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Foto: Harald Klieber

Präzisionswerkzeuge

In 6 Schritten zum besseren Prozess

Für die Zerspanung von morgen entwickeln, testen, zeigen. Das ist der Auftrag der Smart Factory. Der Werkzeughersteller Walter AG erklärt, was damit machbar ist.

von Harald Klieber

Augmented reality, holographic displays, automatische Vorschubanalysen und Iterationskreise sowie eine große Know-how-Datenbank sind die Basis. In der Smart Factory nutzt die Walter AG die ganze Bandbreite digitaler Hilfsmittel, um schnell Zerspanungsprozesse weiterzuentwickeln und zu optimieren. „Zwei Dinge stehen bei uns im Fokus: Unsere Bauteilkompetenz mit optimierten Bearbeitungsstrategien und die Digitalisierung, so dass die Prozesse quasi plug&play einfach in die Fertigung des Kunden auf eine passende Maschine übertragen werden können und dann sehr schnell lauffähig sind“, erklärt Ali Motawalli die Vorgehensweise der Smart Factory.

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Startpunkt: Prozessanalyse und 12 Referenzbauteile

Dabei, so Koordinator Ali Motawalli, würden weniger Verschleißtests für Werkzeuge im Mittelpunkt stehen, sondern eher die Zerspanungsprozesse an ihre Grenzen gebracht werden. „Wir machen natürlich die Unterschiede vom neuen zu den alten Werkzeugen sichtbar. Startpunkt bei diesen bestehenden Prozessen sind immer die Prozessanalysen und für die neuen Werkzeuge unsere Datenbank-Werte aus dem Walter-GPS, das uns auf die wichtigsten Startparameter unserer rund 48.000 Werkzeuge schnell zugreifen lässt.“ Bei Prototypen oder Neuentwicklungen könnten anfangs nur die Startparameter vergleichbarer Werkzeuge herangezogen werden. „Kommt dazu auch noch ein neuer Werkstoff, also wirklich neue Werkstoffe, wie beispielsweise Triple-5-Titan, müssen auch wir prinzipiell neue Erkenntnisse erschließen“, erklärt Florian Böpple.

Mit Datenaufzeichnung bessere Vorschübe ermitteln

Um den eigentlichen Zerspanungsprozess digital zu verbessern, greift Walter zunächst auf derzeit 12 Referenzbauteile zurück, die die Haupteinsatzgebiete der Walter-Werkzeuge vom Turbolader, Turbinengehäuse bis zur Kurbelwelle abdecken. „Wir decken damit schon viele zerspanungstechnische Herausforderungen für das Werkzeug ab, können dessen Position mit der Geometrie und Dynamik von Maschine und Bauteil sehr schnell in Einklang bringen“, erklärt Florian Böpple die grobe Annäherung an eine neue Aufgabe. Mittels Datenaufzeichnung an Spindeln und Achsen würden sich dann sehr schnell die besseren Vorschub- und Drehzahlbereiche ermitteln lassen. Viele Iterationsprozesse, so Florian Böpple, würden dadurch in der Smart Factory sehr erleichtert. „Maßgeblich verantwortlich dafür ist die jahrelange Zusammenarbeit mit unserem IT-Partner Comara, der nicht nur mehrere Werkzeugmaschinen gut vernetzen kann und viele Cloud-Lösungen anbietet, sondern speziell für die Zerspanungsbranche eine Lösung ohne Cloud entwickelt hat, die die Maschinen optimal vernetzt und trotzdem mit vielen Sicherheitsstandards konform ist“, berichtet Florian Böpple.

Adaptive Vorschubregelung optimiert automatisch in Echtzeit

Für sämtliche Berechnungen und Austausch mit der Maschinensteuerung setzt Comara einen Industrie-PC ein. „Ausschließlich von diesem Industrie-PC werden auf Wunsch ausgewählte Daten in das Kundennetzwerk gespielt“, erklärt Florian Böpple das in sich geschlossene Datenmanagement, das aber trotzdem via TeamViewer upgedatet werden kann. Die Software-Experten von Comara seien stark und kreativ in der Datenbeschaffung direkt an der Maschine. Ein Highlight ist beispielsweise die adaptive Vorschubregelung. „Dieser in sich geschlossene Zyklus passt dabei beispielsweise den Vorschub einer Werkzeugmaschine quasi automatisch in Echtzeit an“, versichert Florian Böpple. Zudem werden Schnittgeschwindigkeit, Spindellast und auch die Position des Werkzeugs in der Spindel oder im Magazin eingerechnet samt Standzeiten und Geometrien. Und natürlich werden auch die Produktivität und der Stillstand der Maschine einkalkuliert.

Sechs Schritt bis zum fertigen Bauteil

Den Optimierungsprozess in der Smart Factory definiert der Koordinator Ali Motawalli in sechs Schritten von der Planung bis zum fertigen Bauteil: „Zunächst analysieren wir, den individuellen Bearbeitungsprozess des Kunden. Wir berücksichtigen dabei seine Maschine mit den dazugehörigen Eckdaten, wie beispielsweise die Kinematik und die Antriebsleistung, die Bauteilspannsituation, die eingesetzten Werkzeuge, die Programme und natürlich seinen Zerspanungsprozess mit den entsprechenden Bearbeitungsstrategien. Im zweiten Schritt setzen wir uns mit unseren Technologen in der Smart Factory zusammen, beraten uns und legen im dritten Schritt die passende Werkzeugmaschine fest, auf der wir den Prozess verbessern werden.“ Dabei wird entsprechend dem Maschinenpark eher eine Maschine mit ungünstigerer Kinematik oder eine nicht ganz so stabile Aufspannung gewählt, um letztlich die Prozesssicherheit beim Kunden zu gewährleisten. Wenn feststeht, dass der Prozess deutlich verbessert werden kann und der Kunde sein Okay gibt, baut Walter in der Smart Factory den Zerspanungs-Prozess nahezu 1:1 nach. Mit möglichst originalen Spannmitteln und Bauteilen werden im fünften Schritt Versuche mit neuen Werkzeugen gefahren, werden dabei NC-Programme angepasst, sämtliche Bearbeitungsstrategien auf den Prüfstand gestellt und optimiert.

Einsparpotenziale visualisiert anhand konkreter Vorschubdaten

„Unsere Software unterstützt unsere Engineering Kompetenz optimal. Sie zeigt nicht nur an, wo welche Änderungen im Programm vorgenommen wurden, sondern visualisiert letztlich sogar die noch möglichen Einsparungspotenziale in dem Prozess anhand der konkreten Vorschubdaten“, erklärt Florian Böpple. Die Effizienz der einzelnen, gefahrenen Prozesseinstellungen wird dann ausgewertet, die zu erwartenden Einsparungen werden in einer Visualisierung mit kleinen oder eben besonders großen Kreisen dargestellt. „Im Mittel landen wir oft einen Volltreffer. Das heißt, bei diesen Prozessen lässt sich noch deutlich mehr optimieren. Die Rationalisierungsmöglichkeiten liegen dann nicht selten im hohen zweistelligen Bereich“, versichert Ali Motawalli. Und Florian Böpple resümiert: „In der Smart Factory sind wir darauf eingestellt, den gesamten Zerspanungsprozess für ein Unternehmen zu optimieren. Von der Planung über die Simulation bis zum fertigen Bauteil.“ Dabei, so Florian Böpple, optimiert Walter bei Bedarf auch die gesamte Logistikkette, organisiert das Werkzeugmanagement neu und liefern auf Wunsch sogar die komplette Werkzeugvoreinstellung.