Image
protion_umlaufroboter_schienenoval.jpeg
Foto: Protion
Prototyp des flexiblen Umlaufroboters mit Schienenoval. Die Mover (blau) werden durch einen Linearantrieb bewegt.

Automatisierungstechnik

Eine neue Art Roboter mit hoher Flexibilität

Eine hohe Flexibilität zeichnet den Umlaufroboter von Protion aus. Die neue Art von Roboter kann mit umlaufenden Movern vielfältige Aufgaben übernehmen.

Entwicklungen wie Industrie 4.0 sind ohne umfassende Automatisierungskonzepte nicht denkbar. Die Schlüsselkomponenten dafür sind unterschiedliche Handlingsysteme. Die Protion GmbH, ein Spezialist für Automatisierungstechnik aus dem württembergischen Beuren, möchte mit einem sogenannten Umlaufroboter ein neues Kapitel in der Industrieautomation aufschlagen. Die als Prototyp vorliegende Lösung ist hochflexibel und eignet sich für alle Branchen.

Mover bewegen sich auf einem Schienenstrang

Der Ausdruck Umlaufroboter stammt von Protion selbst. Was bei einem herkömmlichen Roboter die Arme sind, sind beim Umlaufroboter Mover oder Shuttle, die sich auf einem geschlossenen Schienenstrang bewegen, etwa auf einem Oval. Sie können daher „umlaufen“. Bewegt werden die Mover mit Hilfe eines Linearantriebs. Wie schnell, ob kontinuierlich oder in Schritten, und ob sie überhaupt die volle Schienenlänge befahren, hängt von der Anwendung ab. Eine von Protion entwickelte Software erlaubt die individuelle Programmierung der Abläufe. Die Übertragung der Steuersignale erfolgt drahtlos.

Umlaufroboter ist für unterschiedliche Aufgaben geeignet

Die Mover lassen sich zudem für unterschiedliche Aufgaben ausrüsten, zum Beispiel mit Greifern, Saugern, Sensoren, Werkzeugen oder auch mit Kameras. Es ist möglich, Produkte zu bewegen, Werkstücke zu bearbeiten oder Werkzeuge und Messmittel in Position zu bringen. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Ein denkbares Szenario ist der Umlaufroboter als rudimentäre Bohr- oder Fräsmaschine. „Die Positioniergenauigkeit der Mover liegt dank des Linearantriebs auf dem Niveau einer Werkzeugmaschine“, versichert Rainer Buschulte, CEO bei Protion.

Die Idee zu diesem Konzept hat ihre Wurzeln in einem Transportsystem, das es bereits auf dem Markt gibt, allerdings mit vergleichsweise begrenzten Anwendungsmöglichkeiten. „Wir nehmen dieses Transportsystem als Basis, indem wir Energie und Signale auf die Mover bringen. Wir erhalten dadurch ein System mit Robotereigenschaften“, erklärt Buschulte. Der Automationsexperte spricht von einer „neuen Art Roboter, die es auf dem Markt so noch nicht gibt“.

Zwei Baugrößen für Teile bis 60 kg

Ein Schienenoval ist nur die einfachste Variante. In der Praxis sind beliebige Streckenführungen und -längen realisierbar. Der Schienenstrang kann durch ein Lager führen und von dort in den Arbeitsraum eines Bearbeitungszentrums, dann weiter durch ein Qualitätslabor und von dort schließlich in den Versand. Die Schienen können sowohl horizontal als auch vertikal verlegt werden. Möglich ist auch der parallele Betrieb mehrerer Stränge mit einem gemeinsamen Treffpunkt, an dem die Mover per Übergabemodul die Schienen wechseln oder für die Übergabe von Werkstücken synchronisiert werden. Auf den Punkt gebracht: Das System kann sehr flexibel konfiguriert und in jede vorhandene Umgebung eingefügt werden. „Angedacht ist ebenfalls, dass der Anwender seine Anlage selbst umrüstet und parametrisiert, wenn er sie für andere Varianten oder Aufgaben einsetzen möchte“, fügt der CEO hinzu.

Last but not least hat Protion auch verschiedene Baugrößen im Auge. Dazu Buschulte: „Nach Gesprächen mit Interessenten kristallisieren sich im Moment zwei unterschiedlich große Schienensysteme heraus. Ein kleineres System, dessen Mover Teile von bis 5 kg bewegen, und ein größeres für Teile bis 60 kg. Noch größere Werkstücke stellen aber keine unüberwindbaren Schwierigkeiten dar.“

Umlaufroboter bietet hohe Flexibilität

Marketing- und Vertriebspartner Conisal aus Nürtingen ist überzeugt, dass der Umlaufroboter aufgrund seiner Flexibilität geradezu prädestiniert ist, um als Schlüsselkomponente innerhalb der digitalen Fabrik zu fungieren. Georg Werner, Geschäftsführer und Inhaber von Conisal, hat zusammen mit den Automationsspezialisten aus Beuren eine Unternehmensrunde versammelt, um die entsprechenden Technologien zu bündeln. Die FSI Informationssysteme e. K. aus Stuttgart bringt sich mit den Themen industrielle Bildverarbeitung und KI-Kompetenz ein. Das Unternehmen entwickelt unter anderem Kamerasysteme für 100%-Qualitätsprüfungen bei großen Produktionsstückzahlen. Diese Lösungen lassen sich tief in eine vorhandene Infrastruktur integrieren, sodass sie nicht nur eine Überwachungsfunktion ausführen, sondern bei Bedarf Steuersignale an die Produktionsanlagen senden. Mit Hilfe von KI-Techniken optimiert sich die Produktion selbst. Die Vision von Werner geht aber noch weiter: Damit eine so komplexe Produktion auch mit dem Rest des Unternehmens kommuniziert, bedarf es einer Anbindung an das ERP-System. Dafür holte er die Anndrag GmbH aus Ulm mit ins Boot. Das Unternehmen versteht sich auf die Integration sämtlicher Daten im Unternehmen.

Schneller produzieren bei weniger Platzbedarf

Buschulte ist überzeugt, dass sich mit dem Umlaufroboter in so gut wie allen Branchen viel Zeit sparen lässt: „Wir haben bereits für einen Kunden aus der Verpackungsbranche ein Konzept ausgearbeitet, mit dem sich um den Faktor fünf schneller produzieren ließe. Zudem ist die bisherige Produktionslinie mit Pick-and-Place-Robotern 50 m lang, mit dem Umlaufroboter würde sich der Platzbedarf auf ein Drittel reduzieren. Unter dem Strich könnte das Unternehmen jede Menge Kosten sparen.“ Neben der Verpackungsindustrie kommen insbesondere auch Unternehmen mit Montagetechnik als Anwender infrage. Protion liegen bereits mehrere Anfragen aus den Bereichen Automotive, Elektronik/Elektrotechnik und Medizintechnik vor.

„Betriebe mit hohen Kosten für die interne Logistik, einem hohen Materialbestand in der Fertigung, oder mit vielen Umrüstungen können mit dem Umlaufroboter ihre Wirtschaftlichkeit deutlich erhöhen“, ist Werner überzeugt. Der ERP-Fachmann denkt insbesondere auch an die einfachen Prozesse, für die hierzulande die Kosten oft zu hoch sind. Die Konsequenz ist die Auslagerung und damit die Erzeugung langer Lieferketten. Werden diese Lieferketten aber durch höhere Gewalt unterbrochen, wie viele Unternehmen in diesen Tagen zur Kenntnis nehmen mussten, entstehen Engpässe. „Das flexible und wirtschaftliche Konzept des Umlaufroboters könnte dazu beitragen, die Kosten für einfache Prozesse hierzulande spürbar zu senken. Lieferketten ließen sich zurückholen und die Unternehmen würden wieder krisensicher“, meint Werner.

Image
protion_umlaufroboter_greifer.jpeg
Foto: Protion
Mover des Umlaufroboters mit unterschiedlichen Greifern.