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Foto: NCFertigung

Kühlschmierstoff

Wieviel ökonomisches Potenzial bietet die Peripherie?

Eine ganze Menge, ist sich Winfried Eder sicher. Im Interview erklärt er, was richtiges Fluid-Management ausmacht und wie damit die Fertigung optimiert werden kann.

Gerhard Maier

Herr Eder, Sie waren viele Jahre bei BMW für den Bereich Fluidmanagement verantwortlich. Können Sie Ihr damaliges Aufgabengebiet etwas konkretisieren?

Ich war für alles rund um die eingesetzten Fluide veranwortlich. Also für den Einsatz und das Management der eingesetzten Kühlschmierstoffe in der Zerspanung. Das schloss Beteiligungen an Planungen von Anlagen und allen Prozessen bis zum temporären Korrosionsschutz und Entsorgung mit ein. Wichtig neben der Zerspanung war zudem das Thema Teilereinigung mit temporärem Korrosionsschutz.

Was waren dabei die wichtigsten Kriterien, die es zu beachten gab?

Im Bereich Reinigung stand natürlich die geforderte technische Sauberkeit im Mittelpunkt. Wichtig ist, egal ob es um Reinigung oder eingesetzte KSS geht, den Qualitätsschluss zu finden und dementsprechend zu steuern. Das ganze natürlich Audit-sicher und so wirtschaftlich wie möglich. Das geht nur, wenn man im Bereich Fluid-Management gut aufgestellt ist.

Was ist dann in Ihren Augen nötig, um dort gut aufgestellt zu sein?

Ich denke, der Begriff Fluidmanagement oder auch KSS-Management wird im Markt oft zu unterschiedlich interpretiert. Oft wird darunter nur das Befüllen, die Pflege und die Reinigung der Anlagen verstanden. Dazu kommt vielleicht noch die Durchführung der vorgeschriebenen Tests und Kontrollen. Ich verstehe unter Fluidmanagement allerdings mehr. In meinen Augen sollten alle Fluide auf jeden Fall so gut sein, dass sie nur wenig an Pflege bedürfen. Das ist die Basis. Das Fluidmanagement muss dann allerdings weiter greifen. Da darf man aus meiner Sicht das ganze Handling der Fluide nicht vom Gesamtprozess entkoppeln. Das bedeutet, dass man dabei sehr eng zusammen mit der Zerspanung die richtigen Konzepte entwickeln muss.

Sie sehen also einen großen Einfluss des KSS auf den Bearbeitungsprozess?

Ja. Um in Deutschland wirtschaftlich zu fertigen, sollten Sie ihre Prozesse auf die Spitze treiben. Seien es Vorschubwerte oder Drehzahlen - darauf was machbar ist, hat der KSS einen sehr großen Einfluss im Zusammenhang mit den eingesetzten Werkzeugen. Das kann im gesamten Produktionsprozess zu sehr großen Unterschieden führen. Plakativ ausgedrückt, spielt es schon eine Rolle, ob Sie eine bestimmte Stückzahl in nur einer Schicht, oder aber in zwei fertigen können. Der Einfluss des KSS ist dabei nicht unwesentlich. Für die Wettbewerbsfähigkeit spielen die Lohn-Stückkosten eine große Rolle. Daher ist es aus meiner Sicht unumgänglich, eingesetzte Kühlschmierstoffe eng mit dem Zerspanungsprozess zusammenzubringen. Das ist aber nicht immer einfach. Wir müssen uns dann, neben beispielsweise der KSS-Standzeit, auch mit dem Einfluss des KSS auf die Werkzeugstandzeit auseinandersetzen. Eine enge Kooperation zwischen KSS-Hersteller und Anwender ist also notwendig. Die Vorgaben sollten aber immer vom Anwender kommen.

Aber wie hoch kann der Einfluss des KSS wirklich auf die Werkzeugstandzeit sein?

Das hängt natürlich stark davon ab, wie der Prozess zum betrachteten Zeitpunkt aufgestellt ist. Ich denke aber, dass der KSS die Standzeit eines Werkzeugs zwischen 10 und 40 Prozent beeinflussen kann. Natürlich hängt das auch vom Material und der zu erzielenden Stückzahl ab. Dazu muss eben eng zwischen Anwender, Werkzeughersteller und KSS-Hersteller kooperiert werden.

Aber da hat man natürlich als OEM andere Möglichkeiten als kleine und mittelständische Betriebe…

Das stimmt einerseits natürlich schon, allerdings sind die Anforderungen an alle gleich: eine wirtschaftliche, konkurrenzfähige Fertigung in Deutschland betreiben zu können. Dabei ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Fluid und dessen Management ein nicht unwesentlicher Aspekt, der manchmal auch unterschätzt wird. Natürlich ist das auch komplex. Das geht über den Einsatz des richtigen KSS, die passende Additivierung im Zusammenhang mit dem Prozess und der gewünschten, Prozessparameter, die Filtration und Aufbereitung bis hin zum Thema Reinigung und temporären Korrosionsschutz. Fakt ist, dass eben in diesem Segment ein großes Potenzial liegt, Teile besser und schneller, also wirtschaftlicher zu fertigen. Das heißt, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik unabhängig von der Unternehmensgröße viele Vorteile bringt.

Wie Sie schon sagten, ist das sehr komplex. Darum möchte ich einmal etwas herausgreifen. Welche Eigenschaften eines KSS bringen denn so eine Fertigungsoptimierung am ehesten voran?

Das kann man so nicht auf einzelne Parameter zurückführen. Wenn ich eine Leistungssteigerung im Prozess erzielen will, muss ich sehen, dass der eingesetzte KSS dafür so geeignet ist und seine Grundeigenschaften behält. Schaumwirkung, Schmutztragevermögen und natürlich muss die Emulsion Stand halten. Da ist der pH-Wert das wesentliche Kriterium und die Biostabilität. Wenn hier schon Schwierigkeiten auftreten, ist man möglicherweise schon auf dem falschen Weg. Ausgehend von dieser Basis kann man ansetzten und sehen ob sich die Formulierung noch etwas ändern lässt um mit verbesserten Prozessparametern zu arbeiten. Da gibt es dann bezüglich der Machbarkeit Unterschiede bei den Kühlschmierstoffen. Wenn ich aber beispielsweise mit höheren Vorschüben arbeiten will, habe ich es natürlich mit höheren Temperaturen zu tun, mit denen der KSS dann auch noch umgehen können muss. Dazu braucht es auf jeden Fall einen KSS, der schon von vorn herein auf einem guten Leistungsstand ist. Das hängt in der Regel von der passenden Additivierung oder dem Esthergehalt ab. Es gäbe viele mögliche Stellschrauben. Das Problem ist, die verschiedenen Einflussfaktoren zusammenzuführen. So testet oft der Werkzeughersteller seine Werkzeuge mit einem Standard-Werkstoff, der KSS-Hersteller sein Produkt mit einem Standardwerkzeug. Dazu kommen noch die anwenderspezifischen Prozessparameter. Am Ende hat auch das Controlling noch bestimmte Kostenvorstellungen. All das sind isolierte Blickwinkel und Vorstellungen. Das aber kann am Ende nicht optimal funktionieren. Eine Prozessoptimierung lässt sich nur über eine enge Abstimmung aller Beteiligten erreichen.

Man hört das ja von allen Seiten, dass in diesem Zusammenhang mehr miteinander kommuniziert werden muss. Um den ganzen Nachbearbeitungsvorgang noch mit ins Spiel zu bringen, denke ich da noch an die Teilereinigung bis hin zum Korrosionsschutz. Woran scheitert in ihren Augen einen Enge Abstimmung zwischen den Beteiligten?

Gut, man darf nicht vergessen, dass natürlich Vermarktungsinteressen mit im Spiel sind. Aber auch die Hersteller wissen, dass für optimal funktionierende Gesamtprozesse eine enge Kooperation nötig ist. Und mittlerweile tut sich da auch etwas. Es gibt Hersteller, die nun bewusst diesen Weg gehen und hier diesen Schulterschluss suchen um die Produkte für die jeweiligen Anwendungen zu optimieren. Betrachtet man den Reinigungsprozess allein, ist das schon sehr komplex. Bekomme ich die Teile sauber? Welche Temperatur ist für die Reinigungsaufgabe am besten? Bekomme ich die Teile rechtzeitig trocken? Funktioniert der Korrosionsschutz? Da gibt es viele Möglichkeiten und leider wird hier oft zu viel Geld unnötig ausgegeben.

Natürlich hängt auch der Reinigungsprozess wieder mit der Beschaffenheit des vorher verwendeten KSS zusammen. Dem Anwender muss klar sein, dass eine Veränderung an irgendeiner der möglichen Stellschrauben auch Veränderungen an anderen Stellen im Prozess bedingen. Allgemein betrachtet, muss man dabei immer Kompromisse schließen. Daher muss der Anwender vorher seine Grundanforderungen kennen, von denen er nicht abweichen will, wie etwa die zu produzierende Stückzahl und die dazugehörige Werkstückbeschaffenheit. Von dieser Basis gilt es die Anbieter von KSS- oder Reinigungslösungen mit ins Boot zu holen. Idealerweise auch den Werkzeughersteller.

Um jetzt wieder den Sprung zurück zum Fluidmanagement zu machen, Was braucht es, um diese Prozesse zu managen?

Da möchte ich wieder zu meiner anfänglichen Aussage zurück. Der erste Schritt ist die richtige Betrachtungsweise, was Fluidmanagement eigentlich ist. In meinen Augen ist das die Betrachtung der Fertigung, am besten schon im Vorfeld und natürlich auch während des laufenden Prozesses. Zudem kommen noch Prozesse im Nachgang hinzu, die möglicherweise erst Kosten verursachen, sich aber am Ende auszahlen.

Wie muss ich das verstehen?

Wir haben immer darauf geachtet, den eingesetzten KSS nicht tauschen zu müssen. Ein Austausch erfolgte lediglich „schleichend“ über den Nachsatz. Trotzdem haben wir großen Wert auf die Reinigung der Anlage gelegt. Auch wenn das Kosten verursacht, zahlt sich das am Ende aus. Einmal im Jahr sollte das unbedingt gemacht werden. Andernfalls können Probleme entstehen, die dann an den unterschiedlichsten Stellen des Prozesses auftauchen und letztlich wesentlich größere Schäden anrichten können. Betrachtete man das Ganze über einen Zeitraum von 5-6 Jahren, zahlt sich die regelmäßig Reinigung in meinen Augen auf jeden Fall aus. Natürlich sollte man dazu Zeiten nutzen, die größere Stillstände in der Produktion vermeiden, wie etwa den Jahreswechsel.

Da sprechen wir jetzt aber von Vollstromkühlung. Gesetzt den Fall ich verwende MMS. Ist da der Reinigungsaufwand vergleichbar?

Wir sprechen da schon von Vollstromkühlung. Beim Einsatz von MMS ist der Aufwand um einiges höher. Sie müssen Teile Zwischenreinigen, damit sie die Maßhaltigkeit messen können. Auch die Bearbeitungsmaschinen müssen in einem ganz anderen Turnus gereinigt werden. Der Instandhaltungsaufwand ist insgesamt also letztlich höher beim Einsatz von MMS.

Noch ein Umstand der die Angelegenheit sehr komplex macht. Da möchte ich noch einmal auf kleinere und mittelständische Unternehmen zurückkommen. Wie können diese sich denn bei all der Komplexität behelfen?

Wie gesagt, das wichtigste ist die Sensibilisierung für das Thema und das Verständnis dafür, dass dort viel Potenzial verborgen liegt. Natürlich muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen und ein gewisses Wissen aufbauen. Für die Tägliche Praxis gibt es dann natürlich heute geeignete Hilfsmittel. Dazu kann man sich natürlich das Know-how ins Haus holen und auch mit Software oder Datenbanken arbeiten, die gut auf die Prozesse und die Digitalisierung, wie Industrie 4.0, zugeschnitten sind. Mit Isoware haben wir für uns die passende Software gefunden. Die ist eng an den Prozess gebunden, da sie von der Instandhaltungsseite kommt. Zudem lässt sie viele Anpassungen zu und ist sehr transparent. Aber am wichtigsten ist mir, zu vermitteln, dass es sich auch für kleine Betriebe lohnt, ein entsprechendes Wissen aufzubauen und das ganze Thema Fluid und Fluid-Management bei der Prozessoptimierung mit zu berücksichtigen.