Foto: Studer

Thema der Woche 3/19

Eine neue Dimension für das Schleifen

Völlig neue Möglichkeiten beim Schleifen mit metallgebundenen CBN- und Diamantschleifscheiben bietet die elektroerosive, integrierte Abrichttechnik Wire Dress von Studer.

Die Herausforderung für Alfred Mair, Leiter Schleiftechnologie bei der Fischer AG in Herzogenbuchsee, war groß. Das Ziel des Herstellers von Hochpräzisionsspindeln war nicht nur die Steigerung der Produktivität, auch stieß man bei der Schleifbearbeitung von exotischen Materialien wie Titan und schwer zerspanbaren Hartstoffen an Grenzen. Außerdem stellen Kunden immer höhere Ansprüche an die Qualität.

Das integrierte Abrichtsystem ist das Herzstück

Mit einer konventionellen Schleifmaschine konnte er das Problem nicht lösen. Doch die Lösung lag näher als gedacht: Nur 60 km entfernt, bei der Firma Studer in Steffisburg. Dort wird die CNC-Universal-Rundschleifmaschine S41 produziert. Ausgelegt für große Werkstücke, verfügt sie über Spitzenweiten von 1000 oder 1600 mm und Spitzenhöhen von 225 oder 275 mm. Mit Lineardirektantrieben bearbeitet sie Werkstücke präzise bis zu einem Maximalgewicht von 250 kg. Natürlich bearbeitet die S41 kleine und mittlere Werkstücke ebenso effektiv. Doch das Herzstück für Fischer ist das integrierte Wire-Dress-Abrichtsystem. „Davon versprachen wir uns, metallgebundene Schleifscheiben nutzen zu können für eine mess- und reproduzierbare Qualität, eine höhere Produktivität, universellere Bearbeitungsmöglichkeiten, hohe Prozesssicherheit sowie auch reduzierte Werkzeugkosten“, erklärt Mair seine Erwartungen.

Drei- bis fünfmal schneller

Studer hat die S41 mit Wire Dress nach weiteren Wünschen der Fischer AG konfiguriert. So erhielt die Maschine eine spezielle Hochgeschwindigkeits-Außenschleif-Motorspindel, ein Eigenprodukt von Fischer, bei dem die axiale Ausdehnung besonders klein ist. Zudem ist sie am hinteren Spindelende außen abgeschrägt, wodurch auch das Schleifen mit einem negativen Schwenkwinkel möglich wird – insbesondere bei der Schulterbearbeitung mit geschwenkter Spindel. Ergänzt wurde die S41 mit einem automatischen Werkstückmagazin- und Handlingssystem, welches im autarken Betrieb eine automatische Serienbearbeitung der hochwertigen Präzisionsbauteile sicherstellt. Das Fazit von Mair nach der Einführungszeit der Maschine: „Ich bin hin und weg. Drei- bis fünfmal schneller als mit konventioneller Technologie, bei absoluter Reproduzierbarkeit, im Toleranzbereich von unter 1 µm geschliffen. Sowas habe ich noch nie gesehen. Ich bin extrem beeindruckt.“

Abrichten bei der vollen Schleifdrehzahl der Scheibe

Wie diese Abrichttechnologie funktioniert, erklärt Michael Klotz, Projektleiter Entwicklung bei der Fritz Studer AG: „Bekannt ist, dass metallgebundene Schleifscheiben beim Bearbeiten schwer zerspanbarer Werkstoffe deutlich langlebiger und formstabiler sind und letztlich eine höhere Produktivität ermöglichen. Problematisch dabei ist, dass Metallbindungen mit konventionellen Verfahren in der Schleifmaschine nur sehr eingeschränkt abrichtbar sind. Außerdem entsteht ein hoher Abrichterverschleiß verbunden mit einer geringen Schnittigkeit. Dies ist für eine hohe und gleichbleibende Bearbeitungsqualität und nutzerfreundliches Abrichten somit ungeeignet. Daher wird die beste Bindung – die Metallbindung – nur selten benutzt“.

Abrichtvorgang erfolgt berührungs- und verschleißlos

Darum hat Studer, zusammen mit Technologiepartnern, die maschinenintegrierte Wire-Dress-Abrichttechnologie entwickelt. Hier erfolgt das Abrichten bei der vollen Schleifdrehzahl der Scheibe. Im Gegensatz zum herkömmlichen, mechanischen oder externen EDM-Abrichten geschieht das Wire-Dress-Abrichten durch modifiziertes Drahterodieren in der Schleifmaschine, wobei das Schleiföl als Dielektrikum dient. Der Abrichtvorgang geht berührungs- und verschleißlos ohne mechanischen Kontakt vonstatten. Dabei wird nicht das Schleifkorn abgerichtet, sondern die metallische Bindung ab- beziehungsweise zurückgenommen. Je nach Formschluss des Schleifkorns fällt es einfach heraus, ansonsten bleiben die Schleifkörner in voller Schärfe erhalten. Die Scheibe erhält einen hohen Kornfreistand für maximale Schnittigkeit, geringe Schleifkräfte und geringe Brandneigung.

Fähigkeiten der Metallbindung sind jetzt nutzbar

Man kann die Fähigkeiten der Metallbindung mit Wire Dress nun nutzbar machen. Bei bester Formbeständigkeit der Bindung lassen sich nahezu beliebige Profile sehr präzise im µm-Bereich abrichten. Es sind lange Abrichtintervalle erreichbar. Noch ein weiteres Plus: Nun wird auch die genaue Bearbeitung anspruchsvoller oder kleinster Geometrien möglich, was bis dato unwirtschaftlich war. Im Vergleich zur Schleifbearbeitung mit keramisch gebundenen Schleifwerkzeugen sind signifikante Produktivitätssteigerungen von mindestens 30 % und noch mehr gegenüber Kunstharzbindungen möglich. Mit einer sintermetallgebundenen Scheibe kann man sogar über das Limit gehen, indem man sie in der Maschine einfach wieder abrichtet, was galvanische Scheiben nicht zulassen. „Diese Grenzen angstfrei ausreizen – auch das ermöglicht eine höhere Wirtschaftlichkeit“, ergänzt Klotz.

Prozesssichere Schleifresultate

„Setzt man auf die richtige Technologie, ist auch die Prozesssicherheit gegeben“, erklärt Mair. „In der Vergangenheit musste man sich an solche Schleifresultate zeitaufwändig herantasten, heute ist es prozessstabil. Das hat auch den Vorteil, dass man die Kosten klarer kalkulieren kann.“ Der Schleiftechnikleiter weiß auch, dass die richtige Technologie nicht nur die Maschine umfasst und nennt die weiteren Faktoren, die dazu beitragen, um im Bereich von weniger als 1 µm reproduzierbar zu fertigen: „Eine vollklimatisierte Halle, die unter anderem auch für die thermische Stabilität unserer Spindeln sorgt, automatisches Laden, angepasstes Tooling, moderne Messtechnik, ein effizientes Kühlkonzept und natürlich gut ausgebildetes und motiviertes Personal.“

Produktivität um bis zu 70 % gesteigert

Für die Fischer AG hat sich die Investition in die S41 mit der Wire-Dress-Technologie gelohnt. Die Produktivität konnte bei gewissen Materialien sogar um bis zu 70 % gesteigert werden. Mair meint dazu: „Ich bin überzeugt, wenn sich diese Technologie in den Fachkreisen herumspricht, wird Studer mit Aufträgen eingedeckt.“ Ein weiterer Pluspunkt dürfte vor allem Ingenieure und Konstrukteure interessieren. Denn es lassen sich nicht nur gerade Schleifscheiben abrichten, sondern auch sehr feine Profile, was bisher bei metallgebundenen Schleifscheiben gar nicht möglich war. Dies eröffnet völlig neue Konstruktionsmöglichkeiten, ja sogar ungeahnte Horizonte.

rk

Foto: Studer
Foto: Studer