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Einige Neuheiten, starke Themen und ein klares Resümee der Veranstalter und Schleiftechnikexperten: Diese hochkarätige Schleiftagung muss fortgeführt werden; sie ist eine Win-Win-Veranstaltung, betonten die Moderatoren vom WZL (v.li.) Dr.-Ing. Sebastian Barth und Jannik Röttger (v.r.) sowie Dr.-Ing. Dirk Hessel (Dr. Kaiser), Dr.-Ing. Tobias Röthlingshöfer (Emag) und Dipl.-Wirt.-Ing. Georg Güntert.
Foto: WZL-Forum
Einige Neuheiten, starke Themen und ein klares Resümee der Veranstalter und Schleiftechnikexperten: Diese hochkarätige Schleiftagung muss fortgeführt werden; sie ist eine Win-Win-Veranstaltung, betonten die Moderatoren vom WZL (v.li.) Dr.-Ing. Sebastian Barth und Jannik Röttger (v.r.) sowie Dr.-Ing. Dirk Hessel (Dr. Kaiser), Dr.-Ing. Tobias Röthlingshöfer (Emag) und Dipl.-Wirt.-Ing. Georg Güntert.

Werkzeugmaschinen

So digital ist die Schleiftechnik

Die Digitalisierung ist auch in der Schleiftechnik der Innovationstreiber: Ausrüster, Forscher und Anwender erklärten während der 20. Schleiftagung des WZL die neuesten Projekte und Vorteile.

Die Referenten und Veranstalter der 20. Schleiftagung waren sich am Ende während der Abschlussdiskussion einig: Diese hochkarätige Schleiftagung muss fortgeführt werden; sie ist eine Win-Win-Veranstaltung für alle Beteiligten, die vor allem die Schleiftechnik in Deutschland weiterentwickelt und neue Impulse liefert. Hochkarätige Beiträge mit technischem Tiefgang und sogar einige technische Neuheiten, die teilweise erst zur EMO öffentlich vorgestellt werden, waren zu sehen.

Simulation von Bearbeitungsprozessen

Spannende Einblicke in die digitale Entwicklungsarbeit der Schaeffler AG lieferte Johannes Weninger mit seinem Vortrag über die ‚Entwicklung von Bearbeitungssimulationsmethoden als Basis für eine robuste Prozessgestaltung‘. Demnach fokussiert Schaeffler sehr stark auf Produkte für Mobilitätslösungen und setzt für die Planung und Entwicklung stark auf Simulation. Neun Mitarbeiter sind bereits mit der Simulation von Bearbeitungsprozessen und mit dem Standard-Simulationsprogramm Simufact beschäftigt. Thematisch stehen im Fokus die virtuelle Prozessanalyse, Hartdrehen, Honen, Schleifen, Wälzschälen und Oberflächenfinishing.

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Foto: NCFertigung
Schaeffler setzt für die Planung und Entwicklung stark auf Simulation. Johannes Weninger erklärte, wie die Simulation der Bearbeitungsprozesse abläuft und welche Ergebnisse schon erzielt wurden bei der virtuelle Prozessanalyse von Hartdrehen bis Wälzschälen.

Schleifhübe mit Zustellungen bis zu 3 mm

Was digital heute bereits schleiftechnisch simuliert werden kann, erklärte Prof. Dr.-Ing. Petra Wiederkehr vom Lehrstuhl für Software Engineering der TU Dortmund anhand der Modellierung und Simulation von kraft- und weggeregelter Schleifprozesse. Theorie und Praxis, also Experiment und Simulation würden dabei schon sehr gut zusammenpassen. Die Vorhersagen seien okay. Highlight war neben der erstmals durchgeführten Modellierung einer Kraftregelung und der Betrachtung des Einzelkorns die Anwendung der makroskopischen Simulation thermo-mechanischer Belastungen anhand dem Profilschleifen von Turbinenschaufeln. Dabei sei es erstmals möglich gewesen, so Petra Wiederkehr, die Endkonturen durch Profilschleifen mit mehreren Schleifhüben und teils hohen Zustellungen von bis zu 3 mm darzustellen.

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Schleiftechnisch kann heute bereits vieles simuliert werden. Prof. Petra Wiederkehr erklärte das Potenzial auch anhand der Modellierung und Simulation von kraft- und weggeregelter Schleifprozesse.
Foto: NCFertigung
Schleiftechnisch kann heute bereits vieles simuliert werden. Prof. Petra Wiederkehr erklärte das Potenzial auch anhand der Modellierung und Simulation von kraft- und weggeregelter Schleifprozesse.

Extruderschnecken in einer Aufspannung produzieren

Maximal praktischen Nutzen offerierte Heiko Zimmermann, der Vertriebsleiter des seit 1.1. umfirmierten Maschinenherstellers Adelbert Haas GmbH, mit der effizienten Komplettbearbeitung durch innovative Softwarelösungen und Digitalisierung im Workflow am Beispiel einer Extruderschnecke. Digitalisierung sei momentan ein echtes Unterscheidungsmerkmal, so Heiko Zimmermann. Haas bietet mittlerweile drei verschiedene Steuerungstypen an und liefert seine Multigrind-Schleifmaschinen standardmäßig mit einem Magazin für bis zu 70 unterschiedliche Schleifscheiben und bis zu 3,2 m Länge aus, bei Bedarf auch bis 4 m. Die Maschinen könnten durch dann Extruderschnecken von 20 bis 120 mm Durchmesser komplett in einer Aufspannung produzieren, also aus dem Vollen schleifen. Der Kunde, so Heiko Zimmermann, bekommt dann die fertige Schnecke direkt von der Maschine runter – was die Durchlaufzeit vom Aufspannen bis zur Fertigstellung auf einen Tag reduziert. Das wurde anhand eines Kundenprojektes während der Messe K auch schon realisiert, berichtet Heiko Zimmermann.

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Digitalisierung ist derzeit ein echtes Unterscheidungsmerkmal, betonte Heiko Zimmermann. Demnach bietet Haas mittlerweile drei verschiedene Steuerungstypen an und liefert seine Multigrind-Schleifmaschinen mit großem Magazin und bei Bedarf bis 4 m Länge an.
Foto: NCFertigung
Digitalisierung ist derzeit ein echtes Unterscheidungsmerkmal, betonte Heiko Zimmermann. Demnach bietet Haas mittlerweile drei verschiedene Steuerungstypen an und liefert seine Multigrind-Schleifmaschinen mit großem Magazin und bei Bedarf bis 4 m Länge an.

Koordinatenschleifen mit neuem Mediumverteiler

Was nötig ist, um das Koordinatenschleifen auf Fräsmaschinen zu realisieren, erklärte unterdessen Röders-Vertriebsleiter Dr.-Ing. Oliver Gossel anhand der Voraussetzungen für die Kombination von Fräsen und Schleifen auf einer Maschine. „Koordinatenschleifen läuft auf unseren Fräsmaschinen schon seit ziemlich genau 20 Jahren. Spannend ist vor allem die Kombination in einer Aufspannung: also erst große Kavitäten und Materialabtragungen fräsen und dann je nach Bauteil die letzten Hundertstel und µm mit Schleifstiften koordinatenschleifen. Im Fokus stand dabei schon immer neben einer bestmöglichen Genauigkeit eine hohe Wirtschaftlichkeit, so konnten schon mehre Anlagen zum automatisierten Schleifen ausgeliefert werden, bei denen nicht nur Schleifwerkzeuge sondern auch Werkstücke automatisiert gewechselt werden.“ Sehr hilfreich dabei seien nach Erfahrung von Oliver Gossel der neu entwickelte Mediumverteiler der Firma Merz für die Schleifbearbeitung (MV-GS), mit dem die Prozesssicherheit weiter gesteigert werden kann, sowie auch das fünfachsige Koordinatenschleifen.

XXL-Fräs- und Schleifzentren mit 2 m X-Weg

Ergänzt werden die Möglichkeiten durch die neuen XXL-Fräs- und Schleifzentren RXU 2000, die mit 2 m X-Weg auch Teile mit bis zu 5 t bearbeiten können. „Wesentlicher Knackpunkt bei der Maschinenauswahl sind die Spindeln. Wir setzen auch zum Koordinatenschleifen die Frässpindeln von Fischer ein, die deutlich stabiler, steifer und damit präziser sind als typischerweise zum Koordinatenschleifen eingesetzten Spindeln. Sehr gute Resultate haben wir in unserem Technikum in Soltau mit den nicht mitdrehenden Mediumverteilern beim HSC- und insbesondere Hartfräsen gemacht”, berichtet Oliver Gossel, da die Mediumverteiler bereits vielfach bei Kunden mit großem Erfolg eingesetzt werden und deutlich die Standzeit der Werkzeuge, Sauberkeit und die Zustellung erhöhen.  Die Mediumverteiler sorgen für maximale Prozessstabilität – sind damit ideal auch zum Koordinatenschleifen, da das Schleiföl exakt dort zur Wirkung kommt, wo es benötigt wird. Eine Störung der Zufuhr durch das Werkstück (Abschattung) selbst kann so auf ein Minimum reduziert werden, da das Öl nahezu parallel am Werkzeugschaft zur Kontaktstelle geführt wird“, erklärt Oliver Gossel.

Mit ein Drittel weniger installierter Leistung besser schleifen

Wie lassen sich aber Effizienz und Nachhaltigkeit beim Schleifen noch steigern? Dr.-Ing. Jens Falker, Prokurist und Engineering-Leiter bei dem Spindelhersteller GMN, erklärte in seinem Vortrag, warum Spindeltechnik und Digitalisierung diesbezüglich als echte Wegbereiter zu sehen sind. „Die Motortechnik und Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, Werkzeugmaschinenspindeln noch effizienter zu machen. Zur EMO werden wir eine neue Generation von Spindeln vorstellen, die mit zwei Drittel der jetzigen installierten Leistung auskommt und trotzdem besser schleifen, weil die Synchronmotoren mit innenliegenden Magneten im Grunddrehzahlbereich ein höheres Drehmoment aufweisen und auch ohne Drossel geringere Wärmeverluste im Rotor erzeugen.“ Statt wie sonst den Rotor auf rund 200°C zu erwärmen, wird die neue GMN-Generation entspannt bei unter 100°C laufen. „Das hat viele Vorteile – auch für die Mechanik.“

Abstimmung ohne marktübliche Iterationsschleifen

Letztlich, so Jens Falker, können größere Wellendurchmesser und Lager verwendet werden. Die Spindel wird kompakter und deutlich stabiler und noch laufruhiger. Und zusätzlich würden die Spindeln digitalisiert, die A/D-Wandlung und die Sensorauswertung werden komplett integriert in das Spindelgehäuse, womit sich dann natürlich auch sämtliche Bewegungs- und Instandhaltungsprofile aus Histogrammen erstellen lassen. „Mit diesen Daten können Zerspaner natürlich auch ihre Schleifprozesse optimieren. Wichtig dabei ist nur, dass die entscheidenden Daten für Drehzahl Schwingungen, Wellendehnung und Temperatur auch tatsächlich erfasst werden – und daraus kombiniert die richtigen Schlüsse gezogen werden.“ GMN bietet seinen Kunden deshalb künftig auch viele Erfahrungswerte an, auf deren Basis neue Spindeln viel schneller simuliert werden können, versichert Jens Falker. Die sonst marktüblichen Iterationsschleifen bei der Abstimmung von Werkzeug zu Spindel beispielsweise hinsichtlich der kritischen Drehzahl seien so passé.

Smart Factory in Graz – fünf laufende Forschungsprojekte

Wie unterdessen die Digitalisierung des Schleifprozesses in der Smart Factory 2030 an der Technischen Universität Graz funktioniert, skizzierte indes Prof. Dr. Franz Haas vom Institut für Fertigungstechnik. Aktuell noch laufende Forschungsprojekte von Nachwuchswissenschaftlern am WZL, IWT, ISF und IWF fassten die Veranstalter in der ‚Postersession‘ zusammen, sowohl fest installiert in der Industrieausstellung vor dem Vortragssaal, als auch in einer gleichnamigen Vortragsreihe mit jeweils 5-Minuten-Pitches. Im ersten von fünf Vorträgen erklärte M. Sc. Nikolai Guba vom IWT Bremen ‚den Einfluss der Kühl- und Schmierwirkung auf thermische Prozessgrenzen‘. Vortrag 2 kam ebenfalls vom IWT: M. Sc. Lukas Schumski skizzierte die ‚Prozessnahe Messung der KSS-Strömung beim Schleifen‘. Den Status Quo von diamantbelegten Schaumstoffen berichtete indes M. Sc. Jan Peters im Vortrag 3, der am ISF der TU Dortmund Grundlagenuntersuchungen zum Einsatz- und Verformungsverhalten gemacht hat. Was dagegen der Zuschlag von Chrom als Karbidbildner mit dem Einsatzverhalten metallgebundener Diamantschleifscheiben bewirkt, erklärte M. Sc. Roman Lang vom IFW Hannover im Vortrag 4. Im finalen Vortrag der Postersession erklärte M. Sc. Marc Bredthauer vom WZL die ‚Verschleißbedingte Topographieänderung von galvanisch gebundenen CBN-Schleifscheiben und deren Auswirkung auf die thermo-mechanische Belastung‘.

https://schleiftagung.de/wp-content/uploads/2023/01/Tagungsguide_Schleiftagung_Onlineversion.pdf