Image
Schon einen sechsstelligen Betrag eingespart: Die Walter Tool Crib ist beim kanadischen Öl- und Gasförderungsausrüster Apollo seit März 2023 in Betrieb. 
Foto: Walter
Schon einen sechsstelligen Betrag eingespart: Die Walter Tool Crib ist beim kanadischen Öl- und Gasförderungsausrüster Apollo seit März 2023 in Betrieb. 

Thema der Woche 14/2023

Werkzeugkiste der Zukunft – spart sechsstelligen Betrag

Integriertes Tool- und Data-Management für mehr Prozesseffizienz in der Zerspanung: Walter macht das Tool-Management bei Apollo fit für das 21. Jahrhundert. 

Der kanadische Öl- und Gasförderungsausrüster Apollo ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Als nicht zu unterschätzendes Problem entpuppte sich dabei der Bereich Werkzeugausgabe und -management. Die bisherige Lösung konnte das massive Wachstum nicht mehr effizient bewältigen. Seit März 2023 arbeitet Apollo mit einer digitalen Tool Management-Lösung, die alle Bereiche abdeckt. Federführend bei der Entwicklung und Implementierung waren die Zerspanungsspezialisten Walter aus Tübingen. Gemeinsam mit dem Werkzeugdatenverwaltungs-Anbieter TDM Systems und Omega TMM, einem weltweit führenden Anbieter von Werkzeugmesslösungen einschließlich Voreinstellgeräten, wurde ein kompletter Prozesskreislauf konzeptioniert und umgesetzt – maßgeschneidert auf die Anforderungen von Apollo. Stand August 2023 spart das Unternehmen aufgrund von Effizienzgewinnen bereits einen sechsstelligen Betrag durch das neue Tool Management ein.

Fehlendes Tool-Management als Wachstumsbremse

Vor zwei Jahren, 2021, konnte Apollo Machine & Welding sein 50-jähriges Firmenjubiläum feiern. Angefangen hat alles mit einer handbetriebenen Drehbank in einer 25-m²-Werkstatt: Hier startete Robert Norton das Unternehmen Apollo. Heute arbeiten über 250 gut ausgebildete Fachleute und Ingenieure bei Apollo Machine & Welding Ltd. an zwei Standorten. Am Standort in Edmonton konzentriert man sich auf knapp 1.200 m² Fläche vor allem auf die Metallbearbeitung mit Schwerpunkt auf zerspanenden Verfahren. Am Standort Leduc auf Laser-Pulver-Auftragsschweißen (Laser Cladding). Apollo Machine & Welding arbeitet vor allem für Unternehmen aus den Bereichen der Gas- und Ölindustrie, Papierherstellung, Bergbau, Energieerzeugung und Landwirtschaft. Das Leistungsspektrum des Unternehmens umfasst von der hochpräzisen Herstellung kleinteilig geformter Stifte und Zapfen bis hin zum Zerspanen großer Konstruktionsteile mit hohem Materialabtrag fast die komplette Bandbreite von Zerspanungsanwendungen. Entsprechend umfangreich und vielfältig ist der Werkzeugbestand, mit dem man bei Apollo arbeitet. Bis zu einer bestimmten Größe des Unternehmens konnte man bei Apollo die Werkzeugverwaltung und das Management der Werkzeugdaten noch mit recht einfachen Bordmitteln selbst lösen. Mit dem dynamischen Wachstum der letzten Jahre kam das System jedoch deutlich an seine Grenzen.

Wayne Norton, CEO von Apollo Machining & Welding, beschreibt die Situation: „Apollo stand vor mehreren Herausforderungen in der Werkzeugverwaltung. Unser Werkzeugbestand und dessen Verwaltung hat nicht mit unserem Wachstum Schritt gehalten und wir konnten auch nicht so einfach skalieren. Das hat zu teilweise erheblichen Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Aufträgen geführt und die Neuausrichtung unserer Instandhaltungs- und Beschaffungsstrukturen behindert. Um im heutigen Geschäftsumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, war es für uns von entscheidender Bedeutung, die Kosten zu senken und die Effizienz zu maximieren.“

Vision: Tool-Management des 21. Jahrhunderts

Einen großen Teil seiner Zerspanungswerkzeuge bezieht Apollo bereits seit Jahren vom deutschen Premium-Anbieter Walter. 2008 startete die Zusammenarbeit, 2015 installierte Walter die ersten Werkzeugausgabe-Systeme Walter Toolstation in den Apollo Produktionsgebäuden und übernahm die Werkzeugversorgung. Der Vorteil der Walter Toolstation gegenüber dem bisherigen System: Die Toolstation registrieren digital, welche Werkzeuge ausgegeben und wieder zurückgebracht werden. Die für die Werkzeugverwaltung zuständigen Personen wissen so immer, wie ihr Bestand tatsächlich aussieht. Sich anbahnende Engpässe können vermieden werden, genauso wie überflüssige Bestellungen, weil an Maschine A Werkzeuge fehlen, aber niemand weiß, dass es davon noch genug an Maschine B gibt. Außerdem lassen sich Laufwege innerhalb der Werkshallen verringern, da die Walter Toolstation gut dezentral aufgestellt werden kann.

Die von Paul Clarke, verantwortlich für die Tool Management Projekte in Americas, bei der Konzepterstellung prognostizierten Effizienzgewinne konnte man auch tatsächlich realisieren: Werkzeugkosten und -bestand wurden deutlich gesenkt, die Maschinenverfügbarkeit der Werkzeuge gleichzeitig erhöht. Der Erfolg dieses ersten Schritts hin zu einem umfassenden, digital basierten Tool Management System gab dann auch den Ausschlag für Wayne Norton und sein Managementteam, Walter die komplette Neugestaltung des gesamten Werkzeug-Managements sowie des Werkzeugdaten-Managements anzuvertrauen. Die Vision: einen geschlossenen und vor allem digitalen Prozessfluss realisieren, der sämtliche Abteilungen integriert. Eine echte 21st Century Tool Crib.

Paul Clarke erklärt, was das Projekt auch für Walter zu einem qualitativen Sprung im Bereich Tool Management Systemlösungen macht: “Die Verantwortlichen bei Apollo waren bereit, sich auf einen Lösungsansatz einzulassen, der nicht nur die eingespielten Tool Management-Prozesse im Unternehmen revolutioniert. Ihre Vision einer 21st Century Tool Crib hat unser Team inspiriert, über unsere eigenen Kompetenzen hinaus zu denken und an einer umfassenden Lösung zu arbeiten – von der Werkzeugverwaltung und Ausgabe über die Erfassung und Übertragung der Werkzeugdaten und der Voreinstellungen in die NC-Programmierung. Mit den richtigen Partnern wie Omega TMM und TDM Systems war dies möglich.”

Change Management nicht unterschätzen

Bei der Planung und Umsetzung solcher Projekte greift Walter auf eine über 15-jährige Erfahrung im Bereich Tool Management und dem entsprechendem Projekt Management zurück. Ein wichtiges Thema, das auch bei Apollo von Anfang an sorgfältig bedacht wurde, ist dabei das Change Management – der zielgerichtete Einsatz von Maßnahmen, um Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Marcus Schur, Head of Tool Management Solutions bei Walter, sieht darin den Schlüssel zum Erfolg: „In jedem Unternehmen gibt es Menschen, die solchen Veränderungen positiv gegenüberstehen und die Chancen erkennen. Es gibt aber oft mindestens genauso viel Skepsis oder sogar offene Ablehnung. Unsere Aufgabe ist es, diese Menschen mitzunehmen und einzubinden, um Projekte erfolgreich umzusetzen.“ In der Praxis bedeutete das vor allem: Zuhören, Zeigen, Zusammenarbeiten. Gleich zu Beginn wurden die Schlüsselpositionen im Unternehmen identifiziert und in die Planung involviert. Marcus Schur, der bereits bei der Tool Management Einführung 2015 involviert war, erinnert sich: „Es gab bereits Optimierungsprojekte bei Apollo, die aber oft nie vollständig umgesetzt wurden. Unser Ansatz und Versprechen an Apollo war: Wir verkaufen hier keine Hard- oder Software – Wir verkaufen eine Lösung! Und für die sind wir vom ersten bis zum letzten Schritt verantwortlich. Ein professionelles Change Management gehört da einfach dazu, sonst bleibt es am Ende eine Vision.“

Image
Die hochmodernen Solis-Maschinen von Omega TMM vervollständigen die Walter Tool Crib. 
Foto: Walter
Die hochmodernen Solis-Maschinen von Omega TMM vervollständigen die Walter Tool Crib. 

Herausforderung: Unterbrechung der Lieferketten

Ursprünglich war geplant, dass das Projekt 21st Century Tool Crib bereits 2020 in den Realbetrieb geht. Dann kam die Covid 19-Pandemie und machte diesem ambitionierten Zeitplan ein Ende. Der Kontakt zwischen den beteiligten Teams konnte phasenweise nur virtuell stattfinden, was die Zusammenarbeit erschwerte. Wirklich massive Verzögerungen in der Umsetzung ergaben sich aber erst durch die Auswirkungen der Pandemie auf die internationalen Lieferketten. Denn das Projekt bei Apollo hat nicht nur eine digitale Seite: Um das neue Konzept überhaupt realisieren zu können, benötigte Apollo auch neue Hardware, und die nicht nur in der Form neuer Mess- und Voreinstellmaschinen sowie den Werkzeugausgabesystemen: Herzstück des Ganzen ist der Neubau der Werkzeugausgabe, der Tool Crib, mitten in der Produktionshalle in Edmonton. Wayne Norton erinnert sich: „Die größte Herausforderung, mit der wir beim Bau der neuen Werkzeugausgabe konfrontiert waren, war die Unterbrechung der Lieferkette nach der Pandemie. Bei der Baumaterialversorgung ist es ständig zu Verzögerungen gekommen, was unsere ursprünglichen Zeitpläne über den Haufen geworfen hat.“

Daniel Kennedy, Verantwortlicher Tool Management Projekt Manager von Walter vor Ort, ergänzt: „Die Phase, in denen wir von externen Ereignissen behindert wurden, auf die wir sehr wenig Einfluss hatten, war manchmal sehr frustrierend. Aber wir haben sehr schnell die einzelnen Schritte und Zeitpläne an die schwierigeren Bedingungen angepasst. Wir hatten das Projekt wegen seines riesigen Umfangs und seiner Komplexität sowieso schon in viele kleinere Einzelschritte aufgeteilt. Dadurch konnten wir auf Verzögerungen in der Lieferketten flexibel reagieren.“

Systemwechsel im laufenden Betrieb

Eine weitere Herausforderung des Projekts: In jeder Phase, von der Planung bis zu den tatsächlichen Bauarbeiten und der Installation und Inbetriebnahme der Hardware, lief der eigentliche Betrieb in Edmonton weiter. Hier den Überblick zu behalten, war nicht immer leicht. Daniel Kennedy und sein Team sind auch entsprechend stolz darauf, was sie gemeinsam mit Apollo Machine & Welding und den Partnern von Omega TMM und TDM Systems auf die Beine gestellt haben. Als Projektleitung war Walter auch verantwortlich für Geschäftsbereiche, die nicht zu den traditionellen Tooling Awareness-Bereichen gehören, wie der Planung und Umsetzung von Größe, Layout und Ausstattung des neuen Tool Crib sowie der Umsetzung vor Ort. In der Verantwortung von Walter lag auch, welche Messgeräte sowie Lager- und Logistik-Infrastruktur von welchen Herstellern ausgewählt wurden. Vor allem das Werkzeugdaten-Management und dessen Integration in die NC-Programmierung, sowie in die Mess- und Voreinstell-Systeme handelt es sich um zentrale Elemente des Projekts. Hier muss nicht nur die technische Ebene stimmen, sondern auch die Chemie zwischen den Projektteams auf beiden Seiten.

Als bestmöglicher Partner Partner für das Voreinstellung kam für Apollo und Walter schnell eigentlich nur Omega TMM infrage. Das Unternehmen mit Sitz in Rochester, New York, ist Marktführer in Nordamerika und China und ein Vorreiter in der Digitalisierung von Fertigungsprozessen. Ryan Meleg, VP Global Sales and Product Development bei Omega TMM, beschreibt die enge Zusammenarbeit zwischen seinem Team und Walter, aus der mittlerweile eine feste Kooperation geworden ist: „Nach intensiver Beratung und Informationsaustausch zwischen uns und dem Walter Team bei Apollo haben wir uns gemeinsam für den Einsatz von zwei Omega-TMM Solis-Maschinen entschieden. Die Solis ist das schnellste, zuverlässigste und genaueste Schrumpfgerät im Markt. Auf ihnen läuft unsere neue Optik Software inklusive AAIM und es gibt eine Schnittstelle zur Werkzeugdatenverwaltung TDM Global Line. Sie sind der Grundstein des ganzen Projekts und die Basis für einen nahtlosen digitalen Prozess im Bereich Werkzeugvermessung, Aufspannung und NC-Programmierung.“

Rüstzeiten um 70 % reduziert

Seit März 2023 ist die neue Werkzeugausgabe bei Apollo Machine & Welding tatsächlich im realen Betrieb, die neuen digitalen Prozesse werden Zug um Zug in alle Abteilungen des Unternehmens eingeführt. Bereits in der Einführungsphase der neuen Tool-Management-Prozesse von Walter hat Apollo bereits erhebliche Verbesserungen registriert. In den Bereichen, in denen das Verfahren derzeit eingesetzt wird, haben sich die Rüstzeiten um bemerkenswerte 70 % reduziert. Das bestätigt nun in der Praxis die Wirksamkeit des neuen Ansatzes und unterstreicht die positiven Auswirkungen für die Produktionsabläufe bei Apollo. Eine Ausweitung der Prozesse auf weitere Produktionsbereiche ist geplant. Eine tiefgreifende Analyse der schon bestehenden Daten wird die Grundlage für die Integration sein. Das Ziel ist, alle Werkzeuge in das Management System einzubinden und damit Standzeiten und andere wichtige Parameter für die Effizienz der Produktionsprozesse zu erfassen und auswertbar zu machen. Wayne Norton, CEO von Apollo Machine & Welding, sagt: „Durch die aktive Verwaltung der Werkzeugstandzeiten können wir die Werkzeugnutzung optimieren, die Effizienz steigern und Ausfallzeiten minimieren. Wir sind von den bisher erreichten Ergebnissen begeistert und freuen uns darauf, die aus der Datenanalyse gewonnenen Erkenntnisse für weitere Verbesserungen zu nutzen und einen erfolgreichen Übergang zum Echtbetrieb in unserer gesamten Werkstatt sicherzustellen.” (red)