Image
Die Spanntechnik-Experten Lisa Wendler und Bernd Liedel zeigen die Lage der Vierkantfläche am Beispiel des Musterwerkstücks.
Foto: Emuge-Franken
Passgenaue Spannkonzepte für die E-Mobilität entwickeln die Spanntechnik-Experten Lisa Wendler und Bernd Liedel. Hier zeigen sie die Lage der Vierkantfläche am Beispiel des Musterwerkstücks.

THEMA DER WOCHE 34/2022

Maßgeschneiderte Spannkonzepte für die E-Mobilität 

Wie wichtig maßgeschneiderte Spannkonzepte für die E-Mobilität sind, erklären die Emuge-Franken-Experten Lisa Wendler und Bernd Liedel anhand einem der leistungsstärksten E-Antriebe im Markt.

Spannmittelhersteller stehen bei den Komponenten für die Elektromobilität vor neuen Herausforderungen. Wie anspruchsvoll diese sind, zeigt sich an Rotoren von Elektromotoren. Um den Wirkungsgrad des Motors nicht zu schmälern, muss dieser, trotz besonderer Geometrie, innerhalb genauester Toleranzen gefertigt werden. Die Spanntechnik von Emuge-Franken bietet dafür maßgeschneiderte Spannkonzepte.

Spannkonzept für die Dreh- und Fräsbearbeitung

Höchste Präzision und eine wirtschaftliche Produktion stehen bei Rotoren für Elektroantriebe im Fokus. Vor diesem Hintergrund trat ein Kunde mit einer speziellen Thematik an Emuge-Franken heran. Bernd Liedel, Teamleiter in der Konstruktionsabteilung, skizziert die wesentlichen Punkte: „Wir bekamen die Aufgabe, eine Rotorwelle für einen Elektromotor zu spannen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es möglich ist, den Rohling an einer ganz bestimmten Stelle zu spannen.“ Ein Blick in das Werkstück hinein verdeutlicht das Problem: Das Werkstück ist eine rundgeknetete Welle mit einer zylindrischen Innenbohrung, ergänzt um eine zusätzliche vierkantige Fläche. Kritischer Punkt des gesamten Vorhabens: „Eine Fläche des Vierkants ist der Bezug für alle Bearbeitungen. Für uns hieß das, wir müssen in diesem Profil spannen.“

Fräsbearbeitung am Beispiel eines Musterwerkstücks – inklusive des gesamten Spannkonzepts im Überblick mit Spannbüchse, Anschlag, Keilbacken und dem aufgesetzten Musterwerkstück.
Drehbearbeitung am Beispiel des Musterwerkstücks.
Die Anschlussgeometrie erlaubt den Einsatz auf zwei unterschiedlichen Maschinentypen.

Die Spannebenen: quadratisch und zylindrisch

Die Rotorwelle wird über zwei Ebenen gespannt. Die erste Fixierung erfolgt über Keilbacken. Diese erzeugen eine quadratische Spannfläche. Die zweite Fixierung erfolgt durch eine spezielle Spannbüchse. Zwischen beiden Spannebenen befindet sich der Anschlag, der die axiale Lage des Werkstücks bestimmt. Im Folgenden geht Bernd Liedel auf die einzelnen Aspekte detailliert ein. Die Beladung mit dem Werkstück erfolgt vollautomatisch über einen Roboter. Dieser setzt den Rohling bereits lageorientiert auf die Spannvorrichtung. Damit das Werkstück nun richtig ausgerichtet und die Bezüge abgebildet werden können, muss eine konkrete Bezugsfläche als Spannreferenz herhalten: „Die Keilbacke, die an der Bezugsfläche für alle Form- Lagetoleranzen anliegt, muss gesondert dimensioniert werden.“ Das Spannkonzept sieht vor, dass an allen vier Anlageflächen des Innenvierkants gespannt wird. Hier lauert aber auch eine Gefahr: Die vier Anlagepunkte sind per se eine Überbestimmung und können zu einer weniger stabilen Aufspannung des Werkstücks führen. Besondere geometrische Formen der einzelnen vier Keilbacken verhindern genau das und führen dazu, dass jede Keilbacke beim Auseinanderstreben exakt definiert und hochgenau anliegt.

Gegen eine zweite Keilbacken-Ebene entschieden

Die zweite Spannebene liefert die notwendige Achs-Ausrichtung in der Aufspannung: „Wir haben das Spannsystem SG ausgesucht, weil es dünnwandig gestaltet werden kann, aber trotzdem die typischen Vorteile eines mechanischen Spannsystems mitbringt. Dazu zählt unter anderem die Axialkomponente, mit der das Werkstück gegen den Anschlag gezogen wird und so höhere Haltekräfte überträgt. Die Spannbüchse erlaubt es uns auch, einen stabilen Grundkörper zu dimensionieren. Den brauchen wir für die Haltekräfte und er reduziert Schwingungen.“ Denn während der Operationen wird an der Zustellung nicht gespart: „Hier geht es um zwei Bearbeitungsverfahren: Zuerst werden verschiedene Konturen am Rohteil im Weichzustand gefräst und gedreht. In der folgenden Operation erfolgt die Hartbearbeitung auf dem gleichen Spanndorn.“ Der Kunde hat im Zuge der Auslegung der zweiten Spannebene gefragt, weshalb man sich für eine 360°-Aufspannung und gegen eine zweite Keilbacken-Ebene entschieden hat. Die Begründung liefert das Werkstück: „Mit einer zweiten Keilbacken-Ebene hätten wir das Werkstück unter Umständen verformt.“

Werkstück nicht über den Anschlag zentrieren

Mit den von Emuge ausgelegten Zugstangensätzen steht dem flexiblen Einsatz des Spanndorns auf zwei unterschiedlichen Maschinentypen nichts im Weg, denn: „Wechselteile bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Werkstücke zu spannen. Wir bringen also alles mit, um den Spanndorn möglichst flexibel einzusetzen!“ Der Anschlag liegt zwischen zwei Spannebenen und verdient eine genauere Betrachtung. Die Axialkraft drückt zunächst die Fasen des Vierkants im Werkstück gegen den Anschlag. Auch hier wäre die 4-Punkt-Anlage wieder eine Überbestimmung. „Wir wollten nicht, dass das Werkstück über den Anschlag zentriert wird, sondern, wie bereits erwähnt, über die Keilbacken. Deshalb ist der Anschlagring pyramidenstumpf-förmig und wenige Hundertstel verschiebbar.“ Bernd Liedel deutetet auf einen O-Ring zwischen Grundkörper und Anschlag: „Dieser federt den Anschlag nach der Bearbeitung wieder in die Ausgangslange zurück.“

„Wir wurden dann für die Optimierungen gerufen“

Das Ausrichten ist ein Zusammenspiel aus mehreren Komponenten. Der Deckel und die Keilbacken zentrieren das Werkstück vor. Das finale Einrichten des gesamten Spannsystems erfolgt mit einem eigens angefertigten Meisterwerkstück. Um die Zuordnung beim Ausricht- und Prüfvorgang zu erleichtern, gibt es Farbmarkierungen. Diese stellen auch sicher, dass die Montage beziehungsweise der Wechsel von Teilen korrekt erfolgt und das Wuchtergebnis nicht verfälscht wird.

Für gewöhnlich begleiten die Spanntechnik-Experten von Emuge-Franken die Erstinbetriebnahme einer Spannvorrichtung vor Ort. Hier war es anders: „Die Erstinbetriebnahme erfolgte durch den Kunden selbst. Er hat sich mit der Spannvorrichtung sehr gut zurechtgefunden und zügig mit dem Bearbeiten der ersten Rotorwellen begonnen. Wir wurden dann für die Optimierungen gerufen“, erklärt Bernd Liedel. Er verdeutlicht aber auch: „Bei einer Serienfertigung, die bei null beginnt – bei der es also keine Vorläufer oder ähnliches gab – ist es extrem wichtig, dass man den Kunden beim Entwickeln des Prozesses hilft. Das ist uns, wie man an der reibungslosen Inbetriebnahme oder am erfolgreichen Serienbetrieb sieht, ganz hervorragend gelungen.“

„Die E-Mobilität passt perfekt zu uns“

Mit der Werkstückspannung von Emuge-Franken verbindet man den starken Bezug zu klassischen Bauteilen eines Verbrennungsmotors. Deshalb die Frage: Elektromobilität und Emuge-Spanntechnik, passt das zusammen? Bernd Liedel hat dazu eine klare Meinung: „Rotationssymmetrische Bauteile, hohe Stückzahlen der zu bearbeitenden Werkstücke, sehr hohe Genauigkeiten – drei Anforderungen, die unsere Stärken ansprechen. Deshalb passt die E-Mobilität perfekt zu uns!“ Er verweist weiter auf die ebenfalls hohen Anforderungen an Innovation und Präzision – zwei Kompetenzen der Spanntechnik von Emuge-Franken, die auch für die Zukunft Gutes verheißen. Lisa Wendler, verantwortlich für das Projekt- und Produktmanagement in der Emuge-Spanntechnik, ergänzt: „Auf Grund unseres Know-hows im klassischen Antrieb sind wir gut aufgestellt. Zudem: Wir bieten schon immer Sonderlösungen, das passt also!“ Sie erwähnt ein verwandtes Gebiet: „Wir sind bereits in Anwendungen der E-Mobilität vertreten. Dazu zählen Spannkonzepte für die hochgenaue Bearbeitung filigraner und dünnwandiger Antriebswellen für E-Bikes beziehungsweise Pedelecs.“

Spannkonzept voll funktionsfähig auf der AMB

Der fertige Rotor läuft in einem Elektromotor für E-Autos, das aktuell zu den leistungsstärksten am Markt gehört. Das macht das Spannkonzept hoch interessant, deshalb findet man den hier beschriebenen Spanndorn auch im neuen Serviceportal mit weiteren, tiefergehenden technischen Details. Zudem: „Wir stellen das Spannkonzept voll funktionsfähig auf der AMB 2022 in Stuttgart aus und bieten die Möglichkeit, die Technik dahinter zu erleben.“

Mehr Spanntechnik neu im Web

Die Spanntechnik von Emuge-Franken verfügt über tiefgreifendes Prozessverständnis für vielfältige Anwendungen der spanenden Fertigung. Die langjährige und enge Zusammenarbeit mit anspruchsvollen Kunden bestätigt das. Seit 2021 präsentiert sich die Emuge-Spanntechnik mit einem komplett neuen Webaufritt beziehungsweise einem neuen Serviceportal. Angesprochen darauf, geht Lisa Wendler auf die Marschrichtung ein: „Es gibt ein klares Ziel: Wir wollen sichtbarer werden. Wir müssen erzählen, was wir können!“ Das Serviceportal ist das Ergebnis eines aufwändigen Projekts im Produktmanagement. Lisa Wendler nennt die besonderen Mehrwerte: „Das Serviceportal listet eine Auswahl an Spannkonzepten auf. Mit Hilfe spezifischer Filterkriterien schränken Sie die Auswahl an Lösungen, die für Ihren Einsatzzweck passen könnte, bestmöglich ein, um eine auf Ihren Einsatzzweck zugeschnittene Anfrage zu starten. Zu den dargestellten Spannkonzepten im Serviceportal bieten wir umfangreiche technische Informationen und ansprechende 3D-Visualisierungen. Wir zeigen damit den Leistungsumfang der Emuge-Spanntechnik.“ Zudem: „Auf den neuen Webseiten gibt es vielschichtige Informationen zu unserer Spanntechnik im Allgemeinen und wir gehen auf die angebotenen Serviceleistungen ein.“

Image
Kastenbild:                          Das neue Serviceportal der Emuge-Spanntechnik – online zielführend und mit Mehrwert, versichert der Hersteller.
Foto: Emuge-Franken
Das neue Serviceportal der Emuge-Spanntechnik – online zielführend und mit Mehrwert, versichert der Hersteller.