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Foto: Harald Klieber

Thema der Woche 5/2020

So kann der Werkzeugbau wieder zulegen

Der deutsche Werkzeugbau musste 2019 deutlichen Umsatzrückgang verkraften. Der Vorsitzende des VDMA-Fachverbands Marco Schülken verspricht Besserung und fordert Fairness.

2019 musste der Werkzeugbau einen deutlichen Nachfragerückgang verbuchen, berichtet Marco Schülken, Vorsitzender des VDMA Werkzeugbaus. "Für das Gesamtjahr dürfte für die Hersteller von Stanzwerkzeugen, Formen und Vorrichtungen mit einem Umsatzrückgang von 8 Prozent zu rechnen sein." Das sei jedoch nur die statistische Wahrheit. Denn es gibt Bereiche, in denen das Geschäft viel stärker weggebrochen ist als in anderen, berichtet Marco Schülken.

Deutlicher Rückgang auch in Amerika

Demnach zeigtet sich im Werkzeugbau 2019 in allen bedeutenden Absatzregionen eine schwächere Umsatzentwicklung. Leider überwiegend auch in deutlicher Form. Der Heimatmarkt schrumpfte durch die extrem gesunkene Nachfrage insbesondere der Automobilindustrie deutlich. "Wie Sie wissen, hat der deutsche Markt im Werkzeugbau eine deutlich höhere Stellung als in den beiden anderen Teilbranchen. Dies gilt zum einen, weil viele Werkzeuge durch interne Werkzeugbauten erstellt und direkt im eigenen Produktionsbetrieb eingesetzt werden." Zum anderen, so Marco Schülken, ist zum Beispiel bei vielen Werkzeugen die Einarbeitung, die in der Regel in enger Abstimmung zwischen Werkzeugbauer und Kunde erfolgt, bei räumlicher Nähe effizienter, auch Größe und Gewicht der Werkzeuge und der damit verbundene Transportaufwand spielen insbesondere bei zeitkritischen Projekten mit Großwerkzeugen eine Rolle. Im Gegensatz zu den anderen Teilbranchen musste der Werkzeugbau aber auch auf dem amerikanischen Kontinent deutliche Rückgänge hinnehmen. "Dies ist allerdings auch einem Basiseffekt geschuldet. Wie schon 2017 war auch 2018 der amerikanische Kontinent besonders nachfragefreudig. Nach diesen kräftigen Zuwächsen gab es nun eine schmerzhafte Korrektur", berichtet Marco Schülken. Die Exporte in die USA und nach Mexiko gingen 2019 deutlich zurück.

Besserer Export nach China, Tschechien, Schweiz

Das Exportgeschäft mit China konnte dagegen zwar insgesamt leicht gesteigert werden, allerdings resultiert diese Steigerung aus einigen Großprojekten aus der ersten Jahreshälfte. "Die bisherigen Daten für die zweite Jahreshälfte zeigen auch bei den Lieferungen in das Reich der Mitte einen starken Rückgang und wir gehen für das Gesamtjahr von ebenfalls rückläufigen Ergebnissen aus." Die Exporte in die wichtigen europäischen Nachbarländer entwickelten sich nach Angaben von Marco Schülken eher enttäuschend. Nur nach Tschechien und in die Schweiz konnten etwas mehr Werkzeuge geliefert werden. Ebenso fällt die Betrachtung der Kundenbranchen negativ aus. In der Umsatzentwicklung im Projektgeschäft mit der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Luftfahrtindustrie wurden deutliche Rückgänge verzeichnet. Selbst für die sonst stabile Medizintechnik wurden überwiegend leichte Rückgänge vermeldet und die Kunststoffindustrie ist ähnlich wie die Automobilindustrie in einem Umbruch.

Stabilisierung in China - Branchen mit weiterer Abschwächung

Für das Gesamtjahr 2020 überwiegt laut Marco Schülken die Erwartung rückläufiger Umsätze. In Deutschland und der EU sollten diese zumindest nur noch leicht schwächer ausfallen. In den USA zum Teil auch nochmal deutlich schwächer. In China erwartet die Hälfte der Befragten eine Stabilisierung. Die Möglichkeit eines Wachstums wird in allen Märkten nur vereinzelt und auch nur leicht gesehen.

Bei den Kundenbranchen erwartet man 2020 in der Automobilindustrie und im Maschinenbau überwiegend eine weitere Abschwächung. Für die Medizintechnik und die Luftfahrtindustrie überwiegt die Erwartung gleichbleibenden Geschäfts. Ein deutlich stärkeres Wachstum wird in keinem Sektor gesehen. Insgesamt wird erwartet, so Marco Schülken, dass der Umsatz 2020 noch einmal um 7 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres bleibt.

Werkzeugbauer gehen neue Wege

Vielen der Werkzeugbauten, die in die Automobil- und -zulieferindustrie liefern, sind seit Anfang 2019 die Aufträge weggebrochen. Dies hat laut Marco Schülken folgende Trends ausgelöst: Eine zunehmende Anzahl an Unternehmen versucht, Kunden im Ausland zu finden. "Das ist für uns eine außergewöhnliche Entwicklung, weil, wie Sie wissen, der deutsche Markt in den letzten Jahrzehnten so bedeutend war, dass nur ein recht bescheidener Anteil an Werkzeugbauprodukten exportiert wurde. Ähnliches haben wir um die Jahrtausendwende in den USA beobachten können, wenn auch mit anderem Hintergrund." Zudem würden viele Werkzeugbauten nach Kunden in anderen Branchen suchen. Und dies, obwohl die technischen Eintrittsbarrieren, beispielsweise in der Medizintechnik, erstaunlich hoch sind.

Marktmächtige Kunden sägen "an ihrem Ast"

"Und wir beobachten eine steigende Anzahl von Insolvenzen im automobilnahen Werkzeugbau. Der Gipfel der Zumutung aber ist, dass marktmächtige Kunden versuchen, sich bei ihren Lieferanten durch sogenannte Partnerschaftsangebote Liquidität zu verschaffen und zusätzlich die Zahlungsziele zu Ungunsten der Werkzeugbauten ändern. Mir scheint, denen ist das geflügelte Wort vom Sägen an dem Ast, auf dem man sitzt, nicht geläufig", betont Marco Schülken. Denn nur in einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe mit den Werkzeugbauten werden die OEMs und ihre System- sowie Komponenten-Lieferanten in der DACH-Region überleben können, ist sich der Geschäftsführer der Schülken-Form sicher. Bis nach China und Südafrika hätte es sich bereits herumgesprochen, dass es eine wettbewerbsfähige Industrieproduktion ohne Werkzeugbau nicht geben kann. Deshalb wird die Branche in diesen Ländern strategisch gefördert. "Umso schlimmer, wenn ausgerechnet diese Branche, um die uns viele Länder beneiden, durch ein zerstörerisches Verhalten von Kunden aufs Spiel gesetzt wird", resümmiert Marco Schülken.

Fairness-Initiative hat ersten Partner

"Deshalb weise ich auch in diesem Jahr eindringlich auf unsere Initiative Fairness+ hin. Hierfür konnten wir mittlerweile einen Partner gewinnen. Der GKV/TecPart ist die Interessenvertretung der Hersteller von technischen Kunststoff-Produkten und hat auf seiner letzten Mitgliederversammlung beschlossen, der Initiative beizutreten." Für dieses Jahr plant die Initiative nach Angaben von Marco Schülken eine gemeinsame Kampagne zur Nutzung von Standardverträgen, um den Aufwand bei Vertragsverhandlungen zu verringern und die Risiken durch versteckte Vertragsklauseln zu minimieren.

Weitere Informationen verspricht Marco Schülken zum nächsten Infotag Werkzeugbau mit Werkzeugbau-Sitzung, der voraussichtlich im April/Mai im 3D-Druckzentrum von Audi in Ingolstadt stattfindet.

Wichtige Termine 2020

"Unser Partner und Mitglied WBA, das in diesem Jahr sein 10-jähriges Jubiläum feiert, veranstaltet vom 3. bis 7. August die 4. Werkzeugbau-Challenge, bei der sich hochmotivierte Azubis und Jungfacharbeiter in Aachen treffen, um in Vorträgen, Workshops und Lernspielen aktuelle Themen rund um den industriellen Werkzeugbau und dessen Handlungsfelder kennenzulernen. Diese Initiative unterstützt der VDMA Werkzeugbau ausdrücklich, denn wir brauchen hochqualifizierte und -motivierte junge Fachkräfte", unterstreicht Marco Schülken. Ebenso findet dieses Jahr auch wieder der Werkzeugbauwettbewerb „Excellence in Production“ von IPT und WZL statt, den Marco Schülken als einmalige Chance sieht für Werkzeugbauten, sich in allen Aspekten an den Marktbegleitern zu spiegeln und sich auf Basis dieser Erkenntnisse zielgerichtet weiterzuentwickeln. Die Preisverleihung findet am Vorabend des Kolloquiums 'Werkzeugbau mit Zukunft' am 18. November im Aachener Rathaus statt. Die Teilnahmefrist der ersten Runde läuft am 1. März ab. Am Tag nach der Preisverleihung, nämlich am 19. November findet das Kolloquium 'Werkzeugbau mit Zukunft' im Tivoli ebenfalls in Aachen statt. Dort tragen die Besten der Besten ihre Lösungen vor. Der VDMA Werkzeugbau wird wieder mit einem Infostand vertreten sein.