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Foto: Martin Schreier, Marktgasse 15, 72070 Tuebingen, schreier.msc@web.de
Mirko Merlo, President, Walter AG, Derendinger Strasse 53, Tuebingen, 2014

Präzisionswerkzeuge

"Die beste Entscheidung in der Firmengeschichte"

Viel Geld hat die Walter AG in die Smart Factory investiert. Der Vorstandsvorsitzende Mirko Merlo zieht nach fast zwei Jahren Bilanz über das einmalige Technologiecenter.

von Harald Klieber

Herr Merlo, Ende 2016 hat die Walter AG die Smart Factory offiziell in Betrieb genommen. 16 Mio. Euro wurden für 5.000 m² Technology Center investiert. Wie fällt Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr aus?

Gut. Wir sind zufrieden.

Lässt sich das in Zahlen fassen?

Wir messen nicht alles nach der Formel Return on Invest. Gerade die Smart Factory sehen wir als wichtige Investition in die Zukunft. Nicht typisch R&D. Sie müssen auch Mal ‚out of the box‘ querdenken. Unterm Strich sind wir sehr zufrieden. Um es kurz zu machen: Die Investition Smart Factory war die beste Entscheidung in der Firmengeschichte.

Das ist ein Wort. Das lässt sich doch sicher mit Zahlen belegen?

Das Technology Center ist mittlerweile extrem gut ausgelastet. Im ersten Jahr konnten wir über 1.000 Kunden begrüßen.

Und diese Kunden bekommen alle eine Prozessoptimierung?

Nein, das würde den Rahmen sprengen. Neben dem Projektgeschäft nutzen wir das Technology Center auch noch für interne und externe Schulungen.

Ein Technology Center für Prozessoptimierung haben ja viele Werkzeughersteller. Wo liegt der Mehrwert Ihrer Smart Factory?

Das große Plus ist unsere gelebte Engineering-Kompetenz. Diese strukturierte und gezielte Neu- und Weiterentwicklung von Zerspanungsprozessen ist nicht nur unsere Vision, sondern hier in der Smart Factory gelebter Alltag. Diesen Mehrwert, unsere Kompetenz, erleben und begreifen die Leute meist erst, wenn sie hier sind.

Die Kernelemente sind digitale Analysemethoden. Diese Analyse könnten doch andere Werkzeughersteller auch anbieten?

Nicht in dieser Ausprägung: Wir haben 2016 unseren langjährigen Kooperationspartner Comara gekauft, der mit uns das Thema digitale Analyse von Zerspanungsprozessen ständig weiterentwickelt. Sie werden erleben, was mit diesen über ein Dutzend Applikationen möglich ist, die auf einfache Weise den Zerspanungsprozess analysieren, die Potenziale deutlich aufzeigen, also visualisieren, und damit automatisch große Transparenz bringen. Die Kunst dabei ist, aus diesen Daten die richtigen Schlüsse zur Optimierung des Prozesses zu ziehen. Das machen unsere Experten.

Aber was sagen Ihre Kunden, welche Signale bekommen Sie aus dem Markt?

Das erste Jahr hat uns schon einen großen Schritt weiter gebracht. Unsere Kunden, die hier in der Smart Factory waren, verstehen Walter bereits als Lösungsanbieter. Unsere Kunden – auch die bei uns jährlich für mehrere Millionen Euro einkaufen – sehen und wissen, dass wir viel mehr liefern, als nur das Werkzeug für einen Prozess. Wir machen den Prozess.

Wie hoch ist dabei Ihre Trefferquote?

Jeder, der jetzt 100 % sagt, ist nicht ehrlich. Wir sind da ein Stück weiter. Zu unserer Kompetenz-Kultur haben wir deshalb auch eine Fehler-Kultur in unserer Entwicklung etabliert. Denn Fehler sind ein Teil der Entwicklung. Nicht alles funktioniert. Die Kombination von Perfektion und Fehler ist das Rezept des Erfolges. Letztlich lernen sie aus Fehlern. Nur so entsteht Erfahrung und Know-how, nur so entsteht Engineering Kompetenz, die aber auf der anderen Seite meist deutlich über 10% Produktivitätsplus durch Optimierung des Zerspanungsprozesses bringt. Das ist unser Erfahrungswert.

Heißt das, Sie wollen gar keine Werkzeuge mehr verkaufen, nur noch Prozesse optimieren?

In der Vergangenheit hat es gereicht, ein gutes Produkt zum akzeptablen Preis zu produzieren. Heute erwarten die meisten Kunden aber mehr. Heute wollen die Kunden sehen, wie sie Potenziale strukturiert erarbeiten. Dafür ist die Smart Factory ideal.

Dann hat sich das Kundenprofil der Walter AG aber stark verändert. Ist Walter nur noch ein Werkzeughersteller für Großkunden?

Walter ist ein Prozessoptimierer für Direktkunden, für Kunden, die ihre Zerspanungsprozesse nicht dem Zufall überlassen, sondern strukturiert an der Optimierung arbeiten wollen. Ja, wir sind mittlerweile ein Premiumanbieter in vielen Branchen. Derzeit arbeiten wir mit rund 15.000 aktiven Direktkunden zusammen. Auf der anderen Seite beziehen aber auch Kunden über circa 1.800 Channel-Partner unsere Werkzeuge.

Zahlt sich die Smart Factory eigentlich schon aus?

Wenn Sie Umsatz meinen, ja. Die Strategie Engineering Kompetenz macht sich schon bemerkbar. Da bei der Engineering Kompetenz aber das Thema Nachhaltigkeit ein ganz zentraler Aspekt ist, lassen sich unmittelbare Zusammenhänge zwischen erfolgter Prozessoptimierung und Umsatzanstieg nicht sofort feststellen.

Das heißt: Sie lassen sich die Prozessoptimierung als Dienstleistung nicht direkt bezahlen?

Die finanzielle Vergütung ist nicht unser vordergründiges Anliegen. Wir wollen unsere Kunden mit sehr effizienten Zerspanungsprozessen nachhaltig erfolgreich machen. Für die Akzeptanz beim Kunden ist es deshalb wichtig, dass wir die extrem technologische Entwicklung in der Smart Factory sehr bodenständig realisieren und rüberbringen.

Und das Rüberbringen funktioniert?

Ja. Das ist der Schlüssel. Wir machen die Technologie für den Kunden verständlich. Das ist uns vor allem mit den ganzen digitalen Hilfsmitteln sehr gut gelungen. Mit augmented reality, holographic displays oder automatischen Vorschubanalysen machen wir die neuen Zerspanungstechnologien in der Smart Factory wirklich transparent, ja, greifbar.

Wie die Smart Factory im Detail funktioniert lesen Sie hier:

In 6 Schritten zum besseren Prozess

Für die Zerspanung von morgen entwickeln, testen, zeigen. Das ist der Auftrag der Smart Factory. Der Werkzeughersteller Walter AG erklärt, was damit machbar ist.
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