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Thema der Woche 46/2019

Welchen Einfluss hat Additiv auf Präzisionswerkzeuge?

Welchen Einfluss die additive Fertigungstechnologie mittlerweile hat, erklären die Experten von Bionic, Ceratizit und Boehlerit.

Additive Bauteile? Natürlich. Spannmittel und Werkzeughalter? Ja. Aber eine Werkzeugschneide hat sich bis dato additiv noch nicht produzieren lassen. Welchen Einfluss die additive Technologie mittlerweile auf die Werkzeuge hat und zukünftig haben wird, erklären die Experten vom Additiv-Dienstleister Bionic Production sowie von den Werkzeugherstellern Ceratizit und Boehlerit.

Flexible Werkzeughalter sind erst der Anfang

Die Entwicklungsgeschichte additiver Werkzeuge lässt sich anhand der Gehäuseaufbohrer für die Elektromotoren-Produktion sehr gut nachvollziehen. Auf der EMO hat Ceratizit die drei Entwicklungsstadien gezeigt: von der reinen Stahlkonstruktion über die Leichtbau-Kunststoff-Bohrstange mit additiven Auslegern bis hin zur High-End-Lösung, einem nahezu perfekten Großseriengehäuseaufbohrer. Großer Vorteil ist sicherlich die Flexibilität des fast beliebig erweiterbaren Aufbohrkonzeptes. Zwar braucht eine unserer Renishaw-Maschinen 83 h zur Herstellung, kann aber viele geometrische und materielle Wünsche erfüllen. Ich glaube, additiv ist das erst der Anfang. Es werden künftig noch mehr Werkzeugträger additiv erzeugt und mit Hartmetall-, PKD- oder CBN-Schneiden bestückt.

Foto: Harald Klieber
Salvatore Leonetti Program Manager Engine/Cutting Tools Ceratizit Group, Besigheim.

Die erste additive Wendeschneidplatte

Die Fortschritte, die in der additiven Drucktechnologie in der letzten Zeit gemacht wurden, sind enorm. Und auch wenn es noch ein sehr weiter Weg zur Serienreife additiv gefertigter Hartmetallteile ist, konnten mittlerweile Wege aufgezeigt werden, mit denen dies möglich ist. Klar scheint aber zum jetzigen Zeitpunkt, dass auf Grund der nach dem Drucken notwendigen Sinter-, Schleif-, und Beschichtungsprozesse die additive Fertigung eine zusätzliche Formgebungsvariante für Hartmetallhersteller liefert, aber keine fertigen Hartmetallteile beim Anwender fertig aus dem Drucker kommen werden. Verschiedene additive Verfahren geben die Möglichkeit, Grünlinge mit fast grenzenlosen geometrischen Freiheiten in der Formgebung aufzubauen.

Dr. Ronald Weißenbacher F&E-Leiter Boehlerit GmbH, Kapfenberg, Österreich. Foto: Harald Klieber.

Additiver Meilenstein: Der Bugatti-Bremssattel

Die hohe Leistungsfähigkeit der additiven Technologie lässt sich sehr gut an dem ersten additiven Bremssattel des Sportwagenherstellers Bugatti ablesen: Der Bremssattel ist nicht nur das derzeit größte additiv gefertigte Bauteil aus Titan. Er ist vor allem ein unter Realbedingungen getesteter Prototyp, der eben die Leistungsfähigkeit eines additiven Gefüges eindrucksvoll belegt − wenn er von gut 400 km/h sicher herunterbremsen muss. Bionic Production liefert dazu den gesinterten Rohkörper aus einem sehr feinkörnigen Gefüge, das eine Materialbefüllung von 99,97% aufweist. Diese mittlerweile erreichbare Homogenität ist der Schlüssel für diese erste echte sicherheitskritische Anwendung eines additiven Bauteils. Das ist der Durchbruch, die Adelung für die additive Technologie.

Patrick Folkert, Kfm. Leiter Produktion und Technik Bionic Production, Lüneburg. Foto: Harald Klieber.