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Bei dem monolithisch aufgebauten 63-mm-Planfräser der Nawa-hpcCut-Reihe mit HSK-A63-Schnittstelle sind die 12 PKD-Schneiden fest verlötet. Bei Nawa zählen Monoblockwerkzeuge zum Standardprogramm, das kurzzeitig lieferbar ist.
Foto: Emuge-Franken
Bei dem monolithisch aufgebauten 63-mm-Planfräser der Nawa-hpcCut-Reihe mit HSK-A63-Schnittstelle sind die 12 PKD-Schneiden fest verlötet. Bei Nawa zählen Monoblockwerkzeuge zum Standardprogramm, das kurzzeitig lieferbar ist.

THEMA DER WOCHE 2/2024

Im Zerspanungsprozess zählt jede Sekunde

Voith Turbo in Garching hat auf PKD-Messerköpfe und CBN-Reibahlen von Nawa umgestellt. Das Ergebnis sind kürzere Taktzeiten und gesunkene Werkzeugkosten. 

Die 24/7-Schruppbearbeitung der Getriebegehäuse hat Voith Turbo auf die hpcCut-Reihe mit gelöteten PKD-Schneiden von der Emuge-Franken-Tochter Nawa umgestellt. Seither fährt man in Garching kürzere Taktzeiten und profitiert von deutlich gesunkenen Werkzeugkosten. Auch das Reiben von Ventilsitzen haben speziell für diesen Prozess ausgelegte CBN-Reibahlen von Nawa übernommen.

Es geht um den Technologiekonzern Voith mit weltweit rund 20.000 Beschäftigten. Ein Unternehmen, das sich seit über 150 Jahren in Familienbesitz befindet und seinen Stammsitz nördlich von Ulm in Heidenheim an der Brenz hat. Ein wichtiger Fertigungsstandort befindet sich in Garching, nördlich von München.

Komplettbearbeitung im 24/7-Rhythmus

In Garching werden neben diversen anderen Bauteilen unter anderem die Gehäuse für die Bus-Automatikgetriebe der Diwa-Reihe spanend bearbeitet. „Auf unserer automatischen Fertigungslinie bearbeiten wir drei Diwa-Getriebetypen mit verschiedenen Gehäusevarianten im 24/7-Betrieb. Plus das Gehäuse für das Mildhybrid-Busgetriebe Diwa NXT, das vollständig anders aufgebaut ist“, beschreibt Steffen Seifert aus der Abteilung NC-Programmierung ein Segment des riesigen Fertigungsspektrums. Die Gehäuse bestehen aus der Aluminium-Gusslegierung GD-ALS110, die komplett bearbeitet und damit montagefertig die Linie verlassen. „Komplett heißt bei uns Fräsen, also vom Schruppen bis Fertigschlichten auf Endmaß, Bohren, Anfasen sowie die Gewindeherstellung – alles in drei Aufspannungen.“ Diese Aufgabe übernehmen die drei 5-achsigen Horizontal-Bearbeitungszentren Heller MC 20, die in der Fertigungslinie des Herstellers Felsomat nebeneinander angeordnet sind und um eine Teilewaschanlage ergänzt werden. Ein Gelenkarmroboter surrt auf Schienen hin und her und bedient, vom Zellenrechner beauftragt und kontrolliert, die drei Maschinen, die Waschanlage sowie die Lagerplätze. „Bei uns geht es um möglichst kurze Taktzeiten, verbunden mit einer gleichbleibend hohen Bearbeitungsqualität. Das bedeutet aber auch eine absolute Prozesssicherheit“, fasst Seifert die wichtigsten Eckpunkte bei der Gehäusebearbeitung zusammen. „Eine der wichtigsten Stellgrößen sind dabei die Werkzeuge“, betont der NC-Spezialist, der zusammen mit seinen Kollegen aus der CAM-Abteilung in Garching auch das Toolmanagement verantwortet. Ein noch relativ junges Beispiel, wo ein Wechsel zu einem anderen Werkzeuganbieter für einen nicht unerheblichen Produktivitätsgewinn gesorgt hätte, sei die Schruppbearbeitung der Getriebegehäuse sowie das Reiben von Gewindesitzen gewesen. Und das kam so.

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Armin Kusch, Werksvertreter von Emuge-Franken, wozu auch das Tochterunternehmen Nawa gehört. Rechts daneben Steffen Seifert von Voith Turbo hinter  den Modellen des Torsionsschwingungsdämpfers Hydrodamp und des Bus-Automatikgetriebes Diwa.6 für Linien- und Reisebusse, die unter anderem in Garching gefertigt werden.
Foto: Emuge-Franken
Armin Kusch, Werksvertreter von Emuge-Franken, wozu auch das Tochterunternehmen Nawa gehört. Rechts daneben Steffen Seifert von Voith Turbo hinter  den Modellen des Torsionsschwingungsdämpfers Hydrodamp und des Bus-Automatikgetriebes Diwa.6 für Linien- und Reisebusse, die unter anderem in Garching gefertigt werden.

Gefräst wird ausschließlich mit PKD

Bei Voith bezieht man die Werkzeuge von zahlreichen Lieferanten, zu denen seit sehr vielen Jahren der fränkische Hersteller Emuge-Franken zählt. So auch bei den Getriebegehäusen die Werkzeuge zum Gewindeschneiden oder seit kurzem der Taptor, mit dem die Kernlochbohrung und das Gewinde in einem einzigen Arbeitsschritt erzeugt werden. Beim Fräsen waren bis vor gut eineinhalb Jahren jedoch ausschließlich Produkte anderer Hersteller involviert. „Allerdings hatten wir bei der Schruppbearbeitung mit einem 63mm-PKD-Messerkopf Probleme mit Vibrationen, der Standzeit und der Kraftentwicklung am Bauteil“, beschreibt Seifert die damalige Ausgangssituation. PKD deshalb, weil mit Schneiden aus extrem harten und verschleißfesten polykristallinen Diamant Standzeiten möglich seien, die mit Vollhartmetallwerkzeugen (VHM) niemals erreicht würden, so Seifert auf die Frage, warum man diese deutlich teureren Werkzeuge zum Fräsen von Aluminiumguss einsetzt. Alleine von den Schnittwerten her kam ein Vollhartmetallwerkzeug nicht in Frage.

Wunsch nach einer Alternative

Doch trotz hochwertiger PKD-Wendeplatten gab es die genannten Schwierigkeiten beim Schruppen mit dem 63-mm-Messerkopf. Versuche, diese mit Hilfe des an sich guten Herstellersupports in den Griff zu bekommen, hätten zu keiner nennenswerten Verbesserung geführt, erinnert sich der CAM-Spezialist. Zudem gab es Vibrationsprobleme, was mit dem Anstellwinkel der Schneiden zu tun gehabt hätte, wie er meint. Seifert sprach Armin Kusch darauf an, der als Werksvertreter von Emuge-Franken Voith persönlich vor Ort betreut und regelmäßig in Garching vorbeischaut. Der hatte zu dem Thema eine Idee und schlug vor, beim nächsten Besuch einen PKD-bestückten 63-mm-Hochleistungsplanfräser in Monoblockbauweise des Herstellers Nawa für Versuchszwecke mitzubringen. Denn auf ausgiebige Tests im Vorfeld eines möglichen Einsatzes unter realen Fertigungsbedingungen hatte Seifert ausdrücklich bestanden.

Nawa Präzisionstechnik ist ein nicht so großer, aber dafür äußerst innovativer Werkzeughersteller mit Sitz in Veringendorf auf der Schwäbischen Alb. Seit einigen Jahren ist Nawa ein Tochterunternehmen von Emuge- Franken. Ein wichtiger Produktbereich der Schwaben sind PKD-bestückte Hochleistungsplan- und Eckfräser der Nawa hpcCut-Reihe. Die PKD-Schneidplatten sind bei diesen monolithischen Fräsern fest verlötet. „Das ist sozusagen ein runder Teller mit ausgefrästen Plattensitzen, in denen die Schneiden aufgelötet und anschließend geschliffen werden“, beschreibt Kusch die Bauweise. Das andere Ende des HSS-Fräskörpers ist bei der hpcCut-Reihe standardmäßig mit einer HSK-A63-Schnittstelle nebst innerer Kühlmittelzufuhr versehen. Bei Spindelaufnahmen dieses Typs sind darum keine zusätzlichen Halter erforderlich, die hpcCut-Fräser können also direkt in die HSK-A63-Schnittstelle der Maschine eingewechselt werden. So auch bei zwei der drei Heller-Maschinen in der 24/7-Fertigungslinie in Garching. „Dank der hohen Zähnezahl sowie der PKD-typischen hohen Schnittgeschwindigkeiten lassen sich mit diesen monolithisch aufgebauten Fräsern enorme Vorschübe und damit Zeitspanvolumen erreichen“, fasst Kusch die Merkmale der hpcCut-Reihe zusammen. Der für Garching vorgesehene 63-mm-Fräser verfügte über zwölf PKD-Schneiden, der dort bisher verwendete Wendeplattenfräser hatte hingegen nur sechs.

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Christian Bauer spricht von 30 % mehr Standzeit: Die Stirnreibahle von Nawa mit CBN-Schneiden reibt die drei Ventilsitze pro Gussgehäuse in zwei Stufen auf Durchmesser 18 mm mit Toleranz H7. Erreicht werden muss eine hohe Oberflächengüte mit einer mittleren Rautiefe R
Foto: Emuge-Franken
Christian Bauer spricht von 30 % mehr Standzeit: Die Stirnreibahle von Nawa mit CBN-Schneiden reibt die drei Ventilsitze pro Gussgehäuse in zwei Stufen auf Durchmesser 18 mm mit Toleranz H7. Erreicht werden muss eine hohe Oberflächengüte mit einer mittleren Rautiefe Rz von 9 μm. 

Testergebnisse überzeugten in allen Disziplinen

Der hpcCut-Fräser von Nawa schien also zu dem bisherigen Wendeplatten-Messerkopf eine interessante und vor allem bessere Alternative zu sein. Dies sollten die ausführlichen Tests, die Seifert und seine Kollegen mit diesem PKD-Fräser dann fuhren, bestätigen. „Das Ding hat auf Anhieb funktioniert“, erzählt Seifert. Die Schnittwerte, an die wir uns sukzessive herangearbeitet hatten, waren so überzeugend, dass wir gesagt haben, das Testwerkzeug kaufen wir und setzen den 63-mm-hpcCut-Fräser zeitnah in der Serie ein. Mit dem Vorgängerwerkzeug wurde das Bauteil in zwei Schnitten geschruppt, um die Maßschwankungen des Rohgussteils auszugleichen, die schon mal bis zu 10 mm betragen können. Diese Strategie wurde mit Nawa-Werkzeug beibehalten. „Wir haben die Schnittwerte deutlich erhöht, so dass wir nahezu doppelt so schnell sind.“ Auch seien die auftretenden Spindelkräfte deutlich geringer als beim Vorgängerwerkzeug. Ebenso die Vibrationen. „Denn bei den Schneidenwinkeln ist der Nawa-Fräser deutlich aggressiver.“ Ein Aspekt, der für Seifert extrem wichtig ist. „Denn wenn ich Schwingungen schon beim Schuppen ins Gehäuse hineinbringe, bekomme ich die beim Schlichten nicht mehr heraus, weil das Schlichtwerkzeug diesen Schwingungen auf dem Steg folgt.“

Der monolithische 63-mm-Fräser lief so gut, dass ein weiteres PKD-Werkzeug der hpcCut-Reihe von Nawa mit 100 mm Durchmesser bestellt wurde. Ebenfalls für die Schruppbearbeitung, diesmal aber als Aufsteckfräser. Also ein Kopf mit 12 PKD-Schneiden, ebenfalls aufgelötet, der auf eine Aufnahme geschraubt wird.

Umstellung auch bei den Reibahlen

Und es gab in Garching ein weiteres Bearbeitungsfeld, bei dem schließlich auf den Hersteller Nawa umgestellt wurde. Nämlich bei den Reibahlen. Mit denen werden in Graugussgehäuse (GG-25) jeweils drei 18-mm-Passungen auf Endmaß gerieben. In diesem Fall nicht auf der neuen Fertigungslinie, sondern auf einer horizontalen 4-achsigen Heller MCi 16, die ebenfalls automatisiert ist. Die Toleranz ist H7, also 0 + 18 μm, wobei eine Oberfläche mit gemittelter Rautiefe Rz von 9 μm gefordert wird, was in etwa einem Mittenrauwert Ra von 1,8 μm entspricht. „Dabei handelt es sich um die Ventilsitze für das Wandler-Auslassventil, deshalb auch die hohen Anforderungen an die Oberfläche“, erklärt Christian Bauer, einer der Kollegen von Seifert aus der CAM-Abteilung. Als NC-Programmierer und Werkzeugspezialist ist er in Garching unter anderem für das Reiben zuständig und war deshalb auch bei der Suche nach einem eventuell neuen Lieferanten für die Reibahlen von Beginn an involviert. Eventuell deshalb, weil man mit den bisherigen Werkzeugen in Sachen Prozesssicherheit, Genauigkeit und Oberflächenqualität eigentlich nicht unzufrieden war, gerne aber eine höhere Standzeit gehabt hätte. „Voraussetzung für den Wechsel war, dass wir die Schnittdaten von dem Vorgängerwerkzeug, mit den wir ohnehin schon sehr gut unterwegs waren, eins zu eins übernehmen konnten.“ Bei der Fertigbearbeitung bedeutet dies eine Drehzahl von 3.200/min bei einem Vorschub von 4.300 mm/min. Das NC-Programm sollte deshalb weitgehend gleichbleiben. Bisher wurde nach dem Bohren zweimal gerieben, im ersten Durchgang zur Vorbearbeitung von 17,6 mm auf 17,8 mm und mit dem Hauptwerkzeug dann die zweite Stufe von 17,8 mm auf das Endmaß. Deshalb kommt hier eine Stufenreibahle zum Einsatz. „Die Firma Nawa hat sich bei der Auslegung seiner Reibahle an unserer Vorgehensweise orientiert.“ Allerdings mit einer kleinen Änderung: „Nawa hatte die Idee, den Durchmesser am Beginn der Vorbearbeitung auf 17,7 mm zu erhöhen.“ Gerieben wird jetzt mit der Stirnreibahle von Nawa im Schritt eins von 17,7 mm auf 17,9 mm und dann von 17,9 mm auf Endmaß 18 mm. Dementsprechend musste Bauer nur das Vorhaltemaß, also das Aufmaß beim Reiben, abändern. Diese Idee und eine speziell auf die Anwendung hin optimierte Schneidengeometrie hätte die Standzeit der Reibahle signifikant erhöht, betont Bauer. Und zwar bei gleicher Prozesssicherheit wie beim Vorgängerwerkzeug. Die Schneiden sind CBN-beschichtet, also mit extrem verschleißfestem polykristallinem kubischem Bornitrid.

Das Ziel war also erreicht und der schwäbische Werkzeughersteller erhielt den Zuschlag. „Dabei sei noch erwähnt, dass sich zahlreiche Hersteller an diesem Projekt versucht haben, aber nur Nawa hatte es hinbekommen.“ Bauer spricht von einem Standzeitgewinn von etwa 30 %. „Die Reibahle von Nawa hält länger und ist sowohl kostengünstiger in der Anschaffung als auch bei der Aufbereitung gegenüber unserem bisherigen Lieferanten. Dem stimmt auch Kollege Seifert zu, der mit dem Instandhaltungs-Service von Nawa bei den Fräsern ebenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht hatte. Denn nicht nur beim Kaufpreis, sondern auch bei der Aufbereitung der Fräser sei Nawa preislich günstiger als das Vorgängerwerkzeug, „obwohl dies Wendeplatten hatte, die man ja wechseln kann.“

Zeiteinsparungen in alle Richtungen

Die PKD-Messerköpfe von Nawa wären jetzt rund eineinhalb Jahre im Einsatz und bis jetzt sei man sehr zufrieden, meint Seifert. „Bei vergleichbarer Lebensdauer gegenüber dem früheren Wendeplattenfräser haben wir heute geringere Werkzeugkosten und fahren kürzere Taktzeiten.“ Nicht zu vernachlässigen sei bei dem 63-mm-Monoblockfräser dank HSK-A63-Schnittstelle auch der Wegfall der Werkzeugvoreinstellung. „Das Nawa-Werkzeug packe ich aus, gebe das mitgelieferte Messprotokoll ein und lege es in das Magazin der Maschine oder in den Ersatzschrank.“ Denn die Werkzeuge werden komplett vermessen geliefert nebst beiliegendem Messprotokoll. Es seien eben Zeiteinsparungen in allen Richtungen und bei allen Beteiligten, bringt Seifert die Vorteile auf den Punkt. „Denn wir suchen jede Sekunde.“ kb