Foto: Lehmann

Bearbeitungszentren

Mit Drehtisch 4-achsig simultan bearbeiten

Auf einer 3-Achs-Fräsmaschine mit einem zusätzlichen Drehtisch bearbeitet Spinogy die Hauptkomponenten seiner Hochfrequenz-Motorspindeln 4-achsig simultan.

Für die Fertigung von Komponenten für seine Motorspindeln setzt Spinogy auf eine 3-Achs-Fräsmaschine, die mit einem zusätzlichen Drehtisch die 4-Achs-Simultanbearbeitung ermöglicht. Doch der Reihe nach. Gegründet im Juli 2020, ist die Spinogy GmbH in Weiterstadt der wohl jüngste Hersteller von Hochfrequenz-Motorspindeln in Deutschland. Dahinter stecken die vier ebenfalls noch jungen Maschinenbau-Ingenieure Andreas Schleifer, Marc Schmidt-Winterstein, Dominik Eschenbach und Marcel Linke. Schon als Werkstudenten hatten sie mit Motorspindeln zu tun, entdeckten ihre Begeisterung für diese Maschinenbaukomponente und sammelten nach dem Studium mehrjährige Erfahrung in dieser Branche – bis sie gemeinsam den Entschluss fassten, ihren Spindelideen in einer eigenen Firma Gestalt zu verleihen.

Motorspindel ist durchgängig modular

Andreas Schleifer, wie seine drei Kollegen, Gründer und Geschäftsführer, beschreibt die Startsituation: „Wir nutzten gewissermaßen die ruhige Coronazeit, um unsere Pläne auszuarbeiten und umzusetzen, damit wir jetzt voll in die Spindelproduktion einsteigen können.“ Zu den Startaufgaben gehörte – neben der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und der Betriebsausstattung – die Entwicklung des ersten Produktes, einer hochfrequenten Motorspindel. Schleifer, der gemeinsam mit Schmidt-Winterstein für die Entwicklung und Konstruktion zuständig ist, erklärt: „Wir wollten eine Motorspindel auf den Markt bringen, die nach Kundenwunsch konfigurierbar ist, kompakt, leistungsstark und zu 100 % Made in Germany. Dafür haben wir den kompletten Aufbau einer solchen Spindel nach Verbesserungsmöglichkeiten untersucht, selbst Bewährtes in Frage gestellt und neu gedacht.“

Das Ergebnis: die Spinogy X22. Diese Motorspindel (Markteintritt November 2021) ist durchgängig modular aufgebaut. Es gibt sie sowohl luft- als auch flüssigkeitsgekühlt, mit bis zu 7,5 kW Spitzenleistung und Drehzahlen bis 50.000 min-1. Der Baukasten lässt eine Vielzahl an Varianten zu und spricht daher einen breiten Kundenkreis an: Industrieunternehmen, vor allem Werkzeugmaschinen- und Anlagenbauer, können maximale Leistung konfigurieren und haben zusätzlich die Möglichkeit, beispielsweise Sensorik zu ergänzen. Aber auch der Hobby-Anwender wird bedient, der für Modellbaubelange nur eine geringe Ausstattung benötigt.

Fertigungstiefe soll noch erweitert werden

Schon jetzt entstehen alle Hauptkomponenten der Motorspindel wie Gehäuse und Kühlkörper sowie Wellen oder Lagersitze in der eigenen Produktionshalle, und in Zukunft soll die Fertigungstiefe noch erweitert werden, zum Beispiel durch den Einsatz selbstentwickelter Motorelemente. „Wir sind auf einem hohen Level gestartet, was unser Produkt und die Fertigung anbelangt“, betont Schmidt-Winterstein. „Dafür war es wichtig, dass unsere zerspanenden Werkzeugmaschinen perfekt zu unseren Anforderungen passen, das heißt, präzise, leistungsfähig und sehr flexibel einsetzbar sind.“ Er ergänzt mit einem Schmunzeln: „Im Prinzip so, wie wir unsere Spindeln sehen.“

Um alle Möglichkeiten frühzeitig abzuklären und die Fertigung reibungslos anlaufen zu lassen, setzte das Spinogy-Quartett auf Vertrautes: Mit GLM Werkzeugmaschinen aus Grefrath zogen die vier Ingenieure einen Maschinenhändler zu Rate, der dank des breiten Lieferprogrammes und der hauseigenen Anwendungstechnik optimal zu den Aufgabenstellungen passt. GLM-Vertriebsleiter Ludger Köster stellt sein Unternehmen vor: „Wir vertreiben seit fast 20 Jahren Doosan-Werkzeugmaschinen und seit zehn Jahren kollaborative-Robotertechnik. Unsere CNC-Anwendungstechnik, das hauseigene Service- und Ersatzteilmanagement sowie die Konstruktionsabteilung können komplette Automatisierungslösungen entwickeln und installieren.“

Prototypen und Kleinserien erfordern häufiges Umrüsten 

In die Gespräche bei Spinogy war auch GLM-Gebietsverkaufsleiter Michael Fading involviert, um hinsichtlich der gewünschten Maschinen zu beraten. Ein fünfachsiges Multitasking-Dreh-Fräszentrum war nur kurz in der Überlegung – zu komplex und zu wenig flexibel, lautete das gemeinsam gefällte Urteil. „Gerade in der Anfangszeit entstehen bei uns viele verschiedene Prototypen und Kleinserien, sodass die Maschinen häufig umgerüstet werden müssen“, argumentiert Schleifer. „Das dauert bei einem solchen Alleskönner zu lange und auch das Programmieren ist zu aufwändig. Außerdem sind die Kosten hoch.“

Der Plan war daher, lieber in zwei Maschinen zu investieren, die bei wachsender Auftragslage parallel arbeiten können. Was die Drehbearbeitung anbelangt, stand schnell fest, dass eine Doosan Lynx 2100 LSYB mit Y-Achse, Gegenspindel und angetriebenen Werkzeugen passend wäre. „Ein Maschinentyp, mit dem wir bereits sehr gute Erfahrungen gesammelt haben“, merkt Schleifer an. „Wichtig war uns eine Gegenspindel, die für die Serien- und Komplettfertigung sowie Automatisierungsoptionen geeignet ist.“

Fräszentrum mit zusätzlichem  Drehtisch aufgerüstet

Neuland war dagegen das Fräszentrum. Aber auch hier bestanden konkrete Vorstellungen. Schmidt-Winterstein: „Wir wollten eine 3-achsige Fräsmaschine mit einer zusätzlichen, auf den Arbeitstisch aufzusetzenden vierten Achse. Für einige Bearbeitungen an Gehäuse und Kühlkörper ist ein solcher CNC-Drehtisch unbedingt erforderlich.“ Die Wahl fiel auf das Vertikal-Bearbeitungszentrum Doosan DNM 4500. „Eine hochwertige Maschine mit steifem Aufbau, sodass am Bauteil hohe Genauigkeit und beste Oberflächengüten gewährleistet sind“, sagt Fading. „Sie passt auch von der Größe her genau zu den Spinogy-Produkten.“

Der Arbeitstisch misst 1000 mm x 450 mm und lässt somit noch genügend Platz für eine zusätzliche CNC-Achse – im Falle von Spinogy das Modell EA-510 von pL Lehmann. Aufgrund mehrerer Empfehlungen, auch vom Maschinenlieferanten GLM, hatten die Geschäftsführer beim Schweizer Anbieter angefragt. „Anfangs dachten wir, diese Komponenten könnten unser Budget sprengen“, nennt Schmidt-Winterstein eine Hemmschwelle. „Schließlich sind Schweizer Produkte nicht nur für beste Qualität, sondern auch für einen hohen Preis bekannt. Doch wir stellten fest, dass die pL-Drehtische ein topp Preis-Leistungsverhältnis haben und insgesamt eine sehr wirtschaftliche Lösung darstellen.“

Keine Kompromisse dank großer Auswahl

In Deutschland werden die Drehtische von pL Solutions Deutschland vertrieben (operated by IVO Oesterle NC-CNC Technik Vertriebs GmbH). Die Fachleute berieten Spinogy, welcher CNC-Drehtisch hinsichtlich Baugröße und Leistungsparameter wie Geschwindigkeit, Klemmkraft und Werkstücklasten am besten geeignet ist. „Durch die große Auswahl an möglichen Konfigurationen mussten wir keine Kompromisse eingehen“, freut sich Schleifer. „Der EA-510 ist für unsere Zwecke genau die richtige Wahl.“

Die Installation war noch eine gewisse Herausforderung, da sich die Spinogy-Ingenieure selbst darum kümmern und dabei die Technik nachhaltig kennenlernen wollten. Mit entsprechender Unterstützung von pL und GLM war der Drehtisch jedoch in kurzer Zeit installiert und kann problemlos über die CNC der Maschine gesteuert werden. Die Programmierung findet über eine CAM-Software und einen für den Drehtisch erstellten Postprozessor statt.

Auf der Doosan-Bearbeitungszentrum DNM 4500 mit Drehtisch bearbeitet Spinogy unter anderem die rechteckigen Gehäuseteile mit ihren typischen angefasten Kanten. „Wir legen nicht nur auf Topleistung und praktischen Nutzen großen Wert, sondern wollen dies auch in einem neuen und ansprechenden Produktdesign vereinen“, erklärt Schmidt-Winterstein. „So hat unser Gehäuse den praktischen Vorteil, dass der Halter für die Spindel integriert werden kann und aus optischen Gründen keine Verkleidung benötigt wird.“

4-achsige Simultanbearbeitung der Flüssigkeitskühler

Auch die speziell designten Aluminium-Kühlkörper werden auf dem Bearbeitungszentrum zerspant. Besonders interessant ist der gewendelte Flüssigkeitskühler, der interpolierende Bewegungen der vierten Achse erfordert. „Hier hat die pL-Lehmann-Achse entscheidende Vorteile“, sagt Schleifer. „Denn der CNC-Drehtisch EA-510 enthält das dauerhaft spielfrei vorgespannte PGD-Getriebe, mit dem auch eine leistungsstarke Simultanbearbeitung möglich ist.“

Nach der Prototypenphase startete Spinogy die erste Kleinserienfertigung. Die Stärken der Kombination aus Doosan-BAZ und pL-Drehtisch sehen die Gründer bestätigt: „Diese Lösung passt perfekt zu unseren Bauteilen, die wir alle in optimaler Präzision und Oberflächengüte von der Maschine nehmen können. Wir sind wirklich sehr zufrieden.“ Bei der erwarteten steigenden Nachfrage planen sie weiterhin mit Doosan, GLM und pL Lehmann. Dann steht zunächst eine Automatisierung der Maschinen an, und wenn die Spindeln der nächsten Baugröße entwickelt sind, gegebenenfalls eine ähnliche Maschinen-Drehtisch-Kombination.

Wolfgang Klingauf/rk

Foto: Lehmann Das dreiachsige Doosan-Bearbeitungszentrum DNM 4500 und der Lehmann-Drehtisch EA-510 bilden ein starkes Team. 
Foto: Lehmann Durch die große Variantenvielfalt der pL-Lehmann-Drehtische musste Spinogy keine Kompromisse eingehen. Die Baugröße EA-510 passt perfekt zur Bauteil- und Maschinengröße.
Foto: Lehmann Das Besondere an den Spinogy-Motorspindeln ist das Baukastensystem. Mit sehr wenigen unterschiedlichen Komponenten (im Bild Gehäuseteile und Kühlkörper) lassen sich viele Varianten herstellen.
Foto: Lehmann Die Gehäuseteile erfordern aufgrund ihres Designs eine vierachsige Bearbeitung (rechts das anschließend eloxierte Gehäuse).
Foto: Spinogy Die Motorspindel Spinogy X22 als Muster.