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Die Verantwortlichen vor der Universalmaschine G350: Frank Fedtke, Tobias Grimm und Hans Keller von der Aesculap AG sowie Joachim Stock von den Grob-Werken (v. li.). 
Foto: Grob-Werke
Die Verantwortlichen vor der Universalmaschine G350: Frank Fedtke, Tobias Grimm und Hans Keller von der Aesculap AG sowie Joachim Stock von den Grob-Werken (v. li.). 

Bearbeitungszentren

In kürzerer Bearbeitungszeit zu Medizinprodukten

Die Bearbeitungszeit von Medizinprodukten sollte reduziert werden. Mit der Grob-Universalmaschine G350 konnte die Fräszeit um mehr als die Hälfte verringert werden.

In Tuttlingen, im Mekka der deutschen Medizintechnik gelegen, hat die Aesculap AG ihren Hauptsitz. Das Unternehmen ist Teil der B. Braun-Gruppe, einem der führenden Hersteller von Medizintechnik- und Pharmaprodukten sowie Dienstleistungen mit weltweit über 64.000 Mitarbeitern in 64 Ländern. Im Jahr 1867 als kleine Werkstätte für chirurgische Instrumente gegründet, ist Aesculap heute einer der renommiertesten Hersteller von Medizinprodukten und Medizintechnologien. Um diese Position im Markt halten und ausbauen zu können, sind die Anforderungen an die Produktion enorm hoch. So werden bei Aesculap Werkzeuge mit sehr unterschiedlichen Dimensionen produziert. Die Spanne reicht von einem 2,5 m langen Verbundwerkzeug mit bis zu 3 t Gewicht bis hin zur Mikroproduktion mit kleinsten Werkzeugen, um zum Beispiel Mikronadeln zu spannen, mit einem Durchmesser bis etwa 70 μm. Doch nicht nur die Größenunterschiede erstaunen, sondern auch die immens große Palette. So befinden sich derzeit etwa 28.000 verschiedene Produkte im Sortimentsbaukasten des Unternehmens.

Die Bearbeitungszeit wurde deutlich reduziert

Entsprechend seiner Produktvielfalt und Diversifizierung ist der Maschinenpark im Werkzeug- und Prototypenbau von Aesculap ausgelegt. Auch Universalmaschinen von Grob gehören bereits seit 2010 dazu. „Nach ersten interessanten Gesprächen haben wir den Grob-Anwendungstechnikern ein Modell gegeben, das sie bauen sollten“, erinnert sich Hans Keller, Leiter Werkzeug- und Prototypenbau bei der Aesculap AG. „Es handelte sich um einen Hüfteinschläger, ein relativ großes Teil für Hüftoperationen. Für uns damals tatsächlich ein Problemteil, mit einer sehr langen Fräszeit von über drei Stunden.“ So war die Aufgabenstellung klar: Trotz seines zähen, schwer zu bearbeitenden Materials – der Einschläger wird aus 17-4PH gefertigt, einem rostfreien Chrom-Nickel-Stahl – musste die Bearbeitungszeit maximal reduziert werden. Und tatsächlich, aufgrund der hohen Geschwindigkeiten, die mit den Universalmaschinen vibrationsfrei möglich sind, konnte die Fräszeit um mehr als die Hälfte reduziert werden. Auch der Bedarfsanforderung einer automatisierten Fertigung von Abdeckungen in großen Stückzahlen in vorwiegend mannloser Schicht konnte man gerecht werden.

Dennoch war es ein langer Weg, bis alle Bedenken bei Aesculap gegenüber der Grob-Maschine – trotz der hervorragenden Ergebnisse aus dem Prototypenbau – überwunden werden konnten. Der Grund war ein einfacher: „Meine Frästechniker im Werkzeugbau waren nur eine vertikale Bearbeitung gewohnt“, erinnert sich Keller. „Eine horizontale Bearbeitung kannten sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Die Spindel von hinten, die Maschine anders programmieren und anders spannen. Die Prozesse waren einfach fremd für sie.“ Der Bann konnte erst nach einem Besuch in Mindelheim und einem erfolgreichen Frästest im Technologie- und Anwendungszentrum (TAZ) von Grob gebrochen werden.

Stabiles Maschinenkonzept zum Fräsen aus dem Vollem

Schnell erkannten die Mitarbeiter aus dem Werkzeugbau die sehr hohe Produktivität der Universalmaschinen durch den Einsatz von starken Spindeln und dem stabilen Maschi­nenkonzept. Ein Konzept, mit dem gut aus dem vollen Material gefräst werden kann, was bei medizinischen Instrumenten häufig der Fall ist. Ein in der Medizintechnik besonders inte­ressanter Umstand, weil durch die hohe Variantenvielfalt oft nur sehr kleine Losgrößen vorhanden sind. Auch erkannten sie, dass durch das schlanke Spindeldesign und die spezifische Achsanordnung der Einsatz von kurzen Werkzeugen möglich ist und damit auch die Werkzeugkosten reduziert werden können. Darüber hinaus war schnell klar, dass durch die innovativen 5-Achs-Zyklen, die durch die beiden Torque-Antriebe in der A-B-Achse realisiert werden, eine optimale Nutzung der Werkzeuge mit deutlich besseren Standzeiten sichergestellt werden kann.

Der Werkzeugbau bei Aesculap ist unter der Führung von Hans Keller und seinen etwa 70 Mitarbeitern so etwas wie die Denkfabrik des Unternehmens. Ist Keller von einer neuen Bearbeitungstechnologie überzeugt, kommt sie zunächst bei ihm im Werkzeugbau zum Einsatz, wird dort auf Herz und Nieren getestet, um dann die Freigabe für die Produktion zu bekommen. „Da wir im Werkzeugbau trotz der umfangreichen Palette von mehreren tausend unterschiedlichen Produkten genau wissen, welcher Anwendungsbedarf in der Produktion besteht, hat sich diese Vorgehensweise über die Jahre sehr bewährt.“

Automation mit Knickarmroboter

So wurde also nach der erfolgreichen Probebearbeitung eines Hüftschlägers im TAZ eine Grob G350 – Generation 2 für den Werkzeugbau beschafft. Die Maschine ist mit einer Heidenhain-TNC640-Steuerung, einer luftgeschmierten Spindel mit 16.000 min-1, einem Drehmoment von 220 Nm und einem Doppelscheibenmagazin für HSK-A63 mit 117 Werkzeugplätzen ausgestattet. „Bei der Automation haben wir uns für Lang Robo Trex mit zwei Automationswagen und je 30 5-Achs-Spannern entschieden. Sie ist mit einer mechanischen Klemmung ohne Drehdurchführung im Maschinentisch ausgestattet und benötigt keine separaten Paletten“, erklärt Keller.

Ergänzt wird diese Automation von einem Fanuc-Knickarmroboter mit Schraubstockgreifer. Allerdings bestand ursprünglich das Problem darin, dass die Automation von Lang zusammen mit Heidenhain so ausgelegt war, dass immer nur ein Produkt gefräst werden konnte. Gemäß der Anforderungen sollten aber auf jedem Schraubstock der 60 Einheiten auch andere Produkte gefräst werden können. Eine diesbezüglich individuelle Änderung der Steuerung wurde schließlich in einer Zusammenarbeit zwischen Grob, Heidenhain und Lang erreicht. In der Heidenhain-Steuerung wurde mit dem Batch-Process-Manager jedem Schraubstock ein eigener Name zugeteilt. Somit ist man bei Aesculap in der Lage, unterschiedliche Bauteile herzustellen, da auf jedem Schraubstock ein anderes Produkt gespannt werden kann. Im Prinzip funktioniert das System jetzt wie eine große Palettierungsanlage.

Bis zu 6.000 Spindelstunden im Jahr

Aktuell werden auf der G350 Abdeckvorrichtungen für Hüftprothesen gefräst, die später im Oberschenkelknochen verpflanzt werden. Beim Material handelt es sich um 1.4301. Die Ab­deckungen werden aus Flachmaterial in einer Aufspannung gefertigt. Durch geringe Handarbeit muss nur noch eine kleine Anbindung im Nachgang entfernt werden. Die Laufzeiten variieren je nach Größe der Abdeckung zwischen 20 und 85 min. Wenn die beiden Automationswagen mit der maximalen Stückzahl von 60 5-Achs-Spannern bestückt sind, bedeutet dies, dass man, je nachdem welche Variante gefertigt wird, zwischen 20 und 85 h durchproduzieren kann, ohne nach der Maschine sehen zu müssen.

Die Maschine läuft sieben Tage die Woche bei geringen Mannzeiten. „Wir haben ungefähr 200 verschiedene Hüftprothesen, klein, groß und mittel“, erklärt Anwendungstechniker Thilo Hagen. „Entsprechend der Größe des Bauteils ändern sich auch die Laufzeiten. Die längste Laufzeit beträgt eine Stunde 25 min.“ Und er ergänzt: „Diese Maschine haben wir jetzt seit vier Jahren und nie Probleme mit ihr gehabt. Mit dem großen Wartungspaket von Grob lassen wir die Maschine einmal im Jahr komplett warten, was für uns wichtig ist, da wir auf bis zu 6.000 Spindelstunden im Jahr kommen.“

Katharina Strohm/rk