Wie digitalisierte Fertigung heute aussehen muss, demonstriert -die WBA regelmäßig in der Fertigungshalle am Campus-Boulevard 30 in Aachen. Aktuell wurden dort zwei Projekte realisiert: Zusammen mit dem Industriepartner Zoller wurde ein perfektes Toolmanagement installiert. „Das ist die Basis, damit digital immer der aktuelle Ist-Zustand der Werkzeuge vorliegt. Denn nur so kann Qualität geplant und erzeugt werden.“ Noch spannend ist nach Angaben von WBA-CEO Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Boos derzeit vor allem der Aufbau einer ganzen Prozesskette zwischen dem hochgenauen Makino-D200z-BAZ, einer geplanten Makino-EDAF-3-Erodiermaschine und der additiven Formup 350 des französischen Herstellers Addup.
Pulverwalzen bringt mehr Homogenität und Dichte
Highlight der aktuellen Formup-350-Maschine ist vor allem die Walzenfunktion über dem Pulverbett: „Durch das Walzen erreichen wir noch vor dem Lasern eine leichte Komprimierung und Glättung des Pulvers und dadurch eine bessere Homogenität. Das wiederum erlaubt uns, mit der Formup 350 noch feinere und exaktere Konturen, Kanten, Gitter und Bohrungen aufzubauen – und zwar nahezu ohne Stützkonturen einplanen zu müssen.“ Das sei ein großer Vorteil und würde vor allem die Produktivität enorm erhöhen, betont Key Account Manager Jörg Oster. Deshalb müssten die additiv erzeugten Bauteile viel weniger nachgearbeitet werden, was natürlich generell und vor allem im Formenbau mit den viel komplexeren Geometrie- und Materialvorgaben sehr interessant sei. Welche Teile damit machbar sind, zeigt Jörg Oster anhand einiger filigraner Beweisstücke aus korrosionsbeständigem 1.2083er Werkzeugstahl. Dass die Formup 350 auch größere Aufgaben bewältigen kann, belegte der Key Account Manager mit einem rund 300x300x200 mm großen Werkzeugschieber für Ventilatorenschaufeln, der in der Werkzeugbau Akademie in Aachen nach der additiven Fertigung auf der Formup-350-Maschine erst zur Erodiermaschine transportiert wird, um dort die Bauteil und Bodenplatte zu trennen, bevor final auf dem Bearbeitungszentrum hochpräzise Oberflächen-, Form- und Lagetoleranzen erarbeitet werden.
Nullpunktspannsystem und Transporter auswählen
„Die digitale Prozesskette ist dabei nicht das Problem“, berichtet Wolfgang Boos. „Digital funktioniert alles, weil die meisten Maschinen die Prozessdaten sowieso schon quasi als Abfallprodukt auf ihren Steuerungen verfügbar haben. Man muss sie nur auslesen und nutzen“, betont der WBA-Chef. Spannender sei momentan eher, für die Prozesskette die passenden Transport- und Spannmittel auszuwählen. Beim Spannmittel ist ein Nullpunktspannsystem in der engeren Wahl, das natürlich auf allen Maschinen integriert werden kann und jeden Prozessbedingungen Stand hält. „Das ist gar nicht so trivial, da auf der additiven Maschine mit sehr feinem Pulver gearbeitet wird und zusätzlich auch noch Temperaturen von rund 200°C nicht ungewöhnlich sind. Dazu müssen noch die eingesetzten Kühlschmierstoffe und Erodieröle auf den Bearbeitungszentren einkalkuliert werden“, erklärt Wolfgang Boos, der aber vor allem der Auswahl des Transportmediums gespannt entgegensieht. „Das könnte tatsächlich erstmals ein humanoider Roboter werden, der eben ohne großen Aufwand für Übergabestationen oder Transportbahnen die Form samt Nullpunktspannsystem von einer Maschine zur anderen transportiert, wenn sich das Teil so einfach nach der Erzeugung auf der additiven Maschine entnehmen lässt“, deutet Wolfgang Boos die doch nicht unerheblichen Vorbereitungen an.
Weg vom ‚Bauchgefühl-Management‘ hin zur richtigen Frässtrategie
Die größten Vorteile der IIoT-Plattform und Digitalisierung sind aber vor allem, dass damit viele Firmen einen großen Schritt Richtung wirklich planbarer Produktqualität machen: „Ob ein Bauteil i.O. ist oder nicht, entscheidet künftig nicht mehr das Fingerspitzengefühl des Mitarbeiters, sondern sollte aufgrund von Kenndaten, wie Werkzeugstandzeiten oder auch Spindellast sowie Temperaturüberwachung vorausgesehen und entsprechend durch frühzeitigen Werkzeugwechsel oder mehr Kühlschmierstoff an der Schneide korrigiert werden. Mit unserer IIoT-Plattform ist es heute schon möglich, das Bauchgefühl-Management‘ zu verlassen. Viele Informationen können bereits aus Maschinendaten herausgelesen, ausgewertet und gesteuert werden.“ Wie wichtig in der digitalen Welt aber weiterhin das Know-how des Bedieners bleibt, belegt Wolfgang Boos durch das Thema richtige Frässtrategie. Denn die Auswahl der passende Frässtrategie sei für vieles entscheidend: Oberfläche, Präzision und vor allem Bearbeitungszeit. „Mit unserer IIoT-Plattform konnten wir auch sehr schön ermitteln, welche Auswirkungen die Veränderung der Frässtrategie hat. Letztlich konnten wir die Neben- und Bearbeitungszeit durch Änderung der Frässtrategie - bis zu 40% senken. Das ist enorm. Und das sollte Anreiz genug sein für Unternehmen, die eigenen Maschinen zu digitalisieren und eine IIoT-Plattform einzuführen. Die WBA ist gerne behilflich.“