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Bearbeitungszentren

Mit künstlicher Intelligenz zum Ziel

Mitsubishi präsentierte zwei neue Erodiermaschinen-Baureihen auf der EMO. Hartmut Pütz, Präsident Factory Automation in der European Business Group von Mitsubishi Electric erklärt welche langfristige Strategie der Konzern verfolgt.

Herr Pütz, warum befasst sich ein 139.000-Mann-Multi-Technologie-Unternehmen, der vom Turbinengenerator über Satelliten-Kommunikationsgeräte bis zur Rolltreppe, Energieversorgung, Haushaltsgeräten und Ausrüstung für Industrieunternehmen herstellt, mit Erodiermaschinen und CNC-Steuerungen?

Ja, Mitsubishi Electric befasst sich mit hochkomplexen Projekten. Das bedeutet aber, dass dafür in vielen Teilen enorme Grundlagenforschung nötig ist. Im Prinzip ist die gesamte Fabrikautomation und die CNC-Steuerungen inklusive der Werkzeugmaschinen-Sparte die Basis für diese hochkomplexen Projekte – und damit ein wichtiger Teil unserer Schlüsselkompetenz.

Wie definieren Sie ihre Schlüsselkompetenz?

Mitsubishi Electric verfügt über sämtliche Technologien, die nötig sind, um hochpräzise Verfahren und Prozesse selbst darstellen und umsetzen zu können. Wir sind dafür sehr gut aufgestellt, besonders mit unseren Steuerungen und Antriebstechnologien für hochdynamische Maschinen. Daraus erzielen unsere Kunden im Maschinenbau und Anlagenbau sowie auch im Werkzeug- und Formenbau enorme Wettbewerbsvorteile.

Hoher Entwicklungsaufwand und relativ niedrige Stückzahlen. Lohnt sich für Mitsubishi Electric dann überhaupt noch das Geschäft mit den Werkzeugmaschinensteuerungen?

Gerade die CNC-Steuerungen sind eine sehr wichtige Komponente, weil sie eben einzelne ganz entscheidende Steuerungsdisziplinen vereinen. Nur CNC wäre aber auch zu kurz gesprungen, deshalb bieten wir die Möglichkeit, die hochpräzisen Steuerungen mit den hochdynamischen Roboter- und SPS-Steuerungen zu verbinden. Zudem bietet diese Steuerungsplattform dem Nutzer die Option zur einfachen Anbindung an Cloud-Systeme und Edge Computing, um die vorhandenen Daten für ERP und MES Aufgaben sowie deren Analysen zu nutzen.

Dieses Jahr feiert Mitsubishi Electric 65 Jahre Erodiermaschinen-Geschichte. Welche Ziele verfolgt Mitsubishi Electric mit der Erodiertechnik?

Unser Anspruch ist, die Erodiertechnik stetig weiter zu entwickeln und neue Technologien zu finden, um letztlich unseren Kunden bessere Fertigungsmöglichkeiten bieten zu können.

Welche waren die letzten großen Meilensteine?

Vor zwei Jahren brachten wir zur EMO in Mailand unsere neue 800er-Steuerungsgeneration auf den Markt. Die Präzision, die wir mit dieser Kombination aus neuester Generator- und Steuerungstechnologie erreichen, sucht zumindest momentan ihresgleichen. Der Einsatz von hochpräzisen und energieeffizienten Tubular-Direktantrieben in unseren Draht-erodiersystemen ist sicherlich ein weiterer Meilenstein.

Das heißt: Mitsubishi Electric ist momentan technologisch führend?

Wir sind technologisch sehr gut aufgestellt. Trotzdem ruhen wir uns nicht aus. Wir sehen noch viel Potenzial und treiben entsprechend weitere Entwicklungen voran.

Wie lauten diesbezüglich die Ziele?

Beste Oberflächengüten mit höchster Präzision und maximaler Geschwindigkeit erzeugen – darauf kommt es an. Was machbar ist, belegen wir derzeit eindrucksvoll mit unseren neuesten Erodiermaschinen-Generation MV-R Connect. Mit der auf der M800 basierenden Steuerung der MV-R Connect kann jeder Anwender nun die eingebaute Kosten- und Leistungskontrolle nutzen, Maschinen analysieren, letztlich Abläufe optimieren und die Effizienz steigern.

Heißt das, mit vielen digitalen Helfern kann jeder ein High-End-Erodiersystem effizient bedienen?

So einfach wird es wohl nie. Die Kompetenz der Fachkraft ist durch nichts zu ersetzen. Nur mit Know-how aus viel Erfahrung kann letztlich ein effizienter Erodierprozess entstehen. Die Digitalisierung unterstützt das Know-how der Anwender optimal: Spannend sind vor allem die vom System errechneten Prozesszeiten, Restlaufzeiten für den Erodierdraht oder auch die Standzeit der eingesetzten Filter. Lückenlos lassen sich so Maschinenkapazitäten vor- und einplanen. Und natürlich sind die aktuell gefahrenen Prozesswerte auf jeder Maschine einsehbar und korrigierbar. Das Ganze ist natürlich komplex. Aber gerade deshalb passt diese neue, ja fast intelligente Generation von Erodiersystemen so ideal für europäische und besonders für deutsche Anwender.

Treten damit nicht die eigentlichen Leistungsdaten einer Steuerung in den Hintergrund, also die Leistungsmerkmale, die entscheidend für das qualitative Ergebnis einer Werkzeugmaschine sind?

Der Themenbereich ist sehr umfassend. Die CNC wird heute für sehr viele Aufgaben eingesetzt. Sie dirigiert nicht nur Präzisionsantriebe, Generator und Aggregate, sondern kümmert sich gleichzeitig auch um vor- und nachgelagerte Fertigungsprozesse. Daher befindet sich in der Steuerung ein Prozessor, der nur für die Steuerung einer Werkzeugmaschine entwickelt wurde. Und das muss auch so sein, weil die gesamte Automatisierungsstruktur einer Fertigung stark abhängig ist von den einzelnen Teilprozessen – und vor allem von deren sauberer Integration.

Das klingt auch komplex.

Vielschichtige Fertigungsprozesse und Verknüpfungen eröffnen unterm Strich erst riesige Einsparungspotenziale. Wenn dann die Komponenten aufeinander abgestimmt sind und möglichst noch von einem Hersteller kommen, sind die Voraussetzungen natürlich optimal.

Und ein Technologieunternehmen wie Mitsubishi Electric hat diese optimalen Voraussetzungen?

Genau. Gerade deshalb stellt Mitsubishi Electric nicht mehr die Einzelvorteile der einzelnen Komponenten in den Mittelpunkt, sondern die Gesamtvorteile, die Synergien, die sich durch die optimale Integration ergeben.

Was meinen Sie: Lohnt es sich, weiterhin CNCs zu entwickeln?

Momentan ist es nach wie vor notwendig, dass Werkzeugmaschinen weiterentwickelt werden – und damit auch die CNCs. Daran wird auf absehbare Zeit auch der 3D-Druck nichts ändern – zumal hier auch Steuerungstechnologie benötigt wird. Die additive Technologie wird noch einige Zeit weiterentwickelt werden müssen, und es ist offen ob sie die Performance-Möglichkeiten von abtragenden und umformenden Werkzeugmaschinen mit entsprechender Dynamik und Präzision erreichen kann.

Wie viel Entwicklungsaufwand, wie viel Mannjahre stecken eigentlich in der neuen 800er Serie?

Da ist einiges zusammengekommen, vor allem, weil die Performance einer Werkzeugmaschine vom Zusammenspiel so vieler Schlüsselkomponenten abhängt. Alle Komponenten müssen top sein. Neben Antrieben und Steuerungen kommt es natürlich auch auf die Grundkonstruktion der Maschine an, die entscheidend deren Steifigkeit beeinflusst. Allerdings habe ich auch gelernt: Wenn die Mechanik nicht passt, kann die Steuerung nur noch bedingt helfen.

Welche Rolle spielt die Software?

Die Software, und damit die Programmierung, wird immer wichtiger – weil vor allem die Leistungsfähigkeit der Prozessoren immer weiter steigt. Viele Dinge sind heute Software-basierte Lösungen, die früher auf Basis integrierter Schaltkreise funktionierten. Dennoch werden die ICs nicht ganz verschwinden.

Und wie geht es auf der Fertigungsebene weiter?

Klar ist, dass die klassischen Werkzeugmaschinen mit der Industrie-Automation weiter zusammenwachsen.

Das wünscht sich Hartmut Pütz?

Nein. Die automatisierten Bearbeitungssysteme haben wir doch schon. Die Maschinen sind auf 24/7-Betrieb, externe Werkstückvoreinstellung und automatisierte Beschickung ausgelegt. In der Serienfertigung spielen Bediener die Programme auf und koordinieren die Bestückung der Fertigungszelle mit den Werkstücken. Dann laufen die Maschinen wieder.

Und was wird diese intelligenten Bearbeitungssysteme wieder toppen oder gar ablösen?

Dazu muss ich gar nicht so tief in die Kristallkugel schauen. Ich sehe die künstliche Intelligenz kommen. Mitsubishi Electric hat bereits entsprechende Basisentwicklungen zusammengeführt. Die Integration einer umfassenden künstlichen Intelligenz wird der nächste große Schritt sein. Regelkreise werden integriert, um beispielsweise die nicht unerheblichen Umgebungsbedingungen des Bearbeitungsprozesses zu erfassen, zu dokumentieren und darauf zu reagieren.

Haben wir das Reagieren nicht schon?

Das kontinuierliche Messen der Umgebungstemperatur ist sicherlich ein einfaches Beispiel. Aber warum nicht die künstliche Intelligenz auch in Werkzeugmaschinen-Steuerungen nutzen – und damit nicht nur auf Zustandsänderungen zu reagieren, sondern diese Änderungen voraussagen und vor der eintretenden Änderung bereits zu agieren.

Agieren klingt spannend, würde aber auf den dynamischen Zerspanungsprozess bezogen eine etwas größere Rechenleistung erfordern. Also noch komplexer?

Mit Sicherheit komplexer. Hier hat ein integriertes Technologieunternehmen sicherlich Vorteile bei der Entwicklung. Für einzelne Bereiche können wir so etwas übrigens bereits zur Verfügung stellen, zum Beispiel bei der Vorschub- und Generatorregelung unserer Drahterodiersysteme, dies bereits seit über 10 Jahren.

Die gläserne Fertigung rückt also immer näher?

Sie ist schon längst da. Die Anwender müssen die damit verbundenen riesigen Vorteile nur noch nutzen. Mitsubishi Electric hat für diese gläserne Fertigung die optimalen Tools. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich die CNC-Steuerung. Speziell mit unserer neuen 800er Serie müssen wir uns in punkto Leistungsfähigkeit nicht verstecken. Damit lassen sich heute problemlos im Zusammenspiel von 5 oder 6 Achsen die angesprochenen hohen Oberflächengüten produzieren.