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Thema der Woche 44/2020

Mit dynamischen Bearbeitungszentren zum Strukturbauteil

Große Arbeitsräume und schnelle Achsbewegungen zeichnen Bearbeitungszentren für großvolumige Strukturbauteile aus. Drei Anbieter erklären, was die Maschinen können.

Bearbeitungszentren für die Zerspanung von großvolumigen Strukturbauteilen sind in der Nische zuhause. In jüngster Vergangenheit haben aber immer mehr Hersteller solche spezialisierten Werkzeugmaschinen auf den Markt gebracht. Einer der Vorreiter war das österreichische Unternehmen Anger. „Obwohl die Verkaufszahlen 2016 noch sehr bescheiden waren, haben wir im Leichtbau und in der E-Mobilität eine Marktlücke mit enormem Potenzial gesehen“, erklärt Dietmar Bahn, Leiter Vertrieb bei der Anger Machining GmbH, die strategische Entscheidung, sich auf neue Wachstumsmärkte auszurichten. Daher wurde mit der SP-Baureihe eine Maschinengeneration entwickelt, die genau auf die Produktion von Elektroautos abgestimmt ist. „Jetzt erleben wir einen Nachfrageboom nach unseren Bearbeitungszentren für Strukturbauteile und großvolumige Komponenten aus Aluminium und Magnesium“, so Bahn.

Wachsende Nachfrage für Bearbeitung von Strukturbauteilen

Bei der einspindligen Liflex I 12126, die Licon 2019 auf den Markt gebracht hat, bildete der Liflex-Baukasten mit seinen vielen Konfigurationsmöglichkeiten die Grundlage. „So konnten wir auf die damals wachsende Nachfrage nach Lösungen für die mechanische Bearbeitung von Strukturbauteilen maßgeschneiderte Antworten geben, da wir diesen Markt damals richtigerweise als wachsend angesehen haben“, begründet Winfried Benz, Geschäftsführer der Licon mt GmbH & Co. KG.

Der Rückgang an Neuprojekten im Bereich der Verbrennungsmotoren bei gleichzeitiger Zunahme im Segment E-Mobilität und Leichtbau brachte für Grob neue Anforderungen an die Maschinen mit sich. „Da die Werkstücke großvolumiger und überwiegend im Aluminiumbereich zu finden sind, werden Maschinen mit großen Arbeitsräumen benötigt, wobei die Zerspanungskräfte überwiegend geringer sind“, schildert Christian Müller, Geschäftsführer Vertrieb bei der Grob-Werke GmbH & Co. KG. „Um den Anforderungen dieser neuen Bauteile gerecht zu werden, wurde die F-Serie ins Leben gerufen, mit dem Ziel eine dynamische Maschine mit großem Arbeitsraum, aber auch geringeren Investitionskosten zu entwickeln. Die Größe der Bauteile erfordert lange Verfahrwege, weshalb die Achsbewegungen schnell gehen sollen, um die Nebenzeiten zu reduzieren.“

Unterschiedliche Zerspanungsvolumen

Unter dem Begriff Strukturbauteil werden laut Benz je nach Kunde und Land ganz unterschiedliche Bauteile verstanden. Für manche Kunden gehören zum Beispiel auch Radträger und Schwenklager von Pkw-Fahrwerken dazu, andere wiederum verbinden mit dem Begriff eher großformatigere Teile wie Motorträger oder dünnwandige Bauteile wie Federbeinstützen. „Je nach Bauteil und Herstellverfahren sind die gegebenen Aufmaße und damit das geforderte Zerspanvolumen sehr unterschiedlich“, sagt der Licon-Geschäftsführer. „Deshalb braucht es meistens einerseits die volle Zerspanperformance einer modernen Werkzeugmaschine bei gleichzeitig maximaler Dynamik und kürzester Span-zu-Span-Zeit. Für einen robusten Serienprozess verlangt der Kunde nach Komplettbearbeitung in einer Aufspannung.“ Es gilt also, ein großes Bauteilspektrum abzudecken und dafür bietet die Liflex 12126 einen Bearbeitungsraum mit maximal zulässigen Flugkreisen in A und B von 1.600 mm. Die Arbeitshübe betragen jeweils 1.250 mm in X und Y, sowie 650 mm in Z und sie verfügt über Eilgänge bis 100 m/min.

Bearbeitungszentren decken großes Bauteilspektrum ab

Für ein vielfältiges Bauteilspektrum eignen sich auch die SP-Maschinen von Anger, mit denen große Batteriewannen für Hybridfahrzeuge, Strangpressprofile für Batteriewannen und Leichtbau-Strukturbauteile für Karosserien bearbeitet werden können. Die Bearbeitungszentren der F-Serie sind laut Grob für Kunden der Automobilindustrie die ideale Lösung zum Herstellen verschiedenster Werkstücktypen. „Sowohl Elektrofahrzeuge als auch Autos mit Verbrennungsmotor benötigen Rahmenstruktur- und Fahrwerksbauteile wie Längsträger, Radaufhängungen, Subframes oder Lenkgehäuse“, erklärt Müller.

„Durch die Möglichkeit, mit den Maschinenvarianten auch Batteriegehäuse zu bearbeiten, sind die Bearbeitungszentren darüber hinaus eine zukunftssichere Lösung für alle Automobilisten, die im Elektrofahrzeugbau aktiv sind oder es werden wollen.“ Die Maschinen der F-Baureihe sind mit A-Achsen ausgeführt und eignen sich sowohl zur 4- als auch zur 5-Seitenbearbeitung. Die Doppelspindelvariante G720F für die parallele Bearbeitung von zwei Werkstücken hat in der B-Achse einen Störkreisdurchmesser von 1.300 mm je Werkstück und 1.500 mm in der A-Achse. Die G700F hat einen Störkreisdurchmesser von 1.500 mm in der B-Achse und 1.500 mm in der A-Achse.

Elektromobilität ist der Treiber

Im Wesentlichen ist die Elektromobilität ein Treiber für diese Spezies von Bearbeitungszentren. „Die Nachfrage nach neuen Bauteilen, wie Batteriegehäuse oder Subframes, die im Bereich der Elektromobilität zum Einsatz kommen, wird steigen“, konstatiert Grob-Geschäftsführer Müller. Für Anger-Vertriebsleiter Bahn gilt das Prinzip: weniger Gewicht, weniger Emmissionen. „Die Emmissionsbeschränkungen sind der wesentliche Katalysator für den vermehrten Einsatz von Strukturbauteilen im Karosseriebereich, grundsätzlich unabhängig von der Technologie des Antriebsstrangs.“ Genauso urteilt Licon-Chef Benz: „Die Notwendigkeit zum Leichtbau und damit zum Einsatz von komplexen Strukturbauteilen sehen wir grundsätzlich über alle Antriebsarten hinweg gleichermaßen.“

Anbieter erwarten Wachstum

Die Basis für zunehmende Absatzzahlen solcher Maschinen ist also vorhanden. „Wir erwarten ein exponentielles Wachstum des Marktes für Batteriewannen und Strukturteile in den nächsten Jahren, weil der Weg der Emmissionsreduktion über die Elektromobilität gehen muss“, urteilt Bahn. Großes Potenzial sieht man aufgrund der hohen Erwartungen in Hinblick auf umweltfreundliche Fahrzeuge auch bei Grob. „Letztendlich hängt dies aber davon ab, wie sich die Automobilbranche in Zukunft ausrichten wird“, so Müller, für den aber auch die Luftfahrtindustrie als Abnehmer der F-Serie-Maschinen interessant ist.

Ebenfalls nicht allein auf die Automobilindustrie ausgerichtet ist man bei Licon, wie Benz betont: „Wir sehen dieses Maschinenkonzept nicht auf die Bearbeitung von Automobilteilen begrenzt. Vielmehr kann es überall dort eingesetzt werden, wo kubisch große und komplexe Teile in kurzen Taktzeiten mechanisch bearbeitet werden und dazu bisher meistens große, schwere Werkzeugmaschinen mit entsprechend niedriger Dynamik und damit langen Prozesszeiten zum Einsatz gekommen sind.“

Das Portfolio wird ausgebaut

Entsprechend rechnen die drei befragten Unternehmen mit steigenden Absatzzahlen ihrer Bearbeitungszentren für Strukturbauteile und wollen ihr Portfolio ausbauen. So hat Licon von der Liflex I 12126 mittlerweile eine zweistellige Stückzahl am Markt abgesetzt. „Für diese Maschine wie auch weitere Derivate davon erwarten wir eine kontinuierliche Steigerung in den Absatzzahlen für die nächsten Jahre“, sagt Benz. „Darüber hinaus wird es künftig Derivate geben mit noch deutlich größeren Verfahrwegen – ein- und zweispindlig.“ Anger Machining hat in den vergangenen beiden Jahren rund 25 Anlagen verkauft, die meisten davon automatisiert, und seit der Einführung bereits mehrere Varianten der SP-Familie realisiert. „Auch heuer und im nächsten Jahr werden zwei weitere 5-Achs-Maschinenvarianten auf den Markt kommen, um die sich rasch entwickelnden Teileanforderungen noch besser abdecken zu können“, verrät CSO Bahn. Bereits über 80 Maschinen der F-Baureihe hat Grob an unterschiedliche Kunden aus der Luftfahrtindustrie und vor allem der Automobilbranche verkaufen können. Und für Vertriebsgeschäftsführer Müller soll es so weiter gehen: „Setzt sich dieser Trend fort, erwarten wir für die nächsten Jahre weiter steigende Verkaufszahlen.“

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Foto: Grob-Werke
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