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Welche Chancen und Risiken sehen die Werkzeugmaschinenhersteller im Jahr 2023 auf sich zukommen? Wir haben in den Führungsetagen von vier Unternehmen nachgefragt. 
Foto: WFL
Welche Chancen und Risiken sehen die Werkzeugmaschinenhersteller im Jahr 2023 auf sich zukommen? Wir haben in den Führungsetagen von vier Unternehmen nachgefragt. 

THEMA DER WOCHE 49/2022

So blicken die Werkzeugmaschinenhersteller in die Zukunft

Den Krisen zum Trotz: Die Werkzeugmaschinenhersteller Grob, Hurco, WFL und Anca sehen sich gut gerüstet und blicken mit einer gewissen Zuversicht in das Jahr 2023.

Die zahlreichen Herausforderungen, mit denen die Industrie derzeit konfrontiert wird, sind hinlänglich bekannt. Vor allen wegen der Energiekrise erwarten die sogenannten Wirtschaftsweisen für das kommende Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland. Laut dem Sachverständigenrat sinkt das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,2 % bei einer hohen Inflation von 7,4 %. Doch mit welchen Erwartungen blickt die Werkzeugmaschinenbranche in die Zukunft?

Nach Einschätzung von DMG Mori bleibt die geopolitische Lage herausfordernd. Hohe Inflationsraten, steigende Zinsen und steigende Kosten für Rohstoffe, Transport, Logistik sowie die Energiekrise mit der Gasverknappung, die fortdauernde Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine werden die Weltwirtschaft und die Werkzeugmaschinen-Nachfrage weiterhin prägen, heißt es in der Quartalsmitteilung von Anfang November. Mit der konsequenten Umsetzung des strategischen Dreiklangs aus Automation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sieht sich der Konzern gerade in Zeiten hoher Volatilität und Unsicherheit aber stabil und zukunftssicher aufgestellt.

Auftragsboom bei Produkten für die E-Mobilität

Was den Auftragseingang anbelangt erwartet die Grob-Gruppe in diesem Jahr einen neuen Rekordwert in der Firmengeschichte. „Der Auftragsbestand sichert die Auslastung in unseren Werken für das gesamte nächste Geschäftsjahr“, erklärt Wolfram Weber, CFO der Grob-Werke GmbH & Co. KG. Der Auftragsboom komme aus der Transformation vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität, die man in den vergangenen fünf Jahren mit großem Einsatz vorangetrieben habe. „Etwa zwei Drittel unseres Auftragseingangs in diesem Jahr sind auf Produkte für die E-Mobilität, das heißt Maschinen zur Produktion von Elektroantrieben und Batteriekomponenten der Automobilindustrie zurückzuführen“, so der CFO. „Im klassischen Zerspanungsbereich haben wir ein gutes Jahr hinter uns. Dieser Bereich wird aber eher von den aktuell rezessiven Tendenzen betroffen sein als die Produkte der E-Mobilität.“

Die größten Herausforderungen sieht Grob aktuell in der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte und der Bewältigung der Störungen in den weltweiten Lieferketten, aber auch in der weiteren Transformation hin zur Elektromobilität. Den Lieferengpässen begegnet das Mindelheimer Unternehmen mit einem ganzen Maßnahmenbündel. „Wir versuchen vorausschauend und möglichst frühzeitig zu bestellen. Wir haben in kritischen Bereichen Sicherheitsvorräte aufgebaut und sind bei Bedarf gemeinsam mit unserer Konstruktion und der Materialwirtschaft auf der Suche nach Alternativlieferanten“, berichtet Weber. Insgesamt blickt Grob optimistisch auf das Jahr 2023. „Wie immer gibt es jede Menge an Herausforderungen, für die wir uns aber gerüstet fühlen. In jedem Fall wäre es jedoch schön, wenn die Anzahl der weltweiten Krisen etwas abnehmen würde.“

Unsicherheiten hemmen Investitionsbereitschaft

Als zufriedenstellend stuft Michael Auer, Geschäftsführer der Hurco GmbH, in Anbetracht der herausfordernden Rahmenbedingungen die aktuelle Auftragslage ein. „Die eigentlich vorhandene Investitionsbereitschaft unserer Kunden wird durch die Unsicherheiten, vor allem in Fragen der Kalkulierbarkeit von Energiekosten, gehemmt.“ Bei den Abnehmerbranchen seien die Auftragsbücher im allgemeinen Maschinenbau seit mehreren Quartalen gut gefüllt. Im Bereich Automotive liege eine längere Durststrecke hinter den Kunden. „Inzwischen haben sich die belastenden Lieferengpässe in einigen Bereichen aufgelöst“, so Auer. „Daraus resultierend ist auch hier wieder ein Anstieg der Aufträge zu verzeichnen.“

Sorgen bereiten auch Hurco die unkalkulierbaren Energiekosten, die Fachpersonalengpässe sowie die unterbrochenen Lieferketten. Das Thema Lieferengpässe konnte man durch langfristige Vorausbestellung in den Werken zum Großteil eliminieren. „Die meisten Modelle unserer Produktpalette sind innerhalb von sechs bis acht Wochen lieferbar“, konstatiert der Geschäftsführer. Seiner Meinung nach haben alle Marktteilnehmer eine Lernkurve in Bezug auf erfolgreiche Krisenbewältigung durchlebt, nachdem die gesamte Weltwirtschaft in den vergangenen drei Jahren durch eine Vielzahl von außergewöhnlichen Ereignissen belastet wurde. „Daher gehen wir zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass unsere Kunden – trotz der aktuellen Rahmenbedingungen in ihren jeweiligen Branchen – weiterhin erfolgreich und krisenerprobt agieren werden und die daraus resultierende Investitionstätigkeit auf ähnlichem Niveau wie 2022 verlaufen wird.“

Tägliches Krisenmanagement erforderlich

Auf dem Gebiet der Komplettbearbeitung ist die WFL Millturn Technologies GmbH & Co. KG mit ihren multifunktionalen Dreh-Bohr-Fräszentren zuhause. Dafür bilanziert CEO Norbert Jungreithmayr: „Die aktuelle Auftragslage ist gut, die Geschäftsentwicklung 2022 war summa summarum durchweg positiv.“ Hilfreich sei das breite Spektrum an Abnehmerbranchen, was WFL bedient. So zeige die Luftfahrtindustrie eine positive Tendenz und die Entwicklung der Passagieraufkommen gehe wieder nach oben. „Der Bedarf an zusätzlichen Flugzeugen steigt und es besteht eindeutig der Trend zu Investitionen“, urteilt Jungreithmayr.

Allerdings erforderten die aktuellen Krisen rund um Corona, gestörte Lieferketten, Inflation, Energiekrise wie auch der Klimawandel ein tägliches Krisenmanagement und viel Flexibilität. Bei den Lieferengpässen sei eine enge Abstimmung mit den Lieferanten notwendig sowie eine gut durchdachte Bevorratung. „Was den Fachkräftemangel betrifft, so investieren wir viel Zeit in unsere Lehrlingsausbildung“, betont der WFL-CEO. „Mit mehr als 30 Lehrlingen sind wir gut aufgestellt. Im Hinblick auf die gestiegenen Energiepreise haben wir uns, was die Eigenproduktion von Strom betrifft, mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet, die im Jahr 2022 mit einer Gesamtleistung von 607 kWp auf unseren Dächern betrieben wird.“

Was die Erwartungen für das Jahr 2023 anbelangt, ist das österreichische Unternehmen aufgrund des prognostizierten geringen Wirtschaftswachstums sehr vorsichtig. „Da in einigen Branchen aber durchaus positive Erwartungen und Signale gegeben sind, haben wir auch ein Stück Optimismus“, meint Jungreithmayr. „Der Trend zu Automatisierung macht sich positiv in den Zahlen bemerkbar. Mit der Übernahme der Firma FRAI im Jahr 2018 haben wir uns eine weitere Geschäftssäule geschaffen, welche den Anforderungen des Marktes gerecht wird.“

Fachkräftemangel besonders stark ausgeprägt

Aus Sicht eines Schleifmaschinenherstellers beschreibt Martin Winterstein, Geschäftsführer der Anca Europe GmbH, die Lage so: „Wir haben erfreulicherweise und trotz der diversen aktuellen Markthemmnisse stabile Anfrageniveaus und Auftragseingänge. Das mag auch mit unseren letzten Produkteinführungen zusammenhängen, mit denen wir aktuelle Marktthemen angesprochen haben.“ Die Abnehmerbranchen zeigen dabei unterschiedliche Entwicklungen. So habe beispielweise Automotive einen recht guten Auftragsbestand, laufe aber aufgrund der Lieferkettenproblematik und Neuausrichtung im Antriebsstrang noch nicht rund. „Allgemein gesprochen sehen wir teils Anzeichen einer gewissen Verunsicherung, wo Investitionsentscheidungen hinausgeschoben werden und eher auf Sicht gefahren wird, anstatt nachhaltige Entwicklungen anzugehen“, urteilt Winterstein.

Seiner Einschätzung nach ist der lange bekannte Fachkräftemangel in der Branche offensichtlich besonders ausgeprägt. „Wir haben nicht nur einmal das Feedback von Kunden bekommen, dass sie in Maschinen investieren, sobald sie jemand gefunden haben, der sie bedient“, schildert der Geschäftsführer. Beim Thema Lieferketten könne Anca zum Glück von der außergewöhnlichen Fertigungstiefe profitieren. „Wir entwickeln und produzieren alle Hauptkomponenten sowie Steuerungen, Antriebe und Software selbst. Das entlastet uns zwar nicht komplett, verhindert aber größere Verzögerungen in den Lieferzeiten.“ Der Energiekrise begegne man auch mit Investitionen und baue in Australien die eigenen Windkraftkapazitäten aus sowie in Europa die Photovoltaik.

Beim Blick auf das Jahr 2023 verweist Winterstein auf die Prognosen, die relativ durchgängig davon sprechen, dass es einen leichten Dämpfer geben soll. „Wir sehen uns aber gut aufgestellt, diese Delle zu vermeiden beziehungsweise auch zu wachsen. Unsere letzten Innovationen haben die Kernthemen unserer Kunden angesprochen und das sehen wir an den aktuellen Aufträgen.“ Die Schleifmaschine GCX für Skiving-Werkzeuge treffe ebenso auf eine große Nachfrage wie die Fertigungszelle Aims. Und die neu vorgestellte MX7 Ultra mit Nanometersteuerung habe auf den Herbstmessen voll eingeschlagen.