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Foto: NCFertigung

Thema der Woche 28/2020

Wann lohnen sich mobile Roboter an Werkzeugmaschinen?

Welches Potenzial bieten mobile Roboterplattformen für die Automatisierung von Werkzeugmaschinen? Vier Experten sagen ihre Meinung.

Wie kommt das Material am besten zur Werkzeugmaschine oder das fertige Bauteil zur nächsten Station? Wer sich hier Gedanken über Automatisierungsstrategien macht, stößt immer häufiger auch auf mobile Roboterplattformen. Vier Automatisierungsexperten erklären im NCF-Check, wann sich solche Lösungen rechnen und welche Angebote es am Markt bereits gibt.

Jede zehnte Werkzeugmaschine lässt sich mobil automatisieren

Foto: Kuka
Alois Buchstab, Vice President Advanced Robotic Applications bei der Kuka Deutschland GmbH.

Mobile Roboter in Kombination mit Werkzeugmaschinen sind häufig sinnvoll – zum Beispiel, wenn lange Bearbeitungszeiten einer Werkzeugmaschine lange Stillstandzeiten eines Roboters zur Folge hätten. In solchen Fällen rechnet sich ein fest installierter Roboter oft nicht, ein mobiler schon. Ein weiterer lohnender Anwendungsfall ist die Verkettung von Werkzeugmaschinen, wenn ein mobiler Roboter Werkstücke also aus der einen Maschine entnimmt und die nächste damit belädt. Mir fallen noch viele weitere Beispiele ein: Der Materialtransport von der Werkzeugmaschine zur Nachbearbeitung oder die Entnahme von Produkten aus der Serienfertigung mit anschließendem Transport in den Qualitätsmessraum zur Stichprobenkontrolle, um nur ein paar zu nennen. Das Potenzial ist durchaus groß: Jede zehnte Werkzeugmaschine könnte meines Erachtens mobil automatisiert werden. Als Serienprodukt bietet Kuka den KMR iiwa mit bis zu 14 kg Traglast an. Bei höheren Traglasten sind auch kundenspezifische Lösungen wie beim Kuka omnimove möglich.

Prozesse effizient und flexibel miteinander verknüpfen

Foto: Handlingtech
Gregor Großhauser, Leiter Vertrieb bei der Handlingtech Automations-Systeme GmbH.

Mobile Roboterplattformen – auch bekannt als Fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder Automated Guided Vehicles (AGV) – werden in der Fertigung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Nach der Automatisierung einzelner Bearbeitungs-, Prüf- und Montageprozesse, meist mit Hilfe von Industrierobotern, ist der nächste logische Schritt, diese Prozesse effizient und flexibel miteinander zu verknüpfen. Klassische Transfersysteme wie Ketten-, Gurt- oder Rollenförderer sind dabei oft zu starr, um mit dem wachsenden Bedarf an Flexibilität mitzuhalten. Durch den Einsatz mobiler Robotersysteme lässt sich die Auslastung und Wirtschaftlichkeit einer Werkzeugmaschine hingegen in gleich zwei Dimensionen optimieren. Zum einen sorgt die automatisierte Zu- und Abfuhr für eine erhöhte Autonomie sowie eine unterbrechungsfreie Teileversorgung, zum anderen können einzelne Fertigungsschritte individuell miteinander kombiniert und so die Arbeitslasten gleichmäßiger auf alle verfügbaren Maschinen verteilt werden. Die Roboterzellen von Handlingtech sind für eine autonome Bestückung bestens geeignet. Neben speziell optimierten Ladebuchten bieten wir auch hybride Speicherlösungen, die sowohl zur manuellen Beladung als auch für eine automatische Versorgung genutzt werden können. So lässt sich die Umstellung auf eine FTS-gestützte Intralogistik noch flexibler gestalten.

Der Materialtransport an Maschinen wird zunehmend automatisiert

MIR portrætter

MIR portrætterFoto: Mobile Industrial Robots
Frederik S. Poulsen, Product Manager beim der Mobile Industrial Robots A/S.

Branchenübergreifend entdecken immer mehr Unternehmen die Vorteile autonomer Transportroboter. Auch beim Materialtransport an Werkzeugmaschinen steigt die Nachfrage. Mobile Roboter sind effizient und sicher. Sie entlasten Mitarbeiter von körperlich anstrengenden, repetitiven Tätigkeiten. Den menschlichen Kollegen bleibt damit nicht nur Zeit für höherwertige Aufgaben, sondern sie können auch in sicherer Distanz von potenziell gefährlichen Maschinen arbeiten. Zudem sind mobile Roboter flexibel. Die verschiedenen Modelle von MiR sind für Nutzlasten von 100 bis 1.000 kg ausgelegt. Mittels Laserscannern, 3D-Kameras und Sensoren navigieren sie ohne Magnetstreifen oder Schienen. Klein und wendig legen sie auch größere Strecken problemlos zurück. Das ist ein entscheidender Vorteil in oftmals beengten Produktionshallen. Die bestehende Umgebung muss nicht verändert werden, das Lager nicht unmittelbar neben den Maschinen liegen. Das neueste Mitglied der MiR-Familie, der MiR250, ist besonders platzsparend und manövriert zum Beispiel durch 80 cm breite Türen. Auch Aufzüge nutzt er selbständig. Die MiR-Roboter sind so konstruiert, dass sie sich leicht mit verschiedenen Modulen wie Förderbändern, Palettenhebern oder Roboterarmen ausstatten lassen. Insgesamt steht die Automatisierung des Materialtransports an Werkzeugmaschinen erst am Anfang. Doch steigender Kostendruck, individualisierte Kundenaufträge und kleine Losgrößen verlangen diesem Produktionsschritt und der damit verbundenen Logistik eine hohe Flexibilität ab. Automatisierung ist ein Weg, diesen Herausforderungen zu begegnen – immer mehr Unternehmen werden ihn in den nächsten Jahren einschlagen.

Mobile Plattformen können die Produktivität deutlich erhöhen

Foto: Starrag
Dr. Stefan Breu, Leiter Group Operations bei der Starrag Group.

Mobile Plattformen (AGV) haben den Charme, dass sie universell eingesetzt werden können. Vom Transport von Werkstücken oder Werkzeugen und der Beladung der Maschinen bis zur Übernahme von Hilfsaufgaben in der Intralogistik. Sie sind 24/7 verfügbar und können damit die Produktivität deutlich erhöhen. Transportziele können nach Belieben angeordnet werden, was vor allem bei gewachsenen Betrieben einen Mehrwert zu herkömmlichen Automatisierungen bietet. Die serienmäßigen Sicherheitssysteme kennen weder Ablenkung noch Müdigkeit und verhindern Unfälle nachhaltig. Vor allem für Unternehmen die sich im Wachstum befinden bieten AGV die Möglichkeit zur Automatisierung. Das Aufstellen von Maschinen in Reihe wie bisher ist mit den neuen Automatisierungskonzepten nicht mehr notwendig. Ein weiterer Pluspunkt ist die Erweiterbarkeit. Man kann mit wenigen Maschinen starten und das Automatisierungsnetz Schritt für Schritt verändern. Das AGV hat das Potenzial eine der wichtigsten Produkte am Automatisierungsmarkt zu werden. Wir haben bereits erste Konzepte erprobt und auf der AMB 2018 vorgestellt. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der es in der höchsten Ausbaustufe erlaubt, eine Fertigungsumgebung autonom zu betreiben. Natürlich sind die angedachten Module auch separat umsetzbar. Bei den Konzepten fokussiert sich Starrag auf ihre Kernkompetenz, den Maschinenbau. Das beinhaltet vor allem die Schnittstellenkonzepte an den Maschinen aber auch die Lastaufnahmemittel auf den AGV. In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Leitrechner- und AGV-Technik entsteht so ein funktionales Gesamtsystem.

Mobile Roboterplattformen sind auf dem Vormarsch

Mit mobilen Robotern lassen sich Werkzeugmaschinen flexibel und rund um die Uhr mit Material versorgen. Ihr Potenzial wird von immer mehr Anwendern erkannt.
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