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Foto: Bernhard Foitzik

Thema der Woche 02/2020

Wie sieht die Zukunft der Steuerungen aus?

Fanuc produziert Hardware und ist einer der großen Steuerungshersteller. Welche Rolle Steuerungen zwischen I4.0 und KI spielen, erklärt Dr. Yoshiharu Inaba.

Herr Dr. Inaba, Fanuc ist weltweit sehr gut aufgestellt. Nur in Europa und vor allem in Deutschland sind die Marktanteile bei den Steuerungen vergleichsweise niedrig. Woran liegt das?

In Deutschland ist unser Marktanteil bei CNC-Steuerungen vielleicht etwas niedriger, aber in ganz Europa liegt er über 20%. Wir hatten früher vor allem auf den amerikanischen und asiatischen Markt fokussiert. Dadurch haben wir die Anforderungen und Wünsche der europäischen und deutschen Kunden bis vor einigen Jahren nicht erkannt. Das ist der Grund, warum unser Marktanteil in Europa so niedrig ist. Weltweit beträgt unser Marktanteil mit CNC-Steuerungen aber über 60%! Nur im europäischen Markt ist der Anteil so gering.

Was tut Fanuc dagegen?

Wir haben 2016 am Standort Neuhausen bei Stuttgart unser European Development Center eingerichtet, um die Wünsche und Bedürfnisse unserer europäischen und vor allem deutschen Kunden zu erfüllen und um Funktionen zu entwickeln, die unsere Kunden benötigen.

Aber der Marktanteil in Deutschland liegt immer noch unter 10%?

Um 10 %. Mal etwas drunter, mal etwas drüber. In Schweiz und Italien ist der Anteil viel höher, um die 50 %. Was unsere Roboter angeht, hatten wir schon immer den größten Marktanteil im europäischen Markt, obwohl auch dort sehr starke Wettbewerber zuhause sind.

Um so erfolgreich wie in Asien und Amerika zu sein, müsste Fanuc nicht eine eigene Steuerung für den europäischen Markt entwickeln?

Wir können dieselbe Hardware nutzen und auch der überwiegende Teil der Software bleibt gleich. Aber wir müssen die Software anpassen, um die Anforderungen der europäischen Kunden zu erfüllen und auch um unseren Marktanteil in Europa zu erhöhen.

Wäre eine rein europäische Steuerung sinnvoll?

Nein. Wir brauchen keine spezielle europäische Steuerung. Wir können die gleiche Hardware nutzen. Aber wir brauchen mehr Funktionalitäten speziell für 5-Achs-Steuerungen und die damit steuerbaren komplexen Werkzeugmaschinen. Vor allem, weil im europäischen Markt viele Werkzeugmaschinenhersteller sehr spezielle Kinematiken entwickeln. Das sind spezielle, ganz besondere Maschinen. Es gibt zum Beispiel Maschinen mit mehr als einhundert Achs-Servomotoren und Spindelmotoren. Solche Maschinen finden Sie außerhalb Europas kaum. Aber gerade für diese hochkomplexen Maschinen sollten wir auch passende Softwareoptionen entwickeln.

Welche speziellen Features brauchen Sie dafür?

Für diese speziellen Maschinen brauchen wir tatsächlich spezielle Funktionen. Aber das ist eine Frage der Software.

Sie hatten das europäische Entwicklungszentrum, das Fanuc in Neuhausen gegründet hat, erwähnt. Welche Effekte erwarten Sie dadurch kurz- und langfristig?

Damit wollen wir den Wünschen unserer europäischen Kunden sehr schnell nachkommen. In der Vergangenheit hat es einige Zeit gedauert, passende Lösungen für die Anforderungen der europäischen Kunden zu entwickeln, weil wir die Informationen zunächst an unser Forschungs-und Entwicklungslabor in Japan schicken mussten. Zwar können wir nicht alle Wünsche unserer europäischen Kunden über Nacht erfüllen. Aber wir wollen durch die Gründung unseres europäischen Entwicklungszentrums näher an den europäischen Kunden sein.

Was sind Ihre Ziele?

Wir peilen in Europa einen Marktanteil von 50% an. Das ist immer und in jedem Markt unser Minimum-Ziel. Das sind große Ziele, aber realistisch, wenn man die globalen Marktanteile betrachtet und sieht, dass Fanuc die Entwicklung von Antrieben und Steuerungen maßgeblich geprägt hat.

Video: Fanuc

Die CNC-Steuerung von morgen

Wie wird Ihrer Einschätzung nach die CNC-Steuerung von morgen aussehen?

Die CNC-Steuerungen von morgen werden noch intelligenter und noch flexibler sein und vor allem autonome Funktionen haben.

Umati könnte diesbezüglich ein bedeutender Schritt sein…

Das ist in der Tat so. Diese Universalschnittstelle ist sehr wichtig und spielt jetzt schon in der Entwicklung bei Fanuc eine bedeutende Rolle.

Wird mit Umati schon mittelfristig eine massive Standardisierung im Werkzeugmaschinenbereich Einzug halten?

Umati ist eine sehr wichtige Schnittstelle, weil alle Firmen, Entwickler und Anwender künftig das gleiche Interface nutzen können. Für Fanuc eröffnet sich damit die Möglichkeit, das ganze Equipment in einer Fabrik unserer Kunden miteinander zu verbinden. Das wäre eine starke Triebfeder im Hinblick auf die Realisierung einer Smart Factory.

Wie weit wird diese Standardisierung gehen?

Gute Frage. Am Markt und bei unseren Kunden gibt es noch viel altes Fertigungs-Equipment. Wir entwickeln Technologien, um solche alten Systeme ebenso wie Geräte anderer Hersteller zu verbinden. Dann lassen sich Daten und Prozesse über die ganze Fertigungskette optimieren. Das braucht aber Zeit, vielleicht sogar 20 oder 30 Jahre.

Bleiben noch die Innovationen, mit denen Fanuc im europäischen Markt weitere Anteile hinzugewinnen könnte. Welche Schwerpunkte im Bereich Factory Automation und Maschinen wird Fanuc künftig setzen?

Zunächst verbessern wir die Geschwindigkeit und Genauigkeit, was bedeutet, dass wir die Performance von einzelnen CNC und Robotern verbessern. Und dann brauchen wir noch mehr Flexibilität, um eine sortenvariable Produktion umzusetzen. Wir entwickeln flexible Funktionen. Ebenfalls entscheidend ist die Operabilität. Unser ultimatives Ziel ist es, ohne menschliche Bediener auszukommen. Das bedeutet: Wir benötigen mehr KI-Funktionen – das heißt in erster Linie anspruchsvollere Funktionen Künstlicher Intelligenz.Werkzeugmaschinen und vor allem Roboter müssen noch intelligenter werden, denn der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt, weil die Menschen immer älter werden. Aus diesem Grund werden Roboter zusätzliche Aufgaben von menschlichen Beschäftigten übernehmen müssen.

Welche Rolle werden Ihrer Einschätzung nach dabei die Künstliche Intelligenz und das Machine Learning spielen?

Beides ist sehr wichtig. Machine Learning, vor allem Deep Learning, ist eine sehr wichtige Technologie, um KI-Funktionen zu realisieren. Wir treiben großen Aufwand, um unterschiedlichste KI-Funktionen für Roboter und Steuerungen zu entwickeln.

Es wird sich also viel verändern. Was glauben Sie, wie wird die CNC in 5 oder 10 Jahren aussehen?

In der Zukunft werden wir nur noch ein Gesamtsystem haben – das von CAD/CAM bis hin zur CNC-Steuerung reicht. Wir werden dann wohl keine NC-Programme mehr schreiben müssen. Wir müssen nur die Daten von CAD/CAM zum CNC-Controller verbinden. Alle Informationen – von den Maschinenparametern über Werkzeuge und Spanntechnik bis zum Material werden dann genutzt, um das beste und effizienteste Programm zu erstellen. Momentan brauchen Programmierer noch viele Informationen über die Maschine, Werkzeuge und das Material. Außerdem müssen sie Programme erstellen, um hohe Genauigkeit zu erreichen. Im nächsten Schritt muss während des eigentlichen Zerspanungsprozesses noch die Abnutzung der Werkzeuge und der Schneiden überprüft und gegebenenfalls auch kompensiert werden. Der aktuelle Werkzeugzustand, der Verschleiß und die noch nutzbare Standzeit muss ermittelt und in Daten konvertiert werden. Diese Art der Information, da bin ich mir sicher, bekommen wir in Zukunft automatisch.

Aber für diese Zukunft müssen die Interfaces funktionieren?

Das ist sehr wichtig. Umati ist eine davon.

Welche deutlichen Ansatzpunkte konnten wir dazu schon bei Fanuc auf der EMO sehen und erleben?

Noch intelligentere, aktuelle CNC-Funktionen, die nicht nur unsere Antriebs- und Steuerungstechnik verbessern, sondern Systeme, die tatsächlich schon von gemachten Bewegungsabläufen lernen und diese optimieren. Schönes Beispiel sind dafür unsere ‚Grünen Roboter‘. Wir haben bereits Roboter realisiert, die nicht von Menschen eingeteacht werden müssen, sondern mittels Deep-Learning-Technologie selbst lernen.

Welchen Einfluss könnte da der neue Mobilfunkstandard 5G haben?

5G wird schon bald auch die industrielle Welt massiv verändern. Fanuc trägt dem natürlich Rechnung. Wir erproben 5G bereits in unseren eigenen Fabriken.

(Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde in Englisch geführt und übersetzt.)