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Foto: Weingärtner

Zerspanungswerkzeuge

Die Maßschneider für Schwerzerspanung

Weingärtner ist wie Ceratizit seit Jahrzehnten auf die Schwerzerspanung fokussiert. Die Zusammenarbeit ist eng – wie ein aktuelles Beispiel zeigt.

Aufgrund der rasanten Modernisierung von technologieintensiven Branchen in Asien ist der Import hochwertiger Werkzeugmaschinen ein Muss, auch für die Schwerzerspanung. Rund die Hälfte der Aufträge aus dem ostasiatischen Raum sind gegenwärtig kundenspezifische Sondermaschinen und Projekte, teilweise mit Turnkey-Charakter. Die 1965 gegründete Weingärtner Maschinenbau ist folgedessen ein natürlicher Ansprechpartner, denn der Sondermaschinenbauer mit Sitz im österreichischen Kirchham und 620 Mitarbeitern schneidert Komplettbearbeitungslösungen für die Öl-, Gas- und Luftfahrtindustrie, die Pumpen-, Kunststoff- und Recyclingbranche bis hin zum Energiesektor und der Schwerzerspanung auf Maß.

Kurbelwellen, Walzen, Extruderschnecken und Wellen

So werden auch weltweit Kurbelwellen für Dieselmotoren, Walzen für die Stahl- und Papierindustrie, Extruderschnecken zur Kunststofferzeugung oder Wellen für Turbinen und stationäre Stromerzeugungseinheiten hochpräzise auf den Sondermaschinen gefertigt. „Mit den Maschinenreihen vario, pick up, mpmc und finish bietet Weingärtner dafür branchenbezogene Technologien an, die je nach Aufgabenstellung individuell ausgeformt werden“, betont Marketingleiter Thomas Exenberger. „Zugleich stellen wir dem Anwender mit weinCAD ein äußerst leistungsfähiges CAD/CAM-System zur Seite, mit dem er Spritzgussschnecken bis hin zu Statorkernen für Exzenterschneckenpumpen einfach programmieren kann.“

Komplettlösungen: Maschine, Software, Anwendungstechnik etc.

Als Anbieter von Komplettlösungen für die Schwerzerspanung hat Weingärtner von der maßgeschneiderten Maschine und Software über die applikationsspezifische Anwendungstechnik, Beratung und Schulung bis hin zum weltweiten Support das volle Leistungsspektrum im Programm – unterstützt durch Technologiepartner wie Ceratizit, mit denen auch der jeweilige Werkzeugsatz komplett angeboten werden kann. Mit dem Hartmetallspezialisten aus Reutte – seit Jahrzehnten ebenfalls ein Experte für die Schwerzerspanung, der auf Gesamtlösungskompetenz ausgerichtet ist – kooperiert man besonders im Bereich Industry Solutions.

Seit 2012 gibt es eine Kooperation bei der Schwerzerspanung

Seit 2012 arbeiten beide Unternehmen an Großprojekten zusammen. „Die Kompetenzen von Ceratizit drücken sich aber nicht nur im vollständigen Werkzeugprogramm für die Großteilebearbeitung aus, im Rahmen von OEM-Services bieten wir zudem die Strukturen und Kompetenz für die Erstellung kompletter Bearbeitungslösungen“, so Alfred Hofegger, Teamleiter OEM Services bei Ceratizit Austria. „Auf Wunsch definieren wir Bearbeitungsschritte einschließlich der zugehörigen Werkzeuge, legen Schnittdaten fest und berechnen Bearbeitungszeiten. Wir prognostizieren die Stückkosten, führen im Ceratizit Innovation Center Probebearbeitungen durch und betreuen die Maschinenab- und -inbetriebnahme.“

Aus vier mach eins

Kernelemente solcher Leistungen haben beide Unternehmen erst kürzlich wieder für einen internationalen Großkonzern zum Einsatz gebracht. Ein Schlüsselprojekt, bei dem der Kunde bis zu vier konventionelle Maschinen, die er bisher zur Walzenfertigung einsetzte, durch die Bearbeitung mit einer Maschine ablösen will. Vorerst soll nur das Schleifen weiterhin auf einer separaten Maschine erfolgen. „Für diese Anwendung, bei der acht Walzentypen zu bearbeiten sind, sollte Weingärtner zwei mpmc einschließlich der kompletten Werkzeugbestückung liefern“, so Exenberger. Eine der Herausforderungen ist hierbei die Zerspanung des Ballenmaterials, das im Schleudergussverfahren hergestellt wird und eine Härte von bis zu 85 ShC aufweist.

Weiches Kernmaterial

Neben der 50 bis 90 mm dicken Außenschale besteht die restliche Walze aus Kernmaterial, das wesentlich weicher ist. Die Härte liegt hier zwischen 38 und 45 ShC. An den Zapfen werden unter anderem die Lagersitze und Antriebsflächen bearbeitet. Dieser Materialmix erfordert auch unterschiedliche Schneidstoffe wie Siliziumnitrid, Mischkeramik, Hartmetall und CBN – alle im Produktportfolio von Ceratizit. Je nach Walzentyp sind für die komplette Bearbeitung zahlreiche unterschiedliche Zerspanungsaufgaben wie Drehen, Stechen, Fräsen, Bohren, Tieflochbohren und Gewinden auszuführen.

Maschinenkonzept bestimmt Werkzeugauslegung

Die mpmc-Baureihe (multi product machining center) von Weingärtner, die auf solche Anwendungen zugeschnitten ist, umfasst horizontale Dreh-Fräs-Zentren, mit denen sich Bauteile bis 2.000 mm, 15 m Bearbeitungslänge und 80 t Gewicht bearbeiten lassen. Im aktuellen Fall können die beiden Maschinen Bauteile bis 20 t Gewicht aufnehmen. Ausgerüstet mit einem Dreh-Fräs-Kopf und vollautomatisch einwechselbaren Bearbeitungseinheiten lassen sich mit der mpmc-Reihe komplexe Teile wirtschaftlich in einer Maschine fertigen. Je nach Bearbeitung kommen dabei Ausbohr-, Trochoidal-, Verzahnungsfräs- bis hin zu Tieflochbohreinheiten zum Einsatz.

Dank der B-Achse der mpmc kann beim Drehen der Anstellwinkel an die geforderte Schnitttiefe angepasst und dadurch der Vorschub erhöht werden. Bilder: Weingärtner.

Beladungshilfen und CNC-gesteuerte Lünette

„Eine Besonderheit weisen die mpmc zur Walzenbearbeitung mit zwei CNC-gesteuerten Beladungshilfen für Werkstücke auf“, erklärt Exenberger. „Neben diesen Beladungshilfen wurde außerdem mit einer CNC-gesteuerten Lünette gearbeitet.“ Auf eine weitere Besonderheit der Maschinen, die direkte Auswirkung auf die Werkzeugauslegung hat, weist Hofegger mit der in der Maschine vorhandenen B-Achse hin: „Diese B-Achse ermöglicht, dass der Anstellwinkel der Werkzeuge stets an die Bearbeitungssituation und die nötige Schnitttiefe angepasst werden kann. Dadurch können sehr hohe Vorschub- und Produktivitätswerte erreicht werden.“

Flexibel in beide Richtungen fahren

Verstärkt wird dies noch dadurch, dass man mit den Drehwerkzeugen flexibel in beide Richtungen fahren kann. „Außerdem ermöglicht die ebenfalls vorhandene Y-Achse, dass wir die Schneide über die Werkzeugachse setzen können, was eine deutlich höhere Stabilität der Werkzeuge zur Folge hat“, so der Teamleiter.

Die Herausforderungen für die Werkzeuge resultieren bei der Zerspanung der Walzen vor allem aus den hohen Werkstoffhärten sowie Schnitttiefen von bis zu 20 mm. Auch Materialinhomogenitäten können hinzukommen. Die entscheidenden Bewertungsgrößen für die Zerspanung liegen mit den Bearbeitungs- und Standzeiten sowie der hohen Prozesssicherheit auf der Hand. Unter diesen Prämissen hat Ceratizit ein Werkzeugpaket für die Bearbeitung der Hartgusswalzen geschnürt, zu dem Dreh-, Stech- und Fräswerkzeuge ebenso gehören wie Systeme für das Bohren, Gewindefräsen und Gewindebohren – allesamt Werkzeuge der Kompetenzmarken Cutting Solutions by Ceratizit, Komet, WNT und Klenk.

Komplettpaket für die Walzenbearbeitung

Konkret stehen dem Anwender beim Schwerdrehen mit den Schneidplatten LNMR 50 mit 50 mm, SCMT 38 mit 38 mm sowie SN 25 mit 25 mm Schneidenlänge zur Verfügung. Beim Stechen wird er das HX-System für Stechbreiten von 16 bis 60 mm einsetzen, um an den Zapfen die Schultern oder an einzelnen Walzen die geforderten Konturen herzustellen. Zu fräsen sind im Zapfenbereich der Walzen unter anderem Schlüsselflächen und Bohrungsradien. „Für solche Bearbeitungen finden Werkzeuge der Reihen AHDM zum Schwerfräsen und AHFC zum High-Feed-Fräsen, aber auch der Planfräser MaxiMill A271 sowie spezielle Radiusfräser Anwendung“, berichtet Peter Stebele, Prozessmanager Schwerzerspanung bei Ceratizit Austria.

Fräsen einer Schlüsselfläche mit dem Planfrässystem MaxiMill A271 von Ceratizit. Bilder: Weingärtner.

Ein Schlüsselwerkzeug

Den MaxiMill High-Feed-Fräser (HFC) schätzt er aufgrund seiner hohen Produktivität hier als Schlüsselwerkzeug ein. „Ausgerüstet mit zehn Schneiden, fährt dieser Fräser extrem hohe Zahnvorschübe bei kleinen Schnitttiefen, was eine hohe Produktivität ermöglicht. Zugleich schruppt der HFC-Fräser aufgrund seiner geringen Schnitttiefen besonders konturnah, sodass sich optimale Voraussetzungen für das Schlichten der Übergangsradien an den Schlüsselflächen ergeben.“ Beim Schlichten der Schlüsselflächen bringt Ceratizit außerdem VHM-Schaftfräser sowie CBN-bestückte Schlichtfräser zum Einsatz. Im Bereich Bohren schließlich werden mit Ceratizit-Werkzeugen Durchmesser bis zu 155 mm bearbeitet, beim Tieflochbohren bis 60 x D. Dabei teilt sich das Spektrum auf in Wendeplattenbohrer vom Typ MaxiDrill MD900, die im Durchmesserbereich von 12 bis 63 mm durchgängig verwendet werden sowie in Vollhartmetallwerkzeuge für kleinere Bohrungen. Bei Werkstückgewichten von 18 t werden nicht zuletzt auch Gewinde bis hinunter zu M2 gefertigt.

Dieses Video zeigt den MaxiMill 491 im Einsatz auf drei verschiedenen Materialien: Stahl, Guss und Rostfreiem Stahl. Man sieht hier eine Vergleichsansicht der drei Bearbeitungsvorgänge auf dem jeweiligen Material.

Umfassender Service ist unabdingbar

Die mpmc für die Walzenbearbeitung wurden von dem Kunden inzwischen vorabgenommen. Nach der Verschiffung zum Bestimmungsort werden sie dort aufgebaut und endabgenommen – zusammen von Weingärtner und Ceratizit. Schließlich sei ein umfassender, zerspanungstechnisch kompetenter Service in den regionalen Märkten heute unabdingbar, ist man sich in beiden Häusern einig.

cd