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1,5 Mio. Testbohrungen: Den neuen Universalbohrer hat Emuge in vielen Materialien getestet und entwickelt: Hier den 9,35-mm-Basic-Drill mit Vorschüben von 0,11 bis 0,35 mm/U sowie 60 bis 180 m/min gefahren in MS58, Ck75, 1.4301, GGG40, Reinkupfer und einer Aluminium-Knetlegierung.
Foto: NCFertigung
Kein vorbohren, langsam anfahren oder vorsichtig ausfahren: Der Werkzeughersteller Emuge-Franken empfiehlt für seinen neuen Universalbohrer Basic-Drill vollen Vorschub vom Eintritt bis zum Austritt in sechs ganz verschiedenen Materialien.

Welt der Späne

Der Vorschubmaximierer

Ein Bohrer für Kupfer bis Titan. Das schafft der neue Basic-Universalbohrer mit bis zu 180 m/min. Das beweist Emuge-Franken mit 1,5 Mio. Testbohrungen. 

Gut zwei Jahre hatte die Entwicklung der neuen Universalbohrer beim Werkzeughersteller Emuge-Franken in Lauf an der Pegnitz gedauert. 10 t Versuchsmaterial wurden verbohrt und rund 1,5 Mio. Testbohrungen in mehr als sechs verschiedenen Materialien gemacht. Anfang 2022 kam der Basic-Drill auf den Markt. „Das klingt relativ trivial. War es aber nicht. Schon das Versuchsmaterial musste von absolut gleichmäßiger Qualität sein – und jede Testbohrung wurde mit Axial- und Radialkraftmessungen analysiert und dokumentiert. Da kommt einiges zusammen“, deutet Entwicklungs- und Anwendungstechnikleiter Thomas Berschneider das aufwändige Prozedere an.

Beschichtung bestimmt Standweg

Aber wie entwickelt man einen guten Universalbohrer? „Es ist ein Wechselspiel zwischen Geometrie und Beschichtung. Erst wählen Sie das passende Grundsubstrat aus – die Balance zwischen nicht zu wenig Verschleißfestigkeit und ausreichender Zähigkeit – und dann beginnen die Iterationsschleifen zwischen Geometrie, Beschichtung und Datenauswertung.“ Denn entscheidenden Einfluss auf den Standweg eines Bohrers hat nach Erfahrung von Thomas Berschneider neben der Geometrie vor allem die Beschichtung.

Nur noch schöne, runde Bohrungen

Rein geometrisch orientiert sich Emuge mit den Universalbohrern an der Stahlbohrer-Geometrie, da die Bohrer vor allem in Stahl und Edelstahl eingesetzt werden und dabei die höchsten Belastungen auftreten. „Die Maximalbelastungen mussten wir natürlich berücksichtigen. Gerade in rostfreiem Stahl (1.4301) erzielt der Basic-Drill jetzt aber vergleichbar hohe Standwege bis 70 m. Das funktioniert auch in Hardox 600 und auch in TiAl6V4.“ Gerade im Titan, so Helmut Strobel, erzeugt der Basic-Drill zudem sehr saubere Bohrungswandungen, was ein deutliches Indiz für die Leistungsfähigkeit der Beschichtung und vor allem für die Wirksamkeit der vier Führungsfasen ist. „Und dreieckige Löcher, wie sie viele Standardbohrer gerade in dünneren Bauteilen produzieren, sind mit den vier Führungsfasen des Basic-Drill absolut ausgeschlossen. Es gibt nur noch schöne, runde Bohrungen“,  betont Helmut Strobel.

Aufhärtung der Bohrungswandung ausschließen

Derzeit produziert Emuge den Basic-Drill mit Durchmessern ab 3 bis 16 mm und 5xD. Größere Durchmesser sind geplant und prinzipiell schon bis 18 und 20 mm verfügbar. Weitere Längen befinden sich in der Entwicklung. „Die Spiralbohrerfertigung ist bei uns in Lauf elementar, echte Kernkompetenz, weil die Präzision der Bohrungswandung die Basis ist für exzellente Gewinde“, erklärt Thomas Berschneider. Emuge produziert in Lauf Spiralbohrer ab 0,75 bis 32 mm mit sehr präzisen Durchmessern. „Neben dem Vorschub sind die sehr präzisen Durchmesser beim Bohren entscheidend, um die Aufhärtung der Bohrungswandung 100% ausschließen zu können.“ Nur mit der perfekten Kombination aus idealem Vorschub und exakten Durchmessern lassen sich nach Erfahrung von Thomas Berschneider erstklassige Bohrungsqualität und damit die exzellenten Gewinde erzielen.  

Basic-Drill statt unendlich vieler Bohrer

„Dass der Basic-Drill ein echter Universalbohrer ist, erkennen Sie sofort an seiner Geometrie, den vier Führungsfasen, der Hightech-PVD-Beschichtung und den Kühlkanälen.“ Nach Einschätzung von Helmut Strobel sei der Basic-Drill sehr gut vorbereitet für den Einsatz in vielen Materialien sowohl trocken, unter Emulsion und auch mit Minimalmengenschmierung. „Das Schöne ist: Der Zerspaner braucht nicht unendlich viele Bohrer weder im Werkzeugschrank noch im Magazin der Werkzeugmaschine vorhalten, und auch nicht immer wieder neu bestücken und auswechseln, weil der Basic-Drill tatsächlich eine riesigen Einsatzbereich sehr effizient abdeckt. Deshalb und mit unseren Einsatzempfehlungen und Schnittdaten kann der Zerspaner mit dem Basic-Drill eigentlich gar nichts falsch machen“, versichert Helmut Strobel. Man muss nur das Material in der Tabelle auswählen, am besten den mittleren, empfohlenen Vorschub ablesen und ins Programm übertragen.

Eher maximalen statt minimalen Vorschub wählen

„Mit dem mittleren Vorschub sind Zerspaner aber tatsächlich immer auf der sicheren Seite, weil die Bohrer zwar auch mit dem minimalen und vor allem maximalen Wert gut funktionieren. Wir empfehlen aber grundsätzlich eher den höheren Vorschubwert. Nicht nur wegen der geringeren Eingriffszeit, sondern weil die Spandicke nach wie vor sehr entscheidend ist für den Verschleiß des Bohrers“, erklärt Thomas Berschneider. Demnach würden Anwender vielfach eher zu konservativ mit dem Vorschub umgehen, was keinen normalen Verschleiß erzeugt. Denn langsame Vorschübe würden vor allem höheren Freiflächenverschleiß erzeugen. „Deshalb und wegen der hohen Leistungsfähigkeit unserer Werkzeuge geben wir vergleichsweise hohe Vorschubwerte an.“

Mehr Vorschub in Stahl erhöht Prozesssicherheit

Pauschalaussagen zu Schnittwerten lassen sich nach Erfahrung von Thomas Berschneider aber nicht treffen. Dafür seien die Werkstoffe zu unterschiedlich. Beispielsweise bringt bei einem Stahlwerkstoff die Erhöhung des Vorschubs sehr häufig eine Steigerung der Prozesssicherheit; bei Reinkupfer wiederum erzeugt man bei einer Erhöhung des Vorschubs oftmals ungewolltes Spanmaterial und reduziert somit die Prozesssicherheit. „Auch zu Standwegen ist eine pauschale Aussage nicht machbar: Betrachtet man 42CrMo4V oder den V2A 1.4301 sind Standwege größer 50 m auch für ein Universalwerkzeug Stand der Technik. Bei dem Hardox 600 liegen die Standwege sicher darunter.“

Prozessanpassung vor allem mit Vc

Als Einsatztipp zur Prozessoptimierung verweist Thomas Berschneider weniger auf den meist vorgegebenen Kühlschmierstoff, der den Basic-Drill sowohl als MMS, als Emulsion von außen oder durch IKZ erreichen kann. „Besser und vor allem einfacher lässt sich unser Universalbohrer über die Drehzahl, also über das Vc prozessoptimieren. Damit kann das Verschleißverhalten sicher beeinflusst werden. Dagegen wird Prozesszeit eher über den Vorschub f verkürzt.“ Demnach sind die richtige Drehzahl und der passende Vorschub nach Angaben von Thomas Berschneider Voraussetzung für die Funktion und Prozesssicherheit. Gute Richtwerte sind für die beiden oben genannten Werkstoffe bei 5 mm Bohrungsdurchmesser in 42CrMo4V ein Vc von 120 m/min und ein Vorschub von 0,18 mm/U; bei Edelstahl-Anwendung in 1.4301 ein Vc von 60 m/min und ein Vorschub von 0,10 mm/U.

Bruchgrenze wird erst ab 0,8 mm/U erreicht

Die größten Vorschübe können mit dem Basic-Drill in Aluminium-Knetlegierungen gefahren werden: laut Datenblatt maximal bei 16 mm Durchmesser mit bis zu  0,57 mm/U; in Guss und Stahl mit 0,47 mm/U. „Die Bruchgrenzen erreicht der Basic-Drill übrigens erst bei getesteten 0,8 bis 0,9 mm/U.“ Aber schon bei Vorschüben unter 0,8 mm/U werden nach Angaben von Thomas Berschneider Riefen und Oberflächen-Aufhärtungen sichtbar und somit die Bohrungsqualität negativ beeinflusst. Die kleinsten Vorschübe für den Basic-Drill empfiehlt Emuge natürlich beim kleinsten Bohrerdurchmesser von 3 mm in Reinkupfer mit 0,03 mm/U, gefolgt von Nickelbasislegierungen, nichtrostendem Stahl und Titan mit 0,04 mm/U.

Voraussetzung: passende Werkzeugspannung

Maßgeblich entscheidend für gute Bohrungsqualitäten ist nach Erfahrung von Helmut Strobel auch der Einsatz des richtigen Spannwerkzeugs. „Die Bohrungsqualität bei einer nicht optimalen Spannung wird negativ beeinflusst, die Standzeit wird verringert, der Verschleiß deutlich erhöht. Insgesamt wird die Prozesssicherheit beeinträchtigt.“ Deshalb, so Helmut Strobel, ist das Thema Prozesssicherheit ein großer und wichtiger Punkt in der Entwicklung neuer Werkzeuge und Voraussetzung für einen prozesssicheren Einsatz ist die passende Werkzeugspannung, weshalb die Experten von Weldon und ER abraten, sondern Hydrodehnspannfutter und präzise Spannhülsenaufnahmen mit realistisch erreichbaren Rundlaufgenauigkeiten unter 10 µm favorisieren, die Emuge und Franken in großer Auswahl im Produktprogramm führen.

Weder Anbohren, Pilotieren noch Steppen nötig

Prozesstechnisch kaum einen Unterschied sieht Thomas Berschneider unterdessen zwischen einem Universalbohrer und einem Spezialbohrer. „Ausgenommen sind bei dieser Betrachtung natürlich Hochvorschubbohrer, wie unser Punch-Drill. Diese auf einen speziell zugeschnittenen und eingefahrenen Spezialbohrer sind natürlich unschlagbar in der Takt- und Standzeit.“ Ein weiterer großer Vorteil des Basic-Drill-Spiralbohrers steckt nach Angaben von Thomas Berschneider aber in seiner universell-geometrischen Auslegung, die weder Anbohren noch Pilotieren sowie Steppen beim Bohren in den allermeisten Anwendungen überflüssig macht. „Auch schräge Austritte bis 45° sind ohne Reduzierung der Schnittdaten erprobt und problemlos vor allem wegen der vier Führungsfasen möglich.

MMS mit großem Zukunftspotenzial

Wegen dem universellen Einsatz der Werkzeuge wurde sowohl mit innerer KSS-Zufuhr als auch mit Emulsion von außen getestet. „Ein Leistungsabfall oder gar Versagen durch die Außenkühlung konnte im getesteten Durchmesserbereich größer 3 mm nicht festgestellt werden. Im Gegenteil. Das Spanmaterial wurde auch in der Anwendung mit KSS von außen – also ohne IK – prozesssicher evakuiert und die Standzeit dadurch nicht verringert.“ Beste Standwege erzielten Thomas Berschneider und Helmut Strobel übrigens mit dem Einsatz von MMS: „Wir sprechen dabei aber von echter Minimalmengenschmierung, also 10 ml pro Stunde. Damit haben wir tatsächlich doppelte Standwege erreicht. Wir sehen deshalb gerade für MMS großes Zukunftspotenzial. Aber MMS ist eine Wissenschaft für sich: im Testcenter gut reproduzierbar, weil der Prozess gut eingestellt und optimiert werden kann. Aber im Zusammenhang mit einem echten Universalbohrer im täglichen Einsatz für wechselnde Materialien und Geometrien – ohne zeitraubende Prozessoptimierung – nur schwer reproduzierbar.“