Foto: Rüdiger Kroh

Entgraten

Mit Ultraschall berührungslos entgraten

Mit der Kraft der Schwingungen werden beim Ultraschall-Verfahren die Grate an Bauteilen entfernt. Der Prozess erfolgt berührungslos und automatisiert.

Das Entgraten von Knochenschrauben war der Ausgangspunkt zu einem neuen Verfahren mit Ultraschall und damit auch zu einer Unternehmensgründung. „Als wir im Jahr 2019 unsere Firma gegründet haben, gab es das erfolgreiche Jugend-forscht-Projekt zum Ultraschall-Entgraten unseres Sohnes Jonas, die wirtschaftliche Expertise meiner Frau sowie mein Wille, daraus ein Start-up zu formen“, sagt Dieter Münz, Geschäftsführer der Ultratec Innovation GmbH. Seit Juli 2022 ist man durch eine Mehrheitsbeteiligung ein Unternehmen der international agierenden Vollmer-Gruppe aus Biberach.

Bei jedem Zerspanungsprozess entstehen an Kanten, Kreuzbohrungen oder Oberflächen unliebsame Grate und Fasern. Diese werden beim Ultraschall-Entgraten berührungslos mit Hilfe von Schwingungen entfernt. Neben den gängigen Metallen lassen sich mit den Ultratec-Anlagen auch Komponenten aus verschiedenen Titan- und Nickellegierungen bis hin zu Messing und faserverstärkten Kunststoffen entgraten. „Wir haben dabei einen automatisierten und umweltfreundlichen Prozess“, betont Thomas Benzing, Vertriebsleiter bei Ultratec, im Gespräch mit der NCFertigung.

Schwingungen lösen die Grate ab

Bei dem Verfahren werden die zu entgratenden Bauteile von einem Roboter in einem Prozesswasserbecken in einem definierten Winkel entlang der Spitze einer fest verankerten Ultraschall-Sonotrode geführt. Angeregt durch einen Generator schwingt diese mit einer Frequenz von 20.000 Hz über 0,1 mm vor und zurück. Die erzeugten Schallwellen lösen Grate und Fasern prozesssicher ab. „Das Bauteil wird durch den Roboter in einer Entfernung von 0,3 bis 0,7 mm von der Sonotrode gehalten, sodass gezielt nur der Grat bearbeitet wird und nicht die weitere Oberfläche“, schildert Benzing. Weil keine Chemikalien verwendet werden, können Anwender das Prozesswasser problemlos und ohne weitere Aufbereitung entsorgen.

Roboter hält Werkstück oder Sonotrode

Die Ultraschall-Entgratanlagen gibt es in zwei Baureihen. Bei der Variante A hält der Roboter das Bauteil. So können Werkstücke bis zu einer Größe von 300 mm x 300 mm x 300 mm und einem Gewicht von 20 kg bearbeitet werden. Für Mikroteile mit Abmessungen ab 1 mm x 1 mm x 1 mm, die sich nicht von einem Roboter greifen lassen, wurde die B-Baureihe entwickelt, bei der die Sonotrode auf dem Roboterarm sitzt und entlang des Bauteils geführt wird. Die Gestaltung der Sonotroden gehört dabei zum Know-how von Ultratec. „Die Sonotroden sind immer an das zu entgratende Bauteil angepasst und ausgetestet“, erklärt Lukas Bohnacker von der Entwicklung.

Im Vergleich zu anderen gängigen Verfahren zeichnet sich die Ultraschall-Entgratung laut Ultratec dadurch aus, dass sie automatisiert, annähernd werkstoffunabhängig, berührungslos, energieeffizient sowie in einem validierbaren Prozess abläuft. Demgegenüber würden bei thermischen Verfahren beispielsweise Grate abgebrannt, was die Bauteile verfärben und verformen kann. ECM-Verfahren (elektrochemische Metallbearbeitung) seien bei kleinen Bauteilen oft nicht möglich, weil diese einen nicht definierbaren Materialabtrag bewirken. Und das Entgraten mit einem Hochdruckwasserstrahl benötige für vergleichbare Teile rund 20-mal mehr Energie als die Ultraschall-Entgratanlagen.

Schwerpunkt auf Präzisionsbauteilen

Das Programmieren der Ultratec-Anlage erfolgt ähnlich der CAM-Programmierung von Fräszentren und wird offline erstellt. Dabei wird eine Step-Datei des Bauteiles in das CAM-System geladen, grafisch positioniert, Kanten und Punkte definiert und danach ein klassischer Postprozessorlauf durchgeführt. Zudem kann die Bearbeitung vorab über einen digitalen Zwilling simuliert und der Entgratungsprozess überwacht werden, so das Unternehmen. Dies sorge insbesondere bei neuen Bauteilen für eine sichere und präzise Entgratung. Über IoT-basierte Fernwartungsmodule kann die Maschine webbasiert angesteuert werden, um etwa Störungen ohne einen Serviceeinsatz vor Ort zu beheben. Die Digitalisierung der Anlagen soll auch mit Unterstützung der Vollmer-Gruppe weiter ausgebaut werden.

Auf der Abnehmerseite liegt ein Schwerpunkt auf Präzisionsbauteilen für die Optik- oder Uhrenindustrie sowie die Medizintechnik. Die Bandbreite der zu bearbeitenden Werkstücke umfasst zudem Werkzeuge für die Zerspanung und reicht bis zu schweren Elementen, wie sie im Maschinen- oder Fahrzeugbau benötigt werden. „Bislang haben wir 21 Ultraschall-Entgratanlagen verkauft“, sagt Vertriebsleiter Benzing. Und damit steht das junge Unternehmen erst am Anfang.

Foto: Rüdiger Kroh Thomas Benzing (li.), Vertriebsleiter bei der Ultratec Innovation GmbH, und Lukas Bohnacker von der Entwicklung präsentierten die Ultraschall-Entgratanlage auf der Intec in Leipzig. 
Foto: Rüdiger Kroh In der Geometrie der Ultraschall- Sonotroden steckt das Know-how von Ultratec. 
Foto: Rüdiger Kroh Der Roboter führt hier das Bauteil in einem definierten Winkel entlang der Spitze einer fest verankerten Ultraschall-Sonotrode.