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Foto: Hermle
Je nach Material und Bauteilgröße liegt die Bearbeitungszeit zwischen 15 Minuten und drei Stunden. 

Werkzeugmaschinen

Automatisierte 5-Achs-Bearbeitung steigert Produktivität

Hohner Maschinenbau ist mit zwei automatisierten 5-Achs-Bearbeitungszentren in die Lohnfertigung eingestiegen und steigerte die Produktivität von 30 auf 80 %.

Für den Einstieg in die Lohnfertigung hat Hohner zwei roboterautomatisierte 5-Achs-Bearbeitungszentren angeschafft und so die Produktivität gesteigert. Die Gründe dafür lagen auch in der Corona-Pandemie: Keine Flyer, keine Theaterprospekte, keine Menükarten – in den Druckereien ist es stiller geworden im vergangenen Jahr. Auswirkungen hat das auch auf die Unternehmen, die Maschinen für die grafische Industrie entwickeln, wie die Hohner Maschinenbau GmbH. In diese Stille hinein investierte das Tuttlinger Familienunternehmen in zwei 5-Achs-Bearbeitungszentren der Maschinenfabrik Berthold Hermle AG, automatisiert mit dem leistungsstärksten Roboter, den die Gosheimer im Programm haben. Hohner steigt damit in die Lohnfertigung ein und baut sich ein viertes Standbein auf – unabhängig von der Druckbranche.

Der Weg zur Auftragsfertigung

Hans-Peter Schöllhorn, CEO bei Hohner, muss etwas ausholen, um den Weg vom Drahtheftbereich zur Auftragsfertigung von Präzisionsteilen plausibel zu erklären: „Seit den 1950er Jahren sind wir stark an die grafische Industrie gebunden. Zum einen mit unseren eigenen Anlagen zur Druckweiterverarbeitung, den Sammelheftern, zum anderen als Hersteller von Schmalheftköpfen, die wir weltweit an OEM liefern.“ Hinzu kommen Drahtheftmaschinen – ein dritter wichtiger Geschäftszweig, der Hohner etwas unabhängiger von der klassischen Druckbranche macht. „Heftklammern kommen überall zum Einsatz, von der Broschüre über Masken und Teebeutel bis hin zur nachhaltigen Six-Pack-Verpackung. Sie verbinden zuverlässig und sind einfacher zu recyceln als beispielsweise Klebstoffe“, verdeutlicht Schöllhorn.

Schon vor Corona geriet die grafische Industrie unter Druck: Das Internet ist zu einer starken Kommunikationsplattform mit vielfältigen Vertriebskanälen gewachsen. Individuelle Nutzeransprache, beispielsweise durch Retargeting, macht die Onlinewelt attraktiv für Marketingstrategen. Doch mit der Digitalisierung greift das klassische Druckerzeugnis den Trend zur Individualisierung auf – Print wird persönlich. Hohner arbeitet schon länger parallel zu seinen klassischen Sammelheftern an Lösungen für die Digitalverarbeitung und hat vor kurzem beide Welten in einer Anlage zusammengebracht. „Neben personalisierten Broschüren oder Magazinen müssen unsere Kunden auch immer kleinere und vielfältigere Auflagen produzieren können. Wir haben daher unsere neueste Maschine modular gestaltet“, erläutert Schöllhorn. „Eine Basis kann mit bis zu fünf Beschickungsvarianten erweitert werden. Vom Sammelhefter über ein Kreuzbruch-, Turm-, Falzhefter- oder Digitalmodul. Die Maschine wächst mit dem Bedarf der Druckerei mit.“

Flexibilität mit hohem Automatisierungsgrad verbinden

Das Thema Customizing trifft Hohner auch direkt bei seinen eigenen Produkten: „Früher haben wir hohe Stückzahlen des gleichen Typs gefertigt. Heute ist jede Anlage individuell an den Kunden angepasst“, erklärt der Geschäftsführer. Er musste die Fertigung auf die kleineren Stückzahlen umstellen, ohne an Produktivität zu verlieren. Schöllhorn organisierte den Maschinenpark neu und suchte nach einer Lösung, die Produktivität zu steigern. Sein Plan ist es, die Fertigungstiefe zu verringern und nur noch die hochwertigen Zeichnungsteile mit besonderem Qualitätsanspruch intern zu bearbeiten – idealerweise rund um die Uhr. An dieser Stelle kam Hermle ins Spiel.

„Wir brauchten eine Anlage, die höchste Flexibilität mit maximalem Automatisierungsgrad verbindet“, erklärt Andreas Hennemann, Produktionsleiter bei Hohner Maschinenbau. Die Anforderungen, unterschiedliche Teile in verschiedenen Dimensionen inklusive diverser Vorrichtungen zu handhaben und zu bearbeiten, erfüllte eine Kombination aus C 650 U und C 400 U. „Die beiden Maschinen ergänzen sich ideal, denn unser Teilespektrum ist immens. Wir fräsen Gussteile, Kunststoff, Messing, Aluminium und Stähle in Dimensionen bis 900 mm. Im Durchschnitt messen unsere Werkstücke jedoch 300 mm, wofür die C 650 U überdimensioniert wäre“, erläutert Hennemann die Entscheidungsfindung. Die Bearbeitungszeit liegt zwischen 15 min und drei Stunden, die Stückzahlen zwischen fünf und 500. Ein starker Roboter sitzt zwischen beiden 5-Achs-Maschinen und bestückt diese automatisch und autark. „Der RS3 kann bis zu 420 kg schwere Teile handhaben und ist damit die bestmögliche Lösung für unsere Anwendung“, ergänzt der Produktionsleiter.

Produktivität von 30 auf 80 % gesteigert

Der Roboter sowie die größere der beiden 5-Achs-Maschinen sind seit November 2020 in Betrieb. „An dieser Art von Anlage braucht es ein Team mit digitalem Verständnis“, sagt Schöllhorn. „Unsere Mitarbeiter sind aufgeschlossen gegenüber modernen Technologien und haben einfach Spaß daran, sich in die neue Aufgabe reinzuknien.“ Im März 2021 installierte Hermle die C 400 U. „Wir kennen Hermle seit Jahrzehnten und arbeiten schon sehr lange zusammen. Vertrauen hatten wir von Anfang an. Der Service und die Technik haben uns wieder mal überzeugt“, lobt der Geschäftsführer. Sein Plan hat funktioniert: „Die Maschinen laufen einwandfrei. Die Produktivität hat sich von 30 auf 80 % gesteigert. Die dritte personenlose Schicht sowie die Wochenenden sind zu 80 oder 50 % ausgelastet. Das bauen wir noch weiter aus.“

Die Hermle-Bearbeitungszentren C 400 U und C 650 samt RS3-Roboter ersetzen sechs Bestandsanlagen bei Hohner. Das zeigt, dass es Schöllhorn nicht unbedingt um den Ausbau der Kapazität, sondern um das Plus an Produktivität ging. Darüber hinaus stößt der Maschinenbauer in neue Fertigungsdimensionen vor, wie der Geschäftsführer bemerkt: „Jetzt können wir die Präzision bieten, die wir vorher nur schwer erfüllen konnten.“ Und bei Hohner weiß man, was Präzision bedeutet: In einem kleinen Heftkopf bewegen sich 160 Teile in 18.000 Takten pro Stunde. Ist hier eine Oberfläche nicht auf den 100stel mm genau gefertigt, läuft es nicht rund. „Wir haben eine hohe Expertise bei unseren eigenen Teilen. Komplexität und Diffizilität ist kein Problem für uns. Daher wollen wir dieses Know-how auch anderen Unternehmen anbieten“, erklärt Schöllhorn den Schritt in die Lohnfertigung und ergänzt: „Ich sehe keinen Sinn darin, eine hochqualifizierte Anlage mit Teilen zu belegen, die ich günstiger zukaufen kann. Lieber fertigen wir komplexe und anspruchsvolle Teile auf der Hermle für intern und extern.“

Für ihn hat die Investition noch einen weiteren Vorteil fernab von Produktivität und Effizienz – sie setzt ein wichtiges Zeichen: „Ein Unternehmen, das sich an der neuesten Technologie orientiert, ist ein überzeugenderes Argument für zukünftige Azubis und Fachkräfte. Es zeigt, dass wir ein krisensicheres und zukunftsorientiertes Unternehmen sind.“

Udo Hipp/rk