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Cimsource nennt es Data Morgana: Für ein CAM-System muss der digitale Zwilling mehr sein als eine Pixelwolke.
Foto: Cimsource
Cimsource nennt es Data Morgana: Für ein CAM-System muss der digitale Zwilling mehr sein als eine Pixelwolke.

Steuerungen + Software

Die Digitalisierung der Werkzeugindustrie

Die Skepsis gegenüber neuen Medien und digitalen Arbeitsformen ist mit der Coronakrise überwunden worden.

Dr. Götz Marczinski von der Cimsource GmbH in Aachen erklärt in vier Thesen und anhand einer durchgeführten Trendanalyse, wie eine Webinar-Reihe entlang der ‚Information Supply Chain‘ für Präzisionswerkzeuge ideal beleuchtet hat. Grundlage war eine von Cimsource Aachen durchgeführte Trendanalyse, die unter anderem zur Formulierung folgender vier Thesen geführt hat.

These 1: Die virtuelle Produktausauswahl und Prozessabsicherung (Simulation) wird den Außendienst auf die detaillierte Technologieberatung fokussieren.

Die ‚Customer Journey‘, d. h. der Weg des potentiellen Kunden zum Produkt, wird im Internet beginnen. Die mit der Digitalisierung reduzierten persönlichen Kontakte führen zu einer Schwächung der traditionellen Kundenbindung. Digitale Alternativen zur persönlichen Produktvorstellung und -einweisung werden den Unterschied machen. Die digitale Produktverfügbarkeit wird die Kaufentscheidung treiben. Den letzten, entscheidenden Schritt wird nach unserer Überzeugung aber weiterhin ein qualifizierter Mitarbeiter begleiten. Digitale Produktverfügbarkeit ist mehr als ein Online-Katalog mit entsprechender Downloadoption für Produktdaten wie er heute von allen Werkzeugherstellern angeboten wird. Auch beeindruckende Werkzeugauswahlhilfen, wie sie heute von manchen Werkzeugherstellern geboten werden, sind nur ein Teil der Lösung. Gebraucht werden Lösungen für alle denkbaren Kanäle der Information Supply Chain.

These 2 mit vergleichbarer Distributionslogistik realer Werkzeuge

Mit These 2 wird aus der Kundenperspektive eine ‚Information Supply Chain‘ notwendig, vergleichbar der Distributionslogistik der realen Werkzeuge. Denn aus der Kundenperspektive unterscheiden wir den ‚e-commerce‘-Kanal vom ‚CAM‘-Kanal. Über Ersteren werden vor allem Produktdaten für die Wiederbeschaffung bekannter Werkzeuge oder alternativer Werkzeuge für bekannte Bearbeitungsaufgaben gebraucht. Der ‚CAM‘-Kanal versorgt Prozessplaner mit den notwendigen Daten, um entscheiden zu können, welches das passende Werkzeug für eine bestimmte Bearbeitungsaufgaben ist. Das dazu erforderliche Produktdatenmanagement ist wie eine ‚Versandabteilung‘ zu organisieren. Die Produktdaten müssen in den geforderten Datenformaten für den Direktversand oder für die Bestückung der Shops der Handelspartner bereitstehen. Ideal ist es, die Datenbereitstellung als ‚Streckengeschäft‘ zu organisieren. Die benötigten Daten werden zum Bedarfszeitpunkt beim Werkzeughersteller generiert, also praktisch ‚made to order‘ aus  dem ‚Zentrallager‘ bereitgestellt. Denn hier ist ein entscheidender Unterschied zur realen Logistik. Einen Datensatz, also der digitale Zwilling eines Werkzeugs, kann beliebig oft ‚verschickt‘ werden. Ein physisches Werkzeug nur einmal. Die ‚Lieferfähigkeit des Zentrallagers‘ entscheidet sich an der technischen Ausstattung der Versandlogistik. Es gibt bereits Produkte, die diese Lücke schließen. Der Sales-Support-Server von Cimsource ist dafür perfekt ausgelegt.

These 3: Neue Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit werden notwendig

Gerade zur Sicherstellung der digitalen Produktverfügbarkeit sind Partner notwendig. In vielen Fällen werden bestehende Händler- und Vertriebspartner auch die Online-Kanäle unterstützen. Dazu kommen einige neue Online-Vertriebspartner. Der Datenfluss in der Information Supply Chain ist also mehrgleisig zu organisieren. Dazu sind unternehmensübergreifende Lösungen gefordert. Denn dass ein Werkzeughersteller allein durch seine Produktdaten einen Wettbewerbsvorteil hat, ist wohl unrealistisch. Aus der Kundenperspektive sind vielmehr einheitliche Produktdaten wünschenswert. Die zur Standardisierung erforderliche, herstellerübergreifende Zusammenarbeit ist nicht neu. Die herstellerübergreifende Zusammenarbeit mit Softwareanbietern für CAM- und TM-Systeme dagegen schon. Denn dass der Standardisierung hier Grenzen gesetzt sind, wird in der Praxis immer wieder evident. Cimsource bietet mit Tools-United genau für diese Herausforderung einen ‚managed service‘ an.

Produktdaten nicht hinter Registrierschranken verbergen

Eine entscheidende Rolle in der Information Supply Chain nehmen auch Online-Partner ein, deren Geschäftsmodell nicht der Werkzeugverkauf ist. Dazu gehören zum Beispiel Plattformen wie Tools-United, die den Kunden eine ‚Single Source‘ für die Produktdaten liefern. Dazu gehört im simpelsten Fall Google selbst. Google ist die Inkarnation der herstellerunabhängigen Suche. Was die Google-Crawler nicht finden, findet im Zweifel auch der Kunde nicht. Und die Erhöhung der Trefferwahrscheinlichkeit erfordert für die Crawler offene Lösungen. In der Praxis heißt das, die Produktdaten nicht hinter ‚Registrierungsschranken‘ zu verbergen. Die Trefferwahrscheinlichkeit erhöht sich mit der Vernetzung über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Das Ziel muss heißen, möglichst wenig Suchanfragen zu enttäuschen.

Option ‚where-to-buy‘ spielt entscheidende Rolle

Beispielsweise zeigt die WebAnalytics der Tools-United-Plattform, dass zwischen 70 und 80 % aller Google-Suchen darauf abzielen, ein Werkzeug zu kaufen. Der Kunde gibt in diesen Fällen direkt eine Artikelnummer oder Produktbezeichnung in die Google-Suche ein und wird auf die sogenannte ‚Einzeldatensatz‘-Anzeige von Tools-United geleitet. So lange Tools-United nur die Download-Möglichkeit für die Werkzeuge anbietet, springen viele Nutzer direkt wieder ab. Werden zusätzlich alternative Bezugsquellen angezeigt, folgen die meisten Nutzer den entsprechenden Links. Die Option ‚where-to-buy‘ spielt also eine entscheidende Rolle, die Nutzererwartung nicht zu enttäuschen.  Und bietet für den Werkzeughersteller eine attraktive Möglichkeit, Geschäft zu generieren.

These 4: Das Internet wird die Quelle für Marktdaten und für Werkzeug-Einsatzdaten

Die Aussage ‚Daten sind das neue Gold‘ ist der Treibsatz für so manche Digitalisierungsstrategie. Doch es ist zu differenzieren: In der Praxis geht es nicht um die Produktdaten, sondern um Meta-Daten. ‚Wer hat wonach gesucht?‘ ist die zentrale Frage. Es geht um Nutzerprofile, es geht um Marktdaten zur fokussierten Kundenansprache. Den Direktkontakt zum Kunden nicht zu verlieren ist wichtig.  Informationen zu erhalten, mit denen die ‚Customer Journey‘ zum eigenen Produkt optimiert werden kann. Es geht um Informationen zur Absatzplanung und zum Steuern der Verkaufsförderung. Dazu sind WebAnalytics notwendig, am besten wiederum im breiteren Kontext als der eigenen Webseite. Auch Einsatzdaten bzw. Einsatzempfehlungen werden die Kunden, wenn auch in etwas fernerer Zukunft, im Internet suchen und finden. Internet-of-Things-Plattformen (IOT) werden dazu die Daten sammeln. Entsprechende Forschungsprojekte mit cloud-basierten Toolmanagement-Systemen deuten in diese Richtung. Durch die massenhafte Erfassung von Einsatzfällen werden Verfahren des Machine-Learning möglich, die mit Hilfe der Mustererkennung Vorschläge für konkrete Bearbeitungsaufgaben machen können.

Fazit und Empfehlung

Die digitale Produktverfügbarkeit wird erfolgsentscheidend. Werkzeughersteller müssen in der Lage sein, die Verfügbarkeit der digitalen Zwillinge entsprechend agil und flexibel zu organisieren. Mit Online-Vertriebspartnern sollte die Bereitstellung von Produktdaten im Gegenzug für Benutzerprofile bzw. Daten zur ‚Market Intelligence‘ erfolgen. Ein kombinierter Bottom-Up- / Top-Down-Ansatz wird zum Ziel führen. Bottom-Up heißt, die Datenbasis mit den Produktdaten mit einem flexiblem Verteilmechanismus zu schaffen, so dass verschiedene Gleise der Online-Kanäle reaktionsschnell bedient werden können. Gemeinsamer Nenner ist die Produktdatenbank.