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Foto: Röhm
Messende Spannbacke I-Jaw als Konsolenbacke mit wechselbaren Spanneinsätzen und zwei Spannstufen.

Spannmittel

IoT-Lösung zur Echtzeitmessung von Spannkraft 

Röhms IoT-Lösung, die messende Spannbacke I-Jaw zur Echtzeitmessung von Spannkraft während der Bearbeitung, hat nicht einmal ein Kabel.

Röhm präsentierte auf der Emo 2021 in Mailand erstmals die Iot-Lösung I-Jaw,  mit der sich während der spanenden Bearbeitung die Spannkraft in Echtzeit messen lässt. Damit löst Röhm ein Problem, für das es bisher keine akzeptierte, industrielle Lösung gab: das Einstellen der Spannkraft geschieht bis dato meist durch den Bediener der Werkzeugmaschine und ist Erfahrungssache. Fehler bei der Bearbeitung durch falsche Spannkraft oder Werkstückverlust sind damit vorprogrammiert. Die von Röhm vorgestellte Spannbacke I-Jaw integriert Sensorik zur Spannkraftmessung sowie drahtlose Datenübertragung in eine vollwertige Spannbacke. Die Messung erfolgt direkt an der Spannstelle zum Werkstück, die Datenübertragung an ein Gateway geschieht über den kommenden Industriestandard IO-Link Wireless. Das Gateway lässt sich über die integrierte Profinet-Schnittstelle mit der Maschinensteuerung verbinden und/oder sendet die Daten über das integrierte LAN-Interface in eine Cloud.

Echtzeitmessung statt Spannen nach Gefühl

Das Spannen von Werkstücken geschieht selbst auf modernsten Werkzeugmaschinen bis heute so wie bereits vor hundert Jahren: der Bediener spannt „nach Gefühl“. Mangels Sensorik kann ihn die Werkzeugmaschine dabei nur in geringem Umfang unterstützen. Und damit Werkstücke wirklich „sicher“ gespannt sind – niemand möchte ein Herausschleudern riskieren – wird die Spannkraft oft eher zu hoch eingestellt. Gerade bei dünnwandigen Bauteilen oder empfindlichen Oberflächen führt das schnell zum Verformen und Verdrücken.

Messung der Spannkraft direkt an der Spannstelle

Mit der I-Jaw präsentiert der Spannmittelspezialist Röhm eine Spannbacke mit integrierter Sensorik zur Messung der Spannkraft direkt an der Spannstelle. Zwischen dem Sensor und dem Werkstück befindet sich lediglich ein nur einige Millimeter dicker Spanneinsatz. Damit eliminiert Röhm nahezu alle verfälschenden Einflussfaktoren und die I-Jaw kann über die tatsächliche, am Werkstück anliegende Spannkraft Auskunft geben. Die gemessenen Daten überträgt die I-Jaw kabellos über das robuste IO-Link Wireless Protokoll mit einer hohen Abtastrate von 100 Hz an ein Gateway. Das bedeutet, die I-Jaw misst in Echtzeit während der Bearbeitung. Dazu ist sie entsprechend robust aus gehärtetem Stahl und wasserdicht (IP 68) ausgeführt. Die Sendeantenne hat zum Schutz gegen glühende Späne eine Abdeckung aus Hochtemperaturkunststoff. Die I-Jaw lässt sich auf allen Drehfuttern mit einer passenden (Standard-)Backenschnittstelle wie jede andere Spannbacke montieren und einsetzen. Zur Markteinführung gibt es die I-Jaw als Stufenbacke für Drehfutter mit Geradverzahnung oder Schrägverzahnung in den Größen 215, 260 und 315. Passende Drehfutter von Röhm sind die Kraftspannfutter mit Backenschnellwechselsystem Duro-A RC, Duro-NCSE und Duro-NC sowie das Pendant aus dem konventionellen Bereich das Duro-T. Zur Anpassung der Backen an unterschiedliche Werkstückgeometrien gibt es verschiedene, wechselbare harte und weiche Spanneinsätze, die mit Schrauben auf der Backe arretiert werden.

IoT-Lösung mit Gateway als Daten-Hub

Das Gateway mit IO-Link Wireless Empfänger dient zum Empfang der Daten und zu deren Weiterleitung. Zur Anbindung an die Maschine bietet das Gateway eine Profinet-Schnittstelle. Darüber liegen die Daten an der Maschinensteuerung an und können auf dem HMI der Werkzeugmaschine angezeigt und/oder von der Maschinensteuerung weiterverarbeitet werden. Über eine LAN-Schnittstelle am Gateway lässt sich die I-Jaw mit dem Internet verbinden und ist damit eine echte IoT-Lösung. Die Daten können darüber in eine Cloud gesendet und dort archiviert und weiterverarbeitet werden. „Wir haben sieben ganz unterschiedliche Szenarien identifiziert, in denen die I-Jaw einen deutlichen Mehrwert bietet“, sagt Claus Faber, Leiter Produktmanagement und Marketing bei Röhm. In den ersten drei Szenarien geht es um das ‚Fühlen‘ vor und während der Bearbeitung. Vor der Bearbeitung unterstützt die I-Jaw beim Zuführen von Werkstücken und beim Einrichten des Spannsystems. Kommt es dabei zu Fehlern, weichen die gemessenen Spannkräfte von den Sollwerten ab und es kann manuell oder automatisiert reagiert werden. Während der Bearbeitung können zu hohe Spannkräfte (Gefahr der Beschädigung des Werkstückes) und zu niedrige Spannkräfte (unzureichende Haltekräfte bis hin zum Herausschleudern des Werkstückes) detektiert werden. Drei weitere Szenarien bieten Lösungen zur Auswertung von Serien- und Reihenmessungen. Hier können durch sich verändernde Spannkräfte frühzeitig Trends erkannt werden. Dazu zählen das frühzeitige Erkennen von anstehenden Wartungen zum Erhalt der Spannkraft oder das Verschleißen von Werkzeugen. Ausschussteile können schon im Bearbeitungsprozess, d.h. bereits während ihrer Herstellung, identifiziert werden. „Im letzten Szenario sehen wir vor allem die Dokumentation“, erläutert Claus Faber, „das ist zum einen für dokumentationspflichtige Bauteile hochinteressant – wie beispielsweise in der Luft- und Raumfahrttechnik – zum anderen aber auch für Produkt- und Prozessoptimierungsaufgaben. Wenn ich nach einem längeren Zeitraum noch einmal wissen möchte, wie ein Bauteil gefertigt wurde, kann ich die Fertigungssituation in den Daten in der Cloud recherchieren. Die I-Jaw archiviert quasi den Fingerabdruck der Bearbeitung.“ Claus Faber ergänzt, „aber wir sind sicher, dass es bei unseren Kunden noch eine Vielzahl weiterer Anwendungen geben wird. An die meisten werden wir selbst in den kühnsten Brainstormings noch nicht einmal gedacht haben.“

Werkzeugmaschinenhersteller als Entwicklungspartner

Seit Ende 2020 hat Röhm eine exklusive Entwicklungspartnerschaft mit den Werkzeugmaschinenherstellern DMG Mori, WFL und EMCO. Sie erprobten die I-Jaw in der Schlussphase der Entwicklung auf ihren Maschinen und begleiteten Röhm zur Serienreife. DMG Mori präsentierte geladenen Gästen die I-Jaw auf einer CTX Beta 1250 TC 4A auf der Pre-Emo in Pfronten vom 20. bis 25. September 2021. WFL zeigte die I-Jaw auf einer M50-G auf der Emo 2021 in Mailand. Das IO-Link Wireless Protokoll sieht Röhm als den kommenden Standard in der drahtlosen Kommunikation im industriellen Umfeld. Gegenüber dem heute vielfach eingesetzten Bluetooth ist IO-Link Wireless deutlich robuster und stabiler. Röhm ist überzeugt, dass sich bei kommenden IoT-Produkten immer stärker IO-Link-Wireless durchsetzen wird. Röhm hat sich daher für den Entwicklungzeitraum der I-Jaw-Technologie beim IO-Link Wireless Spezialisten Coretigo eine exklusive Nutzung für Anwendungen in der Spanntechnik gesichert. Coretigo ist Entwicklungspartner bei den Hardwarekomponenten für die drahtlose Übertragung. Die I-Jaw ist ab Februar 2022 verfügbar.

ak