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THEMA DER WOCHE 30/2020

„Die Politik darf nicht bremsen“

„Der Abschwung hatte sich Mitte 2019 angekündigt, weit vor Corona. Weil die Politik die Weichen falsch stellt.“ Markus Horn erklärt die jetzt nötigen Kurskorrekturen.

2017 in das Familienunternehmen Paul Horn GmbH als Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung eingestiegen. Seit 2018 ist Markus Horn in der Geschäftsführung des Werkzeugherstellers Paul Horn GmbH, seit Mitte 2019 ist er Präsident des europäischen Werkzeugverbandes ECTA. "Wir als europäischer Dachverband kümmern uns erfolgreich darum, die Hersteller von Zerspanwerkzeugen und Spanntechnik international zu vernetzen und europäische bzw. globale Themen zu adressieren", erklärte Markus Horn im Januar bei der Pressekonferenz des VDMA-Fachverbandes Präzisionswerkzeuge. Seitdem hat sich durch Corona und die E-Mobilität viel geändert. Viele KMUs stehen bereits mit dem Rücken zur Wand. Markus Horn sagt, was sich jetzt sofort ändern muss.

Herr Horn, Corona hat uns seit drei Monaten fest im Griff. Die Räder stehen fast still. Wie ist Ihr Plan?

Wir schauen, dass wir Corona natürlich so gut wie möglich überstehen. Oberste Prämisse ist, dass wir handlungsfähig bleiben müssen. Nur so können wir unsere Kunden beliefern, damit die wiederum ihre Kunden bedienen und beliefern können.

Das heißt: Sie schauen deutlich über den eigenen Tellerrand hinaus?

Das ist doch unsere Aufgabe. Die Wertschöpfungskette muss wieder funktionieren. So schnell wie möglich. Wir als Werkzeughersteller haben da zwar eine kleine, aber entscheidende Position.

Was hat sich für den Werkzeughersteller Horn bis dato geändert?

Der automobile Lockdown hat uns natürlich massiv getroffen mit deutlichen Auftragsrückgängen und Stornierungen. Wir konnten intern mit Zeitarbeitskonten einiges abfedern, befinden uns jetzt aber auch wie die meisten Unternehmen der Präzisionswerkzeughersteller im Kurzarbeitsmodus.

Stellenabbau ist noch kein Thema?

Da sind wir noch ein gutes Stück davon entfernt. Als Familiengeführtes Unternehmen wissen wir um unsere Verantwortung gegenüber Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und der Gesellschaft. Darum haben wir für Investitionen in die Zukunft oder schlechte Zeiten in den letzten guten Jahren einen Puffer aufgebaut. Außerdem haben Industrieunternehmen gerade nicht die grundlegenden Probleme, die etwa die Tourismusbranche, Kultur- und Eventveranstalter beschäftigen.

Lässt sich schon ein Umsatzrückgang für 2020 beziffern?

Glücklicherweise ist die Zerspanungsbranche nicht so einseitig aufgestellt und nicht hauptsächlich von Personenkontakten und Treffen abhängig. Aber wir müssen gewarnt sein: Im Frühjahr lagen die Schätzungen vom VDW und VDMA ja noch bei 2 oder 3 Prozent Umsatzrückgang der Branche. Das hat sich massiv geändert. Momentan werden 6 bis 9 Prozent Rückgang des Bruttoinlandsproduktes in 2020 prognostiziert. Ein leicht negatives Ergebnis wäre für die meisten Unternehmen ein noch verkraftbarer Jahresabschluss. Von halbwegs positiv will ich in dieser Situation aber nicht mehr sprechen. Denn es gibt auch Prognosen, die Horn und wohl auch Deutschland und dem gesamten europäischen Raum deutlich mehr Sorgen bereiten würden und auch uns wohl zum Stellenabbau zwingen könnten. Das wären ein paar Prozentpunkte mehr. Glücklicherweise sind wir von diesen über 10-prozentigen Rückgang des BIP noch etwas entfernt.

Was tut Horn aktuell dagegen?

Wichtig für uns ist und bleibt nach wie vor die Mitarbeiterbindung. Mitarbeiter und deren Know-how sind unser heutiges und künftiges Kapital. Deswegen werden wir alles tun, um unsere Mitarbeiter halten zu können, besonders natürlich in Tübingen. Da wir mittlerweile aber weltweit gut aufgestellt sind, investieren wir und beschäftigen uns momentan natürlich mit Standorten, die eine gute Zukunftsperspektive haben. Ein gutes Beispiel ist unsere Niederlassung in der Türkei. Dort wird wieder viel zerspant und auch in die umliegenden Länder bis in den Nahen Osten exportiert.

Okay. Aber zurück nach Deutschland: Was erwartet Horn aktuell von der Politik?

Mit Verlaub: Auszubildenden-Rettungsschirme, KfW-Kredite, die Corona-App oder die Nachhaltigkeitsforderungen der Umweltministerin für Investitionen werden uns nicht retten. Um viele Unternehmen jetzt wieder schnell handlungsfähig zu machen, braucht es jetzt unbürokratische Hilfen. Erst müssen die Unternehmen wieder Geld verdienen, dann können neue Mobilitäts- und Antriebskonzepte oder auch Batterien entwickelt werden. Das heißt: Die Politik müsste jetzt mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Industrieunternehmen unterstützen, damit möglichst wenig Mitarbeiter entlassen werden müssen, schnell wieder unser hohes Produktions- und Exportniveau erreicht wird, um mehr Umsatz und letztlich auch mehr Einnahmen samt maximalem Handlungsspielraum für den Staat entstehen zu lassen. Neue Umwelttechnologien einschließlich Nachhaltigkeit entwickelt die Industrie aus eigenem Antrieb ganz automatisch wieder von selbst. Man will ja Geld verdienen.

An was entwickelt Horn gerade?

Mit dem Trendthema Digitalisierung, digitaler Zwilling - vom Kundenauftrag im Webshop bis hin zur Lieferung und Verwendung beim Kunden - beschäftigen wir uns bereits seit langer Zeit und sind schon weit voran geschritten. Wir wollen aber gerade bei der Nachhaltigkeit zulegen, also die Ressourcennutzung in weiteren iterativen Schritten verbessern. Natürlich im Sinne unserer Kunden. Auf die technische Ebene runtergebrochen werden wir - da die AMB dieses Jahr ausfällt - im Herbst Neuentwicklungen vorstellen, die unseren Kunden helfen Geld, Zeit und Energie zu sparen. So viel kann ich jetzt schon versprechen. Und das ist wirklich ökonomisch und ökologisch und folglich nachhaltig.

Und wie kriegen wir die Politik zu weiterem nachhaltigen Denken und Handeln? Das E-Auto scheint sich manifestiert zu haben, wie auch der ‚Böse Verbrenner‘. Beides ist falsch, meine ich, weil das E-Auto doch erst nach 70.000 km mit einem besseren CO2-Footprint den Verbrenner überholt.

Das ist scheinbar nicht so einfach. Der offizielle Weg geht nur über die Verbände. Sowohl mit dem VDMA-Fachverband Präzisionswerkzeuge wie auch mit dem europäischen ECTA-Pendant zeigen wir in Frankfurt, Brüssel und Berlin regelmäßig Verbesserungspotenziale auf – und zwar relativ einfach umsetzbare, also machbare Verbesserungspotenziale. Wir sind sehr engagiert. Das Problem ist ja, dass ein jetzt neu beschlossenes völlig neues Mobilitätskonzept für Deutschland unsere nächsten Generationen nicht nur befördern und beschäftigen, sondern unter Umständen auch deutlich zurückwerfen wird. Kein anderer als die Politik ist dafür verantwortlich. Deshalb sollte unsere Politik gut beraten sein. Ich empfehle am besten von den Verbänden und der Industrie. Dort beschäftigen sich viele Vordenker und echte Problemlöser mit nichts anderem als der Zukunft der deutschen Industrie. Dass wir erfolgreich sind, beweisen die Exportquoten seit Jahrzehnten – und wer das nicht erfolgreich beherrscht, den gibt es nicht mehr.