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Messtechnik

Wie Messergebnisse im einstelligen µm-Bereich gelingen

Zuverlässige Messergebnisse in vollautomatisierten Produktionslinien? Peter Mösle von Blum-Novotest, erklärt wie es mit der M4P-Software gelingt.

Zuverlässige Messergebnisse in vollautomatisierten Produktionslinien zu erhalten ist eine Herausforderung für Messmaschine und Software. Blum-Novotest verfügt dabei über viel Erfahrung. Peter Mösle, Bereichsleiter Vertrieb Messmaschinen, erklärt worauf es ankommt.

Gerhard Maier: Herr Mösle, wie haben sich gerade im Automobilbereich die Anforderungen des Marktes an die Messtechnik verändert?

Peter Mösle: Unsere Messmaschinen sind Teil der Produktionslinien, daher wirken sich Veränderungen in den Bearbeitungszentren oft direkt auf unseren Zuständigkeitsbereich aus. Vor allem die stetigen Taktzeitreduzierungen, aber auch die immer enger werdenden Toleranzen sind Aufgaben, die wir lösen müssen. Wo früher Zehntel- oder maximal wenige Hundertstel-Millimeter in den Werkstückzeichnungen angegeben wurden, bewegen sich die Forderungen heute im einstelligen µm-Bereich. Außerdem spielt die Wiederholgenauigkeit, also die Fähigkeit, das 5. oder 5.000. Werkstück reproduzierbar zu ermitteln, eine entscheidende Rolle. Und letztendlich müssen all diese ermittelten Ergebnisse mit Verknüpfung zum Werkstück dokumentiert werden. Dazu kommen neben diesen technischen Anforderungen die hohe Flexibilität seitens Typenvielfalt sowie die langjährige und funktionssichere Betriebsdauer – und das bei einem möglichst niedrigen Anschaffungspreis. Mit dem Einzug der Elektromobilität werden die Karten neu gemischt.

Wachsende Anforderungen an Messergebnisse

Die Karten werden neu gemischt? Können Sie das noch etwas genauer ausführen?

Peter Mösle: Die Anzahl der Teile nimmt durch die Elektromobilität in der Regel deutlich ab. Ein gutes Beispiel für den Wandel sind Nockenwellen: Sie hatten sich in den letzten Jahren von geschmiedeten oder gedrehten Bauteilen zu sogenannten „gebauten Wellen“ entwickelt. Mit der Elektromobilität bleibt die Welle als Teil des Rotors erhalten – aber ohne Nocken, dafür mit anderen Merkmalen höchster Präzision, die geprüft und bewertet werden müssen. Auch bei den von uns am häufigsten ausgelieferten Bremsscheiben-Messmaschinen ändern sich die Anforderungen: Durch die Entwicklung dieser Bauteile sind wir mit neuartigen Materialkombinationen, Beschichtungen oder Bewertungsmerkmalen konfrontiert, für die wir bereits kundenspezifische Lösungen als Ergänzung unserer modularen Maschinenkonzepte geliefert haben.

Und was unterscheidet speziell die Bremsscheiben-Messmaschine von anderen Lösungen?

Peter Mösle: Neben den rein geometrischen Merkmalen Länge, Höhe, Durchmesser etc. sind gerade die Form- und Lagemerkmale heute von großer Bedeutung. Kreisform von Durchmessern, Rundläufe zu Bezugsachsen oder -flächen und bei der Bremsscheibe besonders die gleichbleibende Dicke des Reibrings ‚DTV‘ – englisch ‚dynamic thickness variation‘ – werden heute viel öfter gefordert als in der Vergangenheit. Seit einigen Jahren muss die Messmaschine auch die Rissprüfung, Eigenfrequenzprüfung oder die Prüfung der speziellen Beschichtungen auf dem Reibring der Bremsscheibe abdecken und dokumentieren. Die Korrekturschnittstelle zur Rückmeldung an die Fertigungsmaschine für einen geschlossenen Regelkreislauf – heute ein Stichwort beim Thema Industrie 4.0 – ist bei Blum-Novotest schon lange ein verfügbarer Standard. Die Messmaschine wird damit von einer Einzelstation zu einer eigenen, aber voll vernetzten Anlage in der Fertigungslinie.

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Die Anforderungen an die Messergebnisse der Blum-Bremsscheiben-Messmaschine wachsen stetig.

Voll vernetzt bedeutet, dass der Software eine tragende Rolle zukommt. Welche Möglichkeiten bietet da die im letzten Jahr vorgestellte Blum-Lösung M4P?

Peter Mösle: Die Software ermöglicht die schnelle und effektive Realisierung der eingangs erwähnten Anforderungen. So lässt sich beispielsweise die Präzision mit Wiederholgenauigkeit nur durch eine hohe Auflösung und Abtastrate realisieren. Außerdem vereinfacht M4P durch verschiedene Schnittstellen die Integration in die Linienautomation oder der Bearbeitungsmaschine.

Und welchen Vorteil bietet sie in einer vollautomatisierten Produktionslinie?

Peter Mösle: Integriert in vollautomatisierte Produktionslinien dokumentieren sie die Qualität jedes gefertigten Bauteils, wodurch fehlerhafte Teile sofort ausgeschleust und zudem ein geschlossener Regelkreis zur Steuerung der Bearbeitungsmaschine realisiert werden kann. M4P erfüllt auch die Prüfprozesseignung und Messunsicherheits-Betrachtung nach VDA Band 5 des Verbands der Automobilindustrie.

Software ist der Schlüssel zum Erfolg

Außerhalb eines klimatisierten Messraums sind die Herausforderungen hoch, um zuverlässige Messergebnisse zu erzielen. Welchen Anteil hat M4P an der Erzeugung zuverlässiger Ergebnisse?

Peter Mösle: M4P verfügt über intelligente Berechnungs-Algorithmen. Bei jedem Messwert muss die Messunsicherheit berücksichtigt werden, die beispielsweise durch Temperaturschwankungen, Antasteinflüsse oder Schmutz entsteht. Beträgt die Messunsicherheit 1 µm bei einer Toleranz von 10 µm, so steht für die Fertigung effektiv nur eine verbleibende Toleranz von 9 µm zur Verfügung. Die Schwierigkeit liegt nun darin, diese Messunsicherheit für jedes Merkmal exakt zu bestimmen, da sie variieren kann. Insbesondere bei dynamischen Durchmesser-Messungen ist dies wichtig, da zusätzlich die Rotationsachse kompensiert werden muss. Die Berücksichtigung der Messunsicherheit und die verbesserte Korrekturstrategie führen zu einer höheren Prozessstabilität.

Das klingt kompliziert. Ist es da für den Anwender nicht schwer, die ganze Stärke der Software zum Einsatz zu bringen?

Peter Mösle: Das Gegenteil ist der Fall. Die intuitive Bedienoberfläche ermöglicht dem Bediener mit entsprechender Berechtigungsstufe auch schnell bestehende Programme zu editieren oder neue Programme anzulegen. Implementierte Funktionen zur schnellen Ermittlung der Messunsicherheit, die parametrierbare Datenausgabe mit K-Feldern im QDAS-Format sowie speziell die AQDEF-Funktion decken die Anforderungen der Automotive-Branche voll ab. Individuell konfigurierbare Ansichten im Betrieb – inklusive schneller Analyse von Live-Daten – unterstützen den Anwender zudem.