Image
iscar_drehen_sumocham.jpeg
Foto: Iscar
Die Lösung für die Aufgabe war zweiteilig. Erst wurde die Bohrung mit dem Sumocham 12xD in die Aluminiumhülse eingebracht.

Präzisionswerkzeuge

Vibrationsarm: Bohrstange mit Dämpfungsmechanismus

So realisiert Medifa mit der vibrationsarmen Whisperline-Bohrstange mit Dämpfungsmechanismus von Iscar einen Ra-Wert von 0,8 µm prozesssicher. 

Welche Rolle bei Europas größtem Hersteller für OP-Tisch-Komponenten und Lohnfertiger Medifa die Whisperline-Bohrstange mit Dämpfungsmechanismus spielt, erklärt der Werkzeughersteller Iscar. Vor drei Jahren als Sanierungsfall vom früheren Eigentümer gekauft und saniert, ist Medifa in Rastatt inzwischen zum größten Hersteller von Komponenten für OP-Tische in Europa gereift. Das Unternehmen setzt mit drei Werken in Deutschland, 45.000 m2 Produktion und 350 Mitarbeitern jährlich 50 Mio. EUR um – Tendenz steigend. Um den steigenden Anforderungen effizient gerecht zu werden, investierte Medifa auch kräftig in die Dreh- und Frästechnik – was auch dem zweiten Standbein Lohnfertigung zu gute kommt: knifflige Komponenten aus Edelstahl und Aluminium in Kleinserie. Medifa fertigt pro Jahr 30.000 unterschiedliche Bauteile in einer durchschnittlichen Losgröße von 25.

Knackpunkt Oberflächengüte

Um diese Projekte immer prozesssicher, nachhaltig und mit der notwendigen Qualität bearbeiten zu können, haben sich die Rastatter mit Iscar einen kompetenten Technologiepartner ins Boot geholt. Das zahlte sich einmal mehr bei einer großen Herausforderung aus: Ein Kunde kam mit der Anfrage für eine Nullserie, Losgröße 5, zu Medifa. In einen Alu-Zylinder sollte eine Bohrung mit einer Länge von 320 mm und 40 mm Durchmesser eingebracht werden. Knackpunkt war die Oberflächengüte: Der Kunde forderte einen Ra-Wert von 0,8 µm auf die komplette Tiefe der Bohrung. „Das Ausdrehen war kein Thema, aber der Ra von 0,8 war eine echte Herausforderung“, erzählt Alexander Schäfer, Fertigungsleiter Drehtechnik und Betriebsmittelbau bei Medifa. Als erste Versuche mit vorhandenen schwingungsdämpfenden Werkzeugen eines Mitbewerbers scheiterten, wurde schnell klar, dass Unterstützung gefragt war. „Wir haben mit Aufmaß gebohrt, anschließend vorgedreht und in einem dritten Schritt schließlich fertig ausgedreht“, erklärt Alexander Schäfer. „Das war zeitintensiv, umständlich und brachte kein zufriedenstellendes Ergebnis.“ Deshalb wandte sich Alexander Schäfer an die Werkzeugspezialisten aus dem nahen Ettlingen. Das zuständige Vertriebs- und Anwendungsteam Sascha Braun und Torsten Schweigert sowie Jonas von Kahlden, Produktspezialist Drehen bei Iscar, setzten sich mit Alexander Schäfer und seinen Kollegen Alexander Hörig, Leiter der Gesamtzerspanung, sowie NC-Programmierer Reinhard Knorr zusammen und entwickelten gemeinsam eine Lösung: Zuerst wurde die Bohrung mit einem Sumocham 12xD eingebracht. Mit der schwingungsgedämpften Bohrstange aus der Whisperline-Serie mit einer Auskraglänge von 10xD und einer ISO-Wendeschneidplatte wurde diese Bohrung anschließend bis auf die benötigte Oberflächengüte feingedreht.

Image
iscar_drehen_whisperline.jpeg
Foto: Iscar
Im zweiten Schritt folgt das Feindrehen mit der Whisperline-Bohrstange mit Dämpfungsmechanismus und der ISO-Wendeschneidplatte. So konnte in 4 min die geforderte Oberflächengüte hergestellt werden.

Lösung: Bohrstange mit Dämpfungsmechanismus

„Ich hatte angenommen, dass eine solche Bearbeitung in Aluminium leichter sei als in Edelstahl“, sagt Sascha Braun. „Heute wissen wir: Das ist nicht der Fall. Die WSP zur Aluminiumbearbeitung sind extrem scharf. Die Kombination aus dem Werkstoff Aluminium, der bauteilbedingten Auskraglänge der Bohrstange und der scharfen WSP kann zur Folge haben, dass die scharfe Schneidkante der WSP unkontrolliert in den Werkstoff eindringt und es zu Riefenbildungen in der Bohrung kommt. Das ist ein großes Problem. Deshalb musste sichergestellt werden, dass die Bohrstange vibrationsarm zerspanen kann. Nur so konnten wir die Riefenbildung verhindern.“ Dreh- und Angelpunkt des Werkzeugpakets war deshalb die Whisperline-Bohrstange. Darin ist ein ausgeklügelter Dämpfungsmechanismus integriert. Dieser besteht aus einem Dämpfkörper mit gummigelagertem Schwermetallkern und einem in Öl gelagerten Schwingungselement. Zum anspruchsvollen Drehprozess kamen auch noch Schwierigkeiten bei der Spanabfuhr. Das lag einerseits am mit 6 bar relativ geringen Kühlmitteldruck der Maschine, zum anderen drohte die Bohrstange bei dieser Auskraglänge an ihre Grenzen zu stoßen.

Prozesssicher auf Ra 0,8 µm

„Wir konnten das Problem mit einer Schneidplatte mit anderer Spanformer-Geometrie und einer angepassten Strategie lösen“, erklärt Torsten Schweigert. „Wir haben einfach die Bearbeitungsrichtung umgekehrt“, sagt Jonas von Kahlden. „Wir arbeiten mit der Bohrstange nicht in die Bohrung hinein, sondern aus der Bohrung heraus.“ Das bedeutet: Die Maschine verfährt die Bohrstange bis zum Grund der Bohrung. Dort beginnt sie mit dem Drehen und arbeitet sich zur Öffnung vor. So schiebt das Werkzeug die Späne nach draußen und kompensiert zugleich den etwas zu geringen Bohrwasserdruck der Anlage. Besonderes Lob gebühre hier dem Können des NC-Programmierers Reinhard Knorr. „Die ganzen guten Ideen und die besten Werkzeuge bringen nichts, wenn die Programmierer sie nicht umsetzen können“, weiß Torsten Schweigert. Mit dem Verfahren realisiert Medifa den geforderten Ra-Wert von 0,8 µm prozesssicher und verkürzt zudem die Bearbeitungszeit um etwa ein Drittel.

kb, ak

Image
iscar_team_medifa.jpeg
Foto: Iscar
Das Team hinter der Lösung (v.l.): Sascha Braun, Jonas von Kahlden, Reinhard Knorr, Alexander Schäfer, Alexander Hörig und Torsten Schweigert.