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Steuerungen + Software

Siemens visiert additive Fertigung an

Siemens stellt erstmals richtig groß auf der Leitmesse Formnext aus. Dr. Karsten Heuser erklärt, was der Technologie noch zum Durchbruch fehlt - und was Siemens dafür bereits im Programm hat.

Herr Dr. Heuser, Sie als VP of Additive Manufacturing im Competence Center Digital Factory sagen, dass Additive Manufacturing eines der 14 wichtigsten Innovationsfelder im Konzern ist. Wie tief steckt der Drive-and-Control-Spezialist Siemens schon in der additiven Fertigung?

Sehr tief. Siemens marschiert in zwei Richtungen: als Lösungsanbieter für Maschinenhersteller und Produkthersteller; und als Dienstleister von verschiedenen Value-Add-Services.

Für die Dienstleistung brauchen Sie aber Maschinen, als Berater Kompetenz. Wie passt das zusammen?

Das ist einfach. Mittlerweile haben wir konzernweit rund 50 industrielle additive Maschinen laufen und vernetzt. Allein meine Kollegen aus der Kraftwerksbranche, Power and Gas, planen, mehr als 200 verschiedene, additiv gefertigte Komponenten in den kommenden Jahren herzustellen und in eigenen Produkten einzusetzen. Die Fertigung liefert das Know-how. Die Maschinen die Kapazitäten. Mit Materials Solutions bieten wir Engineering und Fertigungsservice auch für andere Branchen an.

Präsentiert Siemens auf der Fachmesse formnext dann viele additive Teile?

Im Vordergrund wird tatsächlich der Aspekt des Lösungsanbieters stehen. Wir können den additiv interessierten Firmen schon heute eine durchgehendes Lösungsportfolio anbieten, um ihre Prozesskette zu schließen. Diese Volldurchgängigkeit von der Konstruktion über die Automatisierung bis zum fertigen Bauteil, inklusive der nötigen Nachbearbeitungsschritte, ist absolut einmalig. Wichtig ist zu betonen: Wir sind kein Maschinenhersteller, sondern wir helfen den Maschinenherstellern bei der weiteren Industrialisierung ihrer Maschinen.

Diese Prozesskette lässt sich auf der formnext auf 150 m² darstellen?

Der additive Produktionsprozess lässt dich durch unser Lösungsangebot, der Digital Enterprise Suite entlang von 5 Schritten entlang des Wertstroms, industrialisieren. Wir haben dafür die nötigen Softwaretools, um Produkte zu designen sowie deren Fertigungsprozesse digital abzubilden. Zum Betrieb der Maschinen bieten wir die passende Hardware für die Automatisierung und dann auch die Vernetzung der Maschinen mit unserem cloudbasierten IoT-Betriebssystem MindSphere, mit dem wir auf der EMO über 240 Werkzeugmaschinen vernetzt haben. Jetzt folgen die ersten AM Maschinen. Interessierte Kunden beraten wir dazu natürlich gerne.

Von der Serienproduktion ist AM ja noch ein ganzes Stück entfernt. Was muss passieren, damit die additive Technologie den endgültigen Durchbruch schafft?

Das sind zwei, drei Aspekte. Vor allem müssen die Ingenieure umdenken. Denn Additiv haben die Konstrukteure und Designer fast unbeschränkte Möglichkeiten. Mit diesen Freiheitsgraden muss man lernen, zielgerichtet umzugehen. Unsere Softwaretools helfen, diese Freiheitsgrade optimal ausnutzen zu können.

Was fehlt noch zum additiven Durchbruch?

Zweiter Aspekt sind die geschlossenen Datenketten. Prinzipiell ist die Technik dafür verfügbar. Um damit aber effiziente Prozesse global nutzen zu können, muss die IT Architektur passen, um die durchgängig verfügbar zu machen und letztlich die Firmen natürlich vernetzt sein. Die Cloud ist der Schlüssel, das nötige Bindeglied.

Es wurde schon viel probiert: Aber keine Fertigung halbwegs komplexer Zerspanungsteile lässt sich so einfach bis dato auf andere Maschinen, Länder oder Kontinente duplizieren?

Bis dato, ja. Aber die Art zu fertigen wird sich definitiv ändern. Automobilkonzerne können sich aufwändige Lager sparen und halten nur die Daten der Bauteile vor, um dann am Ort des Bedarfs zielgerichtet produzieren zu können. Für diese delokalisierten Fabriknetze ist die additive Technologie ideal.

Wie weit weg sind diese delokalisierten Fabriknetze?

Die kollaborativen Plattformen müssen natürlich eng mit den Unternehmen gemeinsam entwickelt werden. Wir arbeiten gerade an einem cloud-basierten Ecosystem. In Frankfurt auf der Formnext zeigen wir den aktuellen Stand.

Wichtig ist dabei auch die Simulation?

Die Simulation ist natürlich ganz entscheidend, um letztlich die Maschinen in der delokalisierten Fabriknetzen möglichst effizient, also mit hoher Dynamik ohne Ausschuss und gar Kollisionen, produzieren zu lassen.

kb

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