach so hoch wie beim Schrumpffutter“, erklärt Andreas Haimer. „Wir haben in unserem breiten Portfolio neben Schrumpfaufnahmen auch Hydrodehnspannfutter, deren Listenpreise aufgrund der aufwendigen Herstellung allerdings beim zwei- bis dreifachen eines Schrumpffutters liegen. Für bestimmte Anwendungen sind sie die richtige Lösung. Nur nachhaltiger sind sie nicht. Unsere Analysen haben ergeben, dass ein Hydrodehnspannfutter in der Herstellung etwa 25 kWh mehr Energie benötigt als ein Schrumpffutter. Im Umkehrschluss bedeutet das auf den Produktlebenszyklus bezogen, dass man eine Schrumpfaufnahme bei einem Energiebedarf von 0,026 kWh pro Schrumpfung und Kühlung fast 1.000 Mal schrumpfen kann, bevor man mehr Energie benötigt als beim Hydrodehnspannfutter.“

Lebenszyklus und Prozesssicherheit sind entscheidend

Zum erhöhten Herstellungsaufwand kommt noch der Unterschied bezüglich der Wartung. Während Haimer-Schrumpffutter laut Angaben durch die besonders hohe Güte des Warmarbeitsstahls wartungsfrei sind und in Kombination mit der Spulen- und Gerätetechnik unbegrenzt oft ein- und ausgeschrumpft werden können, müssen Hydrodehnspannfutter aufgrund des Verschleißes zur Kontrolle der Spannkraft, der Schmierung der Spannschraube und einer regelmäßigen Wartung spätestens alle zwei bis drei Jahre zurück zum Hersteller. Die enthaltene Hydraulikflüssigkeit macht auch die umweltgerechte Entsorgung schwieriger als bei Schrumpfaufnahmen, die keinerlei zusätzliche Komponenten enthalten.

Neben dem Lebenszyklus weist auch das Thema der Prozesssicherheit signifikante Unterschiede auf. Im Falle der Trockenbearbeitung oder mangelnder Kühlung im Zerspanungsprozess bergen Hydrodehnspannfutter aufgrund der hohen Hitzeentwicklung die Gefahr des Platzens der Spannkammern samt Werkzeugauszug und Ausschussrisiko. Schrumpffutter sind hier robuster und strapazierfähiger, betont das Unternehmen. Will man einen Werkzeugauszug komplett ausschließen, gibt es bei Schrumpffuttern optional das Haimer-Safe-Lock-System für 100-%-Sicherheit.

Der Energieverbrauch relativiert sich

Doch wie berechnet sich der Energieverbrauch beim Schrumpfvorgang wirklich? Das Erwärmen eines Schrumpffutters dauert mit einem aktuellen Haimer-Schrumpfgerät etwa 5 s. Geübte Anwender schrumpfen in einem Arbeitsgang ein verschlissenes Werkzeug aus und ein neues Werkzeug ein. Es wird also nur einmal erwärmt und gekühlt. Die Leistung eines Haimer-Power-Clamp-Geräts mit NG-Spule liegt bei maximal 13 kW, im Durchschnitt jedoch bei 8 kW. Damit verbraucht man bei einem einzelnen, kompletten Schrumpfvorgang etwa 0,011 kWh. Hinzu kommt das Kühlen mit etwa 0,015 kWh – obwohl bei Haimer-Geräten bis zu fünf Aufnahmen parallel und in der gleichen Zeit mit dem nahezu gleichen Energieverbrauch gekühlt werden können. Im worst case ergibt sich also 0,026 kWh für den gesamten Prozess. Wenn eine Kilowattstunde 20 Cent kostet, fallen für das Schrumpfen und Kühlen eines Werkzeugs nur 0,5 Cent an.

Und wie ist der Energieaufwand einzuordnen, wenn man den Bearbeitungsprozess betrachtet, bei dem die Leistungsaufnahme einer Fräsmaschine mit allen Hilfsantrieben rund 30 kW beträgt? Gesetzt den Fall, dass ein Werkzeug etwa eine Stunde im Einsatz ist und dass durch die hohe Rundlaufgenauigkeit und Steifigkeit oder durch die aufgrund der schlanken Kontur verbesserten Frässtrategien sich auch nur 1 % der Bearbeitungszeit einsparen lässt, wären das 0,3 kWh an eingesparter Energie. Das ist ungefähr der 11-fache Wert des Energieeinsatzes fürs Schrumpfen.

Andreas Haimer fasst zusammen: „Der Energieverbrauch pro Spannvorgang spielt eine vernachlässigbare Rolle im Vergleich zu den Themen Lebenszyklus, Prozesssicherheit und Bearbeitungsstrategie. Durch CAD/CAM-optimierte Frässtrategien können 75 % Bearbeitungszeit eingespart werden. Auf derart verbesserte Prozesse müssen sich Zerspaner konzentrieren, wenn sie nachhaltig und produktiv sein wollen. Und im zweiten Schritt sollten sie für diese Strategien die am besten geeignete und prozesssicherste Werkzeugaufnahme auswählen. Gegenüber den dadurch realisierbaren Einsparungen ist ein Nachhaltigkeitsvergleich von Schrumpf- und Hydrodehnspannfutter eine Erbsenzählerei.“

rk

Haimer weiter auf Wachstumskurs

Haimer hat ein erfolgreiches Jahr 2023 hinter sich und will seinen Wachstumskurs weiter fortsetzen. „Wir sind für 2024 positiv gestimmt“, sagte Geschäftsführerin Claudia Haimer im Rahmen einer Pressekonferenz am Hauptsitz in Igenhausen. Sie betonte zudem, dass es für das Unternehmen wichtig sei, weiterhin ausschließlich in Deutschland zu produzieren. Bereits in den vergangenen sechs Jahren hatte der Marktführer im Bereich der Werkzeugspanntechnik mit rund 100 neuen Werkzeugmaschinen seine Produktion erweitert. „Und in den nächsten fünf Jahren werden wir wieder in 100 neue Werkzeugmaschinen investieren“, informierte Andreas Haimer, Geschäftsführer und President der Haimer Group.

Zu den aktuellen Trends und Entwicklungen meinte Haimer: „In vielen Firmen geht es aktuell darum, den Drei-Schicht-Betrieb aufrecht zu erhalten, um die Maschinen wirtschaftlich betreiben zu können. Daher wollen und müssen die Hersteller massiv automatisieren und digitalisieren, weil sie die Mitarbeiter nicht mehr haben. Wir wollen diese Unternehmen dabei mit entsprechenden Lösungen unterstützen. Und bevor wir nicht die digitale, vernetzte Maschine in der Produktion erreicht haben, brauchen wir nicht über Künstliche Intelligenz zu reden.“