Herr Horn, Sie sind jetzt seit gut sechs Monaten als Produktionsvorstand bei DMG Mori. Kennen Sie schon alle 14 Produktionswerke?
Ich kenne fast alle Standorte. Zuletzt habe ich Ende Oktober unser russisches Werk in Ulyanovsk besucht.
Und wie waren Ihre ersten Eindrücke?
Zuerst einmal sind alle Werke maximal ausgelastet – das ist positiv. Wenn man neu in ein Unternehmen kommt, hat man vorher ein Bild aus der Sicht eines Außenstehenden. Dieses positive Bild, gerade was Innovationen und Digitalisierung anbelangt, hat sich bei mir absolut bestätigt.
Das heißt, Ihre Erwartungen an den Wechsel zu DMG Mori haben sich erfüllt?
Ja, schon in meiner letzten Tätigkeit in der Schleifbranche hatte ich eine sehr enge Verbindung zu DMG Mori aufgebaut. Für mich ist DMG Mori der Treiber für sehr zukunftsweisende Innovationen in der Werkzeugmaschinenindustrie. Ich bin stolz darauf, in meiner Funktion als Vorstand die Zukunftsthemen des DMG-Mori-Konzerns aktiv mitzugestalten und voranzutreiben.
Was sind jetzt Ihre Hauptaufgaben?
Ich verantworte die Bereiche Produktion, Logistik und Qualität. Eines der wesentlichen Themen ist es, die Digitalisie-rung in unsere eigene Wertschöpfungskette zu bringen. Und das aus zwei Gründen: Einmal, weil die Digitalisierung ein großer Enabler ist, um effizienter zu werden und Verschwendungen in der Produktion zu reduzieren. Aber auch, um unseren Kunden zu demonstrieren, dass diese Lösungen in unserer eigenen Wertschöpfungskette nachhaltig imple-mentiert sind. Ein sehr gutes Beispiel ist unser polnisches Werk Famot, dass End-to-End auf allen Wertschöpfungsstufen digital arbeitet und jetzt zu einer der größten und modernsten Produktionsstätten des Konzerns gehört.
Warum ist es so wichtig, Ihre Digitalisierungslösungen auch in den eigenen Werken einzusetzen?
Weil wir so unsere Digitalisierungslösungen intern verproben können. Wir haben die Möglichkeit zu lernen, was es in der praktischen Umsetzung bedeutet, wenn Maschinen und die gesamte Infrastruktur vernetzt sind und welcher Mehrwert sich daraus für uns und unsere Kunden generieren lässt. Die Ergebnisse fließen dann unmittelbar in Neuentwicklungen ein. Das ist eine der Grundzielsetzungen, die wir uns selbst gestellt haben.
Müssen Sie damit in Ihrer eigenen Fertigung den Kundenanwendungen nicht immer einen Schritt voraus sein?
Grundsätzlich interagieren wir immer auf Augenhöhe mit unseren Kunden. Das heißt, wir wollen zumindest alle Zukunftsthemen, wie Automation und Digitalisierung, auch in unserer Wertschöpfungskette adressiert haben. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Skalierbarkeit, damit wir unsere Produkte aus der eigenen Anwendung heraus flexibel an die Anforderungen unserer Kunden anpassen können.
Gilt diese Vorgehensweise für alle Standorte oder gibt es Pilotwerke?
Pilotanwendungen und Lighthouse-Projekte sind wichtige Säulen unserer ganzheitlichen Innovationsstrategie. Das heißt, wir gehen mit der jeweiligen Technologie in einem Werk an den Start, entwickeln sie dort zu einem Reifegrad und rollen sie dann – wenn sinnvoll – in andere Werke aus. So ist Famot unser Werk für Production Planning im Bereich der Digitalisierungslösungen, fahrerlose Transportsysteme (AGV) werden in Pfronten erprobt und in Seebach läuft im Moment unser Projekt in Bezug auf Roboter und Cobotlösungen.
Das polnische Werk Famot wurde deutlich ausgebaut und jetzt im Oktober neu eröffnet. Welche Rolle spielt dieser Standort im Konzernverbund?
Bei Famot sind wir in der Durchgängigkeit der Digitalisierung über die gesamte Wertschöpfungskette am weitesten. Dort haben wir über 50 Fertigungsmaschinen miteinander vernetzt und unseren kompletten Baukasten an digitalen Tools und Systemen implementiert – inklusive des Auftragseingangs im Vertrieb bis zum Instandhaltungsmanagement und von der integrierten Produktionsplanung bis hin zu unserer eigenen MES/BDE-Softwarelösung für die Überwa-chung elementarer Kennzahlen der mechanischen Bearbeitung. Zugute kam uns hier das Know-how unserer digitalen Einheiten Istos, mit ihren modularen Anwendungen innerhalb der Planning Solutions, und Werkbliq mit der webbasierten Serviceplattform. Wir haben bei Famot im Sinne von Integrated Digitization einmal unseren kompletten Baukasten implementiert.
Zu den Projekten in Pfronten und Seebach: Werden die angesprochenen fahrerlosenTransportsysteme und Cobots dort bereits im Produktionsalltag eingesetzt?
Derzeit sind wir in der Erprobungsphase. Wir kennen die Technologien und haben sie spezifiziert. Jetzt geht es darum, dass sie in der Praxis erprobt werden.
Wie sieht die Zeitschiene dafür aus?
Das sind unsere Aufgaben für 2019. Der Reifegrad ist bei diesen Technologien schon sehr hoch. Die Herausforderung liegt jetzt darin, wie wir AGV und Cobots sinnvoll in die eigene Wertschöpfungskette integrieren und mit unseren eigenen Softwarelösungen ergänzen, um so einen Kundenmehrwert bieten zu können.
Wird DMG Mori dann irgendwann mobile Plattformen als eigenes Produkt anbieten?
Das will ich nicht grundsätzlich ausschließen, aber es gibt keine konkrete Produktentwicklung. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass wir zukünftig AGV mit unseren Automationslösungen verknüpfen und vernetzen werden.
Gibt es weitere solcher Lighthouse-Projekte?
Vieles geht in die Richtung, wie wir die einzelne Komponente intelligenter machen und ihr Informationen mitgeben können. Hier untersuchen wir die weitere Nutzung der RFID-Technik und werden die Ergebnisse in neue Softwareprodukte überführen, um erforderliche Service- und Wartungskomponenten zu integrieren.
Zurück zum Verbund der Werke. Wie sehen Sie DMG Mori unter dem Aspekt der lokalen Produktion aufgestellt?
Entscheidende Kriterien für uns sind, dass wir im Verbund unserer lokalen Werke die Zielmärkte schnell und flexibel mit wirtschaftlichen Fertigungslösungen bedienen können. Dabei ist jedem Produktionswerk seine spezielle Aufgabe zugeordnet. Neben den eigenen Produkten der CLX- und CMX-Baureihe liefert beispielsweise Famot pro Jahr rund 1.600 vorproduzierte Rumpfmaschinen sowie über 2.000 Komponenten und Teile an unsere Tochterunternehmen.
Wo liegen die Kernkompetenzen in ihrer Fertigung?
Wir haben eine klare Vorstellung, was zu unseren Kernkomponenten gehört und die fertigen wir selbst. Die Spindeln der verschiedenen Master-Baureihen sind dafür ein exzellentes Beispiel. Wir haben einen hohen Qualitätsanspruch und übernehmen die komplette Verantwortung von der Entwicklung über die Fertigung und Montage bis zur Wartung. Die daraus resultierenden Ergebnisse können wir unmittelbar an die Kunden weitergeben. Deshalb gibt DMG Mori 36 Monate Gewährleistung auf Spindeln der Baureihe – und das ohne Stundenbegrenzung. Unsere heutige Fertigungskompetenz werden wir stärken und weiter ausbauen. Alles, was in Richtung Softwarelösungen und Automatisierung geht, sind definitiv Themen, bei denen wir unsere Kompetenz ausbauen werden. Heute liefern wir bereits jede vierte Maschine mit Automatisierung an den Kunden. Wir müssen es schaffen, Automatisierung in Baukästen zu strukturieren, die unabhängig für Groß- oder Kleinserienfertiger und für große oder kleine Bauteile nutzbar sind. Dazu haben wir das Joint Venture DMG Mori Heitec im November letzten Jahres gegründet – um für jedes Maschinenmodell eine sinnvolle Automation anzubieten.
DMG Mori hat das Ziel ausgegeben, in jedem Werk Automatisierungskompetenz anbieten zu können. Ist diese Vorgabe schon umgesetzt?
Alle Werke sind in der Lage, Automatisierungslösungen anzubieten, wobei wir auch hier als Team im Kompetenzverbund agieren. Nehmen Sie das Beispiel Robo2Go: Diese flexible Roboterlösung für Drehmaschinen bauen wir in Bielefeld. Wenn diese auch an anderen Maschinen zum Einsatz kommt, die nicht in Bielefeld gefertigt werden, ist es wichtig, dass die Schnittstellen klar sind und wir die Roboterzelle andocken können. Es macht also keinen Sinn, an jedem Standort über das komplette Spektrum hinweg das gleiche Level an Automatisierungskompetenz anzubieten. Unsere Philosophie ist vielmehr die Spezialisierung in den Werken mit klaren Schnittstellen, sodass der gesamte Konzern auf das Know-how zugreifen kann.
Die Kooperation von Gildemeister und Mori ist 2009 mit über 300 verschiedenen Maschinenmodellen gestartet, die dann schrittweise verringert wurden. Wie ist der aktuelle Stand?
Die Modellvielfalt ist sukzessiv reduziert worden. Bis Ende dieses Jahres werden wir 152 Maschinentypen in unserem Portfolio haben. Unser Ziel sind weniger als 130 Maschinenmodelle bis 2020 – ohne die Optionsvielfalt negativ zu beeinflussen. Die Frage ist immer, welche Lösung der Anwender benötigt. Bei dieser Bereinigung haben wir auf einen Modulbaukasten aufgesetzt. Er schafft die Grundvoraussetzung für eine effiziente Produktion und Montage der Anlagen sowie einen nachhaltigen Service.
Wie viele Maschinen wird DMG Mori 2018 insgesamt produzieren?
In diesem Jahr werden wir rund 12.000 Maschinen weltweit produzieren.
Kommen wir nochmal zu den deutschen Standorten: Welchen Stellenwert haben die Werke im mehrheitlich japanischen Konzern?
Alle deutschen Standorte sind erfolgreich in ihrem Gebiet und zukunftsfähig noch dazu. Darauf aufbauend werden wir das Werk in Pfronten deutlich ausbauen und nicht nur in Gebäudeinfrastruktur, sondern auch in ein Technologiecenter investieren, um den Ausbau der Digitalisierung zu forcieren und in die eigene Wertschöpfung zu integrieren. Am Standort Bielefeld planen wir, die Produktion von Realizer auszubauen und ein Additiv Manufacturing Center zu errichten, um unseren Kunden die gesamte Wertschöpfungskette des additiven Fertigungsprozesses – von der Konstruktion bis zur Nachbearbeitung – zeigen zu können. Ich denke, das ist ein klares Commitment.
Wie wird der Standort Wernau zukünftig positioniert sein?
Der Standort Wernau wird sich intensiver auf die Entwicklung von kundenorientierten Automatisierungs- und Fertigungslösungen konzentrieren. Von hier aus unterstützen wir auch unsere japanischen Kollegen beim Service und Vertrieb unserer Maschinen der DMG Mori Co. Ltd.
Thema Qualität. DMG Mori hat vor etwa zwei Jahren seine First-Quality-Strategie ausgerufen, die Qualitätsstan-dards in der eigenen Produktion, aber auch in der Zusammenarbeit mit Partnern definiert. Wie erfolgreich sind Sie mit dieser Strategie?
Der eingeschlagene Weg wird konsequent weiterverfolgt. Qualität ist für unsere Kunden das wesentliche Kaufkriterium. Qualität bezieht sich dabei sowohl auf die Maschinen als auch auf unsere Service- und Ersatzteilperformance. Wir haben in diesem Jahr sehr stark in den Service investiert – mit dem Ziel, bis zum Jahresende 200 zusätzliche Servicetechniker einzustellen. Bereits heute haben wir allein in Europa über 125 zusätzliche Servicetechniker akquiriert und ausgebildet.
Wie wird es mit der Strategie weitergehen?
Qualität ist ein Thema, das nie endet. Für 2019 wird Software im Fokus stehen. Durch Digitalisierung und Automati-sierung eröffnen sich neue Handlungsfelder und es wird eine Verschiebung von Hardware in Richtung Software in den nächsten Jahren geben.
Wie stark ist DMG Mori von aktuellen Lieferengpässen bei Komponenten betroffen?
Natürlich ist das auch bei uns ein Thema, doch erfreulicherweise schlägt sich diese Problematik nicht in der Qualität der gelieferten Teile nieder. Durch unsere langjährige vertrauensvolle Partnerschaft zu unseren Lieferanten sind sie tief in unsere Wertschöpfungskette integriert. Somit haben wir eine ideale Ausgangsbasis geschaffen, um uns in solchen Situationen eng abzustimmen.
Zum Schluss noch ein Blick voraus: Worin sehen Sie Ihre größte Herausforderung für die nahe Zukunft?
Mein persönliches Ziel ist es, die Digitalisierungslösungen sowohl durchgängig, vor allem aber auch nachhaltig in unsere eigene Wertschöpfungskette zu implementieren.