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Foto: Martin Witzsch
Auf 34 s wurde die Taktzeit in der Zahnradfertigung verkürzt. 

Werkzeugmaschinen

Taktzeit in der Zahnradfertigung verkürzt

In der Getriebefertigung konnte Volkswagen mit Wälzschleifmaschinen von Kapp Niles die Taktzeit für die Zahnradfertigung auf 34 s zu verkürzen.

Im Volkswagenwerk Kassel in Baunatal wurde in der Zahnradfertigung die Taktzeit  deutlich verkürzt. Am zweitgrößter Standort in Deutschland mit 17.000 Mitarbeitern werden vor allem Pkw-Getriebe gefertigt. Zehn verschiedene Baureihen umfasst derzeit die Produktion. Auf der Hälfte der Fertigungslinien sind Verzahnungszentren von Kapp Niles im Einsatz. Das Coburger Unternehmen ist vor allem als Spezialist für das Wälzschleifen mit abrichtbaren Werkzeugen bekannt, ein Verfahren das Produktivität und Qualität verbindet.

880 Getriebe pro Tag im 34-s-Takt

So finden die Maschinen von Kapp Niles auch in der Produktion des Doppelkupplungsgetriebes DL 382 für Audi Anwendung. Zum Schalten der sieben Gänge sind bei dieser Getriebeform sechzehn Verzahnungen notwendig – zehn geschliffen, sechs gehont. Die Fertigung läuft 24 Stunden an fünf bis sechs Tagen pro Woche - je nach Bedarf. Volkswagen strebt dabei einen EPEI-Wert von 1 Tag an. EPEI steht für „every part every interval“. Das bedeutet, dass an jedem Tag das komplette Spektrum für das oben genannte Getriebe produziert werden kann. Diese sogenannte geglättete Produktion erfordert jedoch reibungslose Prozesse und hohe Flexibilität. Für den Fertigungsablauf des Doppelkupplungsgetriebes DL 382 ist Christian Hahn als technischer Sachbearbeiter verantwortlich. Er beschreibt die Produktion: „Wir haben in der Räderfertigung fünf Verzahnungszentren von Kapp Niles, zwei weitere in der Wellenfertigung. Um den EPEI-Wert von 1 Tag zu erreichen, rüsten wir die Maschinen in der Räderfertigung zweimal am Tag um. So können wir zehn unterschiedliche Räder pro Tag produzieren.“

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Foto: Martin Witzsch
Christian Hahn verantwortet im VW-Werk Kassel die Fertigung des Doppelkupplungsgetriebes DL 382. 

Die große Herausforderung bei dieser flexiblen Fertigung war das Erreichen von kurzen Taktzeiten. Bei einem Ausstoß von 880 Getrieben pro Tag muss eine Maschine in der Räderfertigung 1.760 Teile produzieren. Mit allen Ausfall- und Rüstzeiten ergibt dies einen Linientakt von 34 s. Ein üblicher Linientakt beträgt 39 bis 40 s. Bernd Kümpel, Anwendungstechniker bei Kapp Niles, analysiert diese Zahlen: „Fünf bis sechs Sekunden Einsparung klingt zunächst eher wenig, es sind aber bis zu 15 %. Wenn ich mindestens 40 % unbeeinflussbare Zeitanteile berücksichtige, muss ich die eigentliche Prozesszeit um 30 bis 40 % verkürzen. So gesehen, sind 34 s eine echte sportliche Herausforderung.“

Bis zu 15 % verkürzte Taktzeit in der Zahnradfertigung

Zum Einsatz kommen insgesamt sieben Kapp-Niles-Maschinen, die mit ihrem geringen Platzbedarf ideal für die automatisierte Fertigung bei Volkswagen geeignet sind: Drei Wälzschleifmaschinen KX 100 Dynamic und zwei KX 260 Twin für die Räderfertigung und zwei KX 160 Twin für die Wellenfertigung. Hahn und Kümpel waren sich von Beginn an einig, dass die gewünschte Taktzeit nur mit einer Kombination aus mehreren Maßnahmen zu erreichen ist. Um den täglichen Rüstaufwand zu minimieren, achtet der VW-Sachbearbeiter darauf, dass die auf einer Maschine zu fertigenden Räder gleich große Bohrungen aufweisen. So muss er zwar die Maschine umrüsten, jedoch nicht die Spannaufnahmen. Der verbleibende Rüstaufwand wird durch das intelligente Rüstkonzept der KX 100 Dynamic minimiert. Gerade mal 20 bis 25 Minuten benötigt er für eine Maschine. „Die Wälzschleifmaschine ist durch das halbautomatische Rüsten sehr bedienerfreundlich“, beschreibt Kümpel das Konzept. „Für den kompletten Rüstvorgang braucht man nur noch einen Innensechskantschlüssel. Damit betätigt man das Hydrodehnspannfutter der Abrichtrolle, alles andere ist schraubenlos mit HSK-Schnittstellen verbunden“. Unterstützt wird der Bediener visuell durch einen menügeführten und leicht verständlichen Zyklus auf der Maschinensteuerung. Durch das Abarbeiten und Quittieren wird sichergestellt, dass keine Arbeitsschritte falsch gemacht oder sogar vergessen werden. Kostspieligen Ausfällen wird damit vorgebeugt.

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Foto: Martin Witzsch
Einsatzfeld Räderfertigung: Die Wälzschleifmaschine KX 100 Dynamic.  

Sekunden sparen beim Umrüsten, Abrichten und Messen

Das Abrichten der Werkzeuge erfolgt mit Vollprofilrollen. Damit können alle Gänge der Wälzschnecke gleichzeitig angefahren und in Form gebracht werden. Mit einer 5-gängigen Vollprofilrolle kann somit die Abrichtzeit ohne Qualitätsverlust mehr als halbiert werden. Eine weitere wichtige Zeitersparung ist das integrierte Messsystem. Hahn erklärt den Vorteil: „Nach jedem Rüsten muss eine Qualitätsmessung außerhalb der Maschine gemacht werden. Die benötigen wir zwar weiterhin, aber die wesentlichen, qualitätsrelevanten Größen kann ich mit dem integrierten Messtaster bereits in der Maschine überprüfen. Das ist eine unheimliche Zeitersparnis, denn wir können schon produzieren, bevor die Ergebnisse der externen Messung vorliegen.“ Das integrierte Messsystem der Kapp-Niles-Maschinen beschleunigt so das Wiederanfahren erheblich. In der externen Messung werden lediglich noch mehr Zähne überprüft und das Messprotokoll für die Verzahnungsüberwachung generiert.

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Foto: Kapp Niles
Mit einer 5-gängigen Vollprofilrolle kann die Abrichtzeit ohne Qualitätsverlust mehr als halbiert werden. 

Offen für neue Werkzeugtechnologie

Die Suche nach Optimierungspotenzial umfasste auch den eigentlichen Schleifprozess. Einen vielversprechenden Ansatz boten die Cubitron-II-Werkzeuge von 3M die im Vergleich zu konventionellen abrichtbaren Schleifschnecken geometrisch bestimmte, dreiecksförmige Schneidkörper besitzen. Hahn erläutert den Nutzen dieser Werkzeuge: „Damit kann man, locker ausgedrückt, wesentlich härter rangehen, das heißt in einem Gang mehr und schneller Material abtragen.“ Kapp Niles leistete mit einer Vielzahl von Schleifversuchen im eigenen Haus entsprechende Vorarbeit, um die Vorteile dieses Werkzeugs bei den DL-382-Bauteilen nutzen zu können. Der Anwendungstechniker beschreibt: „Mit Cubitron II kann man extrem viel Span abtragen, ohne dass dabei thermische Schädigungen am Bauteil auftreten. Je nach Bauteil kann dies gut 30 % Zeitersparnis im Vergleich zu anderen Schleifkörpern ausmachen.“

Platz und Kosten sparen

Die Produktion ist geprägt von einer Bandverkettung, die die gesamte Halle durchzieht. Die Mitarbeiter sprechen deshalb auch gern vom „Highway“. Der zur Verfügung stehende Platz ist limitiert. Deshalb wurden vorzugsweise die sehr kompakten KX-100-Dynamic-Maschinen eingesetzt. Sie verfügen über zwei separate, drehbar gelagerte Säulen. An diesen sind vertikal verfahrbare Pick-Up-Achsen mit je einer Werkstückspindel angebracht. Während ein Werkstück geschliffen wird, legt die andere Pick-Up-Achse das fertig bearbeitete Werkstück ab und lädt ein unbearbeitetes Teil auf die Werkstückspindel. Ausgerichtet wird das Werkstück außerhalb des Arbeitsraumes, sodass die Werkstückspindel bereits beschleunigt auf Bearbeitungsdrehzahl in den Arbeitsraum geschwenkt werden kann. Die Nebenzeiten werden so auf ein Minimum reduziert.

Das Be- und Entladen des Förderbands übernimmt ein Umsetzer. Kümpel begründet: „Wir fahren normalerweise mit dem Band direkt unter die Maschine. Das war hier jedoch nicht möglich. Mit dem Umsetzer gleichen wir die Höhe und den Abstand vom Band zur Maschine aus.“ Diese Lösung ist nicht nur kompakt, sondern auch kostengünstig. „Eine integrierte Automationslösung wäre mit etwa 25 % des Maschinenpreises wesentlich kostenintensiver“, ergänzt der Anwendungstechniker. „Ein einfacher Umsetzer liegt bei weniger als 10 % des Maschinenpreises.“

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Foto: Martin Witzsch
Das Be- und Entladen des Förderbands übernimmt ein Umsetzer. 

Optimierung der Wellenfertigung

Die Zeit für Umbauten und Inbetriebnahmen ist meist knapp kalkuliert. Das war auch bei diesem Projekt nicht anders. Aber die hochgesteckten Ziele wurden erreicht. „Ich war und bin mit der Betreuung auf der Baustelle und dem Service vor Ort sehr zufrieden“, zieht Hahn Bilanz. „Das Maschinenkonzept war überzeugend und wir haben gemeinsam alle Schwierigkeiten gemeistert. Besonders die Taktzeit war ein kritischer Punkt. Aber auch diese wurde erreicht.“ Dafür blieb nicht viel Zeit. Die Inbetriebnahme einschließlich Maschinenfähigkeitsuntersuchung, bei der 100 Bauteile je Typ produziert und zu 100 % vermessen werden, erfolgte im Sommer 2016. Die Produktion startete bereits in der ersten Septemberwoche.

Neben der Taktzeit wurden noch weitere Schwierigkeiten gemeistert, beispielsweise in der Wellenfertigung. Der VW-Sachbearbeiter beschreibt: „Die Wellen sind hohl und damit vergleichsweise labil. Dies erfordert eine spezielle Spanntechnik und eine Maschine, die die unvermeidbaren Schwingungen im Schleifprozess absorbieren kann.“ Die KX 160 Twin kann das aufgrund ihrer massiven Bauweise. Das kommt der Schleifqualität entgegen. Damit im Fall der Fälle ein schneller Service sichergestellt ist, hat Kapp Niles einen Mitarbeiter in Kassel stationiert, der ausschließlich das Volkswagenwerk betreut. „Unser oberstes Ziel ist es, die Fertigung sicherzustellen, unabhängig davon, welches Problem auftritt“, sagt Kümpel. Eine Rundum-Betreuung, die Volkswagen zu schätzen weiß.

Martin Witzsch/rk

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Foto: Martin Witzsch
Einsatzfeld Wellenfertigung: Die Wälzschleifmaschine KX 160 Twin. 
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Foto: Martin Witzsch
Die Produktion ist geprägt von einer Bandverkettung, die die gesamte Halle durchzieht.