Image
Foto: Harald Klieber

THEMA DER WOCHE 18/2020

Das leisten revolutionäre Werkzeuge heute

In 100 Jahren hat Emuge-Franken einige revolutionäre Werkzeuge entwickelt. Das Erste war der Einschnitt-Gewindebohrer. Das leisten Taptor, Punch Tap und Tonnenfräser.

Seit 1920 entwickelt Emuge-Franken regelmäßig fertigungstechnisch sinnvolle Lösungen und revolutionäre Werkzeugkonzepte zusammen mit hochkarätigen Kooperationspartnern. Eines der ersten revolutionären Konzepte waren Stehbolzen-Gewindebohrer für Dampfloks. „Mit den gut 1 m langen 37x1-Gewindebohrern konnten erstmals in einem Arbeitsgang die zwei Befestigungsgewinde für die Stehbolzen zwischen Brennraum und Druckkessel geschnitten werden. Das war eine echte Revolution, bescherte den Dampflok-Bauern große Arbeitserleichterungen und der Präzisions-Werkzeugfabrik Richard Glimpel erste große Aufträge“, berichtet der Hobby-Archivar und Leiter der Buchhaltung Aloysius Schlomm.

Revolutionärer Einschnitt-Gewindebohrer statt dreiteiligem Satz

Große Erfolge und Zeitersparnisse brachten der Kundschaft wie auch dem Betrieb die nicht minder revolutionären Einschnitt-Gewindebohrer mit Schälanschnitt. „Das war die eigentliche Revolution, die Idee, mit der Richard Glimpel seine Präzisions-Werkzeugfabrik am 20.5.1920 gegründet hatte.“ Statt dem sonst üblichen dreiteiligen Gewindebohrersatz, erklärt Aloysius Schlomm, reichte nun eben der Einschnitt-Gewindebohrer zur maschinellen Fertigung von Innengewinden. „Geld verdiente Emuge mit der Fabrikation der großen Gewindebohrer bis die Eisenbahn auf eine andere Arbeitsmethode – nämlich das Einschweißen der Stehbolzen – umstellte. 1953 führte der steilspiralgenutete Gewindebohrer die Späne erstmals nach außen ab und drückte die Späne nicht mehr nach vorne ins Metall. Ziel war die optimierte Gewindeherstellung in Sacklöchern.

Das Geheimnis der Gewindewerkzeugaufnahme

„Mit dem Schälanschnitt, der Anteilung der Spannuten, konnten Späne viel leichter aus dem Durchgangsloch transportiert werden, was vor allem die Werkzeugstandzeit erheblich verbesserte. Das Prinzip können Sie heute noch an jedem Gewindebohrer erkennen“, erklärt Geschäftsführer Gerhard Knienieder die Tragweite der Schälanschnittes. Ähnliche Auswirkungen hatte auch 1998 die Erfindung des Softsynchro-Gewindeschneidfutters. „Geheimnis der Gewindewerkzeugaufnahme ist unser kleines Kunststoffelement, das jedes Werkzeug während des synchronen Einsatzes dämpft und Steigungsdifferenzen ausgleicht und somit noch präzisere Gewinde schneidet oder ausformt.“

Gerade der Taptor, den Emuge auf der EMO 2019 vorgestellt hatte und hier im Video dessen Leistungsfähigkeit zeigt, würde nach Angaben von Gewindeexperte Dietmar Hechtle wirklich wirtschaftliche M6-Gewinde schneiden und formen. „Das ist absolut einmalig: Nicht vorbohren und dann gewindeschneiden, sondern in einem Schritt ein Sackloch bohren und gleichzeitig das Gewinde ausformen. Das schafft bis dato nur unser ‚Bohrgewindebohrformer‘ Taptor. Nötig ist dafür aber unsere Speedsynchro-Spannzangenaufnahme samt integriertem Getriebe.“ Im Prinzip, so Dietmar Hechtle, Leiter des Technischen Büros bei Emuge in Lauf, vereint der Taptor einen Spiralbohrer mit einem Gewindebohrer und führt damit zu einer wesentlichen Einsparung an Bearbeitungszeit. „Das ist der große Unterschied zu unserer Punch-Tap-Technologie, mit der wir die Zeiteinsparung über kürzere Werkzeugwege realisieren. Der Taptor, das ist der Trick, erspart dagegen gleich einen ganzen Arbeitsschritt“, erklärt Dietmar Hechtle.

Das perfekte Gewinde braucht nur 1,8 s

Schwarz auf weiß heißt das: Statt der üblichen 3,1 s für ein Gewinde, braucht Taptor nur rund 1,8 s pro Gewinde bei 3.000 min-1 und der Bearbeitung einer Zylinderkopfseite mit 26 Gewinden M6 2xD in Gussaluminium. Es ergibt sich also eine Zeiteinsparung von 1,3 s pro Gewinde. Und Dietmar Hechtle stellt noch weiteres Potenzial in Aussicht, da die Maximaldrehzahl des Speedsynchro noch bei weitem nicht ausgenutzt wird. „Allein durch die Verwendung des Speedsynchro bei höheren Werkzeugdrehzahlen sind pro Gewinde theoretisch bis zu 0,5 Sekunden weitere Zeiteinsparung denkbar. Und das Schöne ist, mit dem Taptor schaffen wir locker die von der DIN vorgegebenen Toleranzen für ein metrisches M6-Gewinde – und zwar absolut prozesssicher und wiederholgenau.“ Ein weiterer Pluspunkt des Taptors ist nach Erfahrung von Dietmar Hechtle aber nicht nur die wegfallende Qualitätskontrolle für die herkömmlich gefertigte Vorbohrung bei Verwendung von zwei Werkzeugen, sondern die Sicherheit für den Automobilhersteller, dass eben ein Werkzeug das Gewinde von A bis Z ideal ausformt. „Gewinde und Sacklochbohrung sind immer 100% konzentrisch angeordnet, das Gewindewerkzeug nicht schräg ins Kernloch eingebracht oder leicht versetzt positioniert, weil die Position eben nur einmal angefahren und das Gewinde in einem Zug gefertigt wird.“ Bis dato lässt sich die Taptor-Technologie nur für das Schneiden und Formen von M6-Aluminiumgewinden nutzen. Das wird sich jedoch ändern, so Dietmar Hechtle, hat aber damit zu tun, dass das Gewinde den Vorschub von 1 mm pro Umdrehung vorgibt und damit auch die Kräfte auf den 5-mm-Kernlochbohrer und die Zähne zum Gewindeschneiden und -formen definiert sind.

Mit Kreissegmentfräser sechs Mal schneller fräsen

Speziell für die Schlichtbearbeitung hat Emuge-Franken bereits 2013 den Kreissegmentfräser der Produktlinie Franken Expert auf den Markt gebracht. Diese neue Werkzeuggeneration revolutioniert die Schlichtbearbeitung von Bauteilen extrem durch seine kurzen Bearbeitungszeiten. Nach Erfahrung von Anwendungstechniker Andreas Bremstahler waren die Kreissegmentfräser schon damals technologisch herausragend und 2013 absolut einmalig am Markt: „Unsere Kreissegmentfräser mit Kegel- oder Tropfenform sind echte Problemlöser, die wir auf Wunsch eines Kunden zusammen mit Open Mind entwickelt haben. Sie eignen sich besonders gut für die Schlichtbearbeitung im Formen- und Werkzeugbau, der Aerospace- und Energiebranche. Da sich mit den Werkzeugen nicht nur die üblichen 0,2 bis 0,5 mm, sondern gleich bis zu 6 mm axial zustellen lassen, ist diese neue Methode zur Schlichtbearbeitung so effizient. Das heißt, Sie können bei der Schlichtbearbeitung von Bauteilen bis zu 90 % der Bearbeitungszeit einsparen.“ Und nur ein Jahr später, 2014 (NCF9, S.266), legte Emuge-Franken mit dem Punch Tap nach. „Das Punch-Tap-Verfahren war 2014 absolut neu und revolutionär. Gegenüber der bisherigen Technologie lassen sich Innengewinde in bestimmten Werkstoffen wesentlich schneller herstellen, und dies bei stark reduziertem Energieverbrauch der Bearbeitungsmaschine“, erklärte Dietmar Hechtle. Wiederum zusammen mit Audi entwickelt, braucht der Punch Tap nur 0,5 statt der üblichen 2 s für das Formen eines nicht durchgehenden Gewindes. „Das ist der Trick. Der Punch Tap fährt erst in die Bohrung, erzeugt mit zwei Punchzähnen zwei Nuten, formt mit einer 180°-Drehung das Gewinde aus und fährt dann wieder durch die Nuten aus der Bohrung raus. Schneller geht Gewindeformen nicht.“

Neue Punch-Tap-Varianten, klare Abgrenzung zu Taptor

Dass der Systemgedanke bei Emuge-Franken seit der Gründung 1920 weiter gepflegt wird, unterstreicht Gerhard Knienieder ebenfalls mit dem Punch Tap, der 2018 weiterentwickelt wurde: „Wir haben zusammen mit unseren Partnerfirmen den Punch-Tap-Prozess in drei Varianten aufgegliedert. Beispielsweise können wir jetzt mit der Soft-Variante mehr Werkstoffe bearbeiten, wie anspruchsvolle, zähe Materialien.“ Dennoch müssen dafür nur rund 10 % längere Prozesszeiten einkalkuliert werden. Aber wann ist Taptor erste Wahl und wann Punch Tap? „Schon aufgrund der höheren Zerspanleistung empfehlen wir Taptor immer mit Emulsion zu betreiben.“ PunchTap ist dagegen ein klassisches MMS-Werkzeug, argumentiert Dietmar Hechtle mit dem geringen Verformungsvolumen und der sehr kurzen Prozesszeit.

Zukunft mit 20.000 m² neuer Produktionsfläche

Gewohnt realistisch blickt Emuge-Franken auch in die Zukunft: Industrie 4.0, 3D-Technologie und den Wandel in der Automobilindustrie will der Werkzeughersteller gemeinsam mit seinen Partnern in neuen Netzwerken für neue Ideen nutzen. „Wir wissen zwar nicht konkret, mit welchen Technologien wir es in 10 Jahren zu tun haben werden. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir mit unserer Erfahrung die technische Komplexität meistern und bestimmt auch wieder neue technische Ausrufezeichen setzen.“ Die Weichen dafür hat Emuge-Franken in Lauf an der Pegnitz bereits gestellt, berichtet Gerhard Knienieder. Ein deutliches Signal ist der gerade beginnende 20.000-m²-Neubau in der Nürnberger Straße, der gegenüber der heutigen Firmenzentrale ab 2023 neue, großzügige Produktionskapazitäten bietet und für die drei Werte Nähe-Innovation-Präzision stehen wird. „Denn Emuge plant nicht irgendeinen Zweckbau, nicht irgendwo auf der Erde, wo es günstig ist. Wir wollen, dass dieser Neubau gut aussieht. Schließlich ist Lauf mein Heimatort“, definiert Senior-Geschäftsführer Helmut Glimpel die Basis und Philosophie des mittelfränkischen Werkzeugherstellers.